Die Behandlung von Kindern im Alter von 6 bis 11 Jahren mit zystischer Fibrose (CF) und F508del-Mutation mit der Kombination aus Lumacaftor und Ivacaftor (Orkambi®, Vertex Pharmaceuticals) verbessert im Vergleich zu Placebo die Lungenfunktion signifikant. Bei 2-mal täglicher Einnahme der Kombination über 24 Wochen verbesserte sich der primäre Endpunkt, die absolute Änderung im Lungen-Clearance-Index (LCI2,5) im Vergleich zu Placebo signifikant um 1,1 Scorepunkte (p < 0,0001). Auch die Chloridkonzentration im Schweiß sank deutlich. Die Ergebnisse dieser randomisierten, multizentrischen doppelblinden Phase-3-Studie wurden von einer Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Felix Ratjen, Hospital for Sick Children, Universität von Toronto, Kanada, in Lancet Respiratory Medicine veröffentlicht [1].
Ursache der Erkrankung im Visier
„Die Studie von Ratjen und Kollegen liefert weitere Informationen zu CFTR-Modulatoren bei Kindern mit zystischer Fibrose, die von der Behandlung einen größeren Nutzen haben als Erwachsene, weil sie die Progression der Lungenerkrankung eventuell aufhalten kann“, so der Kommentar von Prof. Dr. Carla Colombo, Zystisches-Fibrose-Zentrum, Universität Mailand, Italien, im begleitenden Editorial [2].
Nach Aussage von Colombo hat die Entwicklung von Substanzen, die am CFTR-Protein (Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator) angreifen, die Behandlung der zystischen Fibrose verändert, in dem sich sie Behandlung von einem primär symptomorientierten Ansatz mit Verminderung der Komplikationen hin zu einem gezielten Angriff an der Ursache der Erkrankung verschoben hat.
„Nach der vorliegenden Studie funktioniert die Kombination aus Lumacaftor und Ivacaftor bei kleineren Kindern noch besser als im jugendlichen und Erwachsenenalter, da wir offensichtlich noch weniger destruiertes Lungengewebe vorliegen haben und die Aktivität am CFTR besser zur Wirkung kommt“, kommentiert PD Dr. Joachim Riethmüller, Leiter der CF-Ambulanz und des Center for Pediatric Clinical Studies, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Tübingen, gegenüber Medscape.
„Die Therapie mit Ivacaftor oder deren Weiterentwicklungen haben das Potenzial, als protektives Moment in der Therapie der CF einen festen Stellenwert zu bekommen ohne allerdings die symptomatische Therapie vollständig ablösen zu können. Erst wenn mögliche Nachfolgepräparate, die den Chloridionenkanal mindestens zu 50 Prozent oder mehr zu aktivieren in der Lage sind, in die Therapie integriert werden können, wird sich die symptomatische Therapie deutlich zu Gunsten des Patienten reduzieren lassen.“
CFTR-Protein, Lumacaftor und Ivacaftor
Das CFTR-Protein ist ein Chloridkanal an der Oberfläche von Epithelzellen in verschiedenen Organen. Die F508del-Mutation verursacht am CFTR-Protein in erster Linie einen Defekt in der zellulären Verarbeitung und Transportsteuerung, was zu einer Verringerung der CFTR-Menge an der Zelloberfläche führt. Die kleine Menge an F508del-CFTR, die die Zelloberfläche erreicht, besitzt eine geringe Öffnungswahrscheinlichkeit des Kanals.
Lumacaftor ist ein CFTR-Korrektor, der direkt auf das F508del-CFTR wirkt. Er kann die zelluläre Verarbeitung und Transportsteuerung verbessern und dadurch die Menge an funktionellem CFTR an der Zelloberfläche erhöhen. Ivacaftor ist ein CFTR-Verstärker, der einen erhöhten Chloridtransport ermöglicht, indem er die Öffnungswahrscheinlichkeit (Gating) des CFTR-Kanals an der Zelloberfläche erhöht.
Die Kombination von Lumacaftor und Ivacaftor führt zu einer erhöhten Menge und besseren Funktion von F508del-CFTR an der Zelloberfläche, was einen erhöhten Chloridionentransport zur Folge hat. Die genauen Mechanismen, durch welche Lumacaftor die zelluläre Verarbeitung und Transportsteuerung von F508del-CFTR verbessert und Ivacaftor F508del-CFTR verstärkt, sind nicht bekannt. Die Kombination ist seit November 2015 in der EU zur Behandlung der zystischen Fibrose (CF, Mukoviszidose) bei Patienten ab 12 Jahren zugelassen, die homozygot für die F508del-Mutation im CFTR-Gen sind.
Phase-3-Studie bei Kindern von 6 bis 11 Jahren
Ratjen und Kollegen untersuchten nun in einer Phase-3-Studie Wirksamkeit und Verträglichkeit von Lumacaftor und Ivacaftor bei Kindern im Alter von 6 bis 11 Jahren, die an einer zystischen Fibrose erkrankt und homozygot für die F508del-Mutation im CFTR-Gen waren. Zwischen Juli 2015 und September 2016 wurden in 54 Zentren in 9 Ländern über 200 Patienten eingeschlossen. Randomisiert erhielten 103 Kinder 200 mg Lumacaftor/250 mg Ivacaftor oral alle 12 Stunden, 102 Kinder bekamen Placebo über jeweils 24 Wochen.
Primärer Endpunkt war die Wirkung auf die Lungenbelüftung, gemessen anhand desLCI2,5. Die Messung des LCI hat sich als genauso zuverlässig erwiesen wie die MRT-Untersuchung. Der LCI ist ein Marker für die Gewebsdurchlässigkeit für Sauerstoff und Kohlendioxid. Colombo wies darauf hin, dass Ratjen und Kollegen den LCI erstmals als primären Endpunkt in einer interventionellen multizentrischen Studie eingesetzt hatten. Nach Aussage von Riethmüller kann er nur bei wenig beeinträchtigten Lungen als Marker dienen.
Zwischen Studienbeginn und Woche 24 kam es zu einer signifikanten Verbesserung des LCI2,5 (least square mean difference, Kleinstquadratemittelwert -1,01, p < 0,0001) in der Verumgruppe, in der Placebogruppe zeigte sich keine signifikante Änderung. Auch der Unterschied zwischen Verum- und Placebogruppe war signifikant (p < 0,0001). Verbesserungen im LCI2,5 waren nach 15 Tagen zu sehen und blieben über den weiteren Verlauf der Studie bestehen. In der Lumacaftor/Ivacaftor-Gruppe sank die Chloridausscheidung im Schweiß (-20,8 mmol/l, p < 0,0001) signifikant im Vergleich zur Placebogruppe und im Vergleich zum Ausgangswert.
Fast alle Patienten (96%) berichteten über meist leichte oder mäßig starke unerwünschte Wirkungen. Bei 3 Patienten der Verumgruppe und bei 2 Patienten der Placebogruppe musste die Behandlung abgebrochen werden.
REFERENZEN:
1. Ratjen F, et al. Lancet Respir Med. 2017;5:557-67
2. Colombo C: Lancet Respir Med. 2017;5:236-7
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Ein starkes Team gegen Mukoviszidose: Lumacaftor/Ivacaftor-Kombi bessert Lungenfunktion bei Kindern - Medscape - 7. Jul 2017.
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