In der medizinischen Literatur finden sich seit Jahren Hinweise, dass sich Geist-Körper-Interventionen (Mind-Body Interventions, MBIs) positiv auf unterschiedliche Krankheitsbilder auswirken. Ivana Buric, Forscherin an der britischen Coventry University, fand im Rahmen einer systematischen Übersichtsarbeit mehrere Indizien, dass Meditations- oder Entspannungstechniken die Expression des Transkriptionsfaktors NF-κB verändern [1]. Dies könnte antiinflammatorische Effekte erklären.
„Ich glaube, es ist wichtig, über reine Selbsteinschätzungen hinauszugehen, wie sie häufig in der psychologischen Forschung verwendet werden, um Interaktionen zwischen Biologie und Verhalten zu verstehen“, so Buric gegenüber Medscape. „Eine Hypothese ist, dass MBIs die Expression von Genen verändern, die an entzündlichen Reaktionen beteiligt sind und die durch Stress induziert werden.“ Zusammen mit Kollegen hat sie in PubMed nach Studien mit MBIs und Genexpressionsanalysen gesucht.
Unterschiedliche Studien zeigen Effekte auf den NF-κB-Weg
Hinsichtlich der Methodik wurden Achtsamkeit, Yoga, Tai Chi, Qigong, Entspannungsübungen und Atemregulationen ausgewählt. „Aufgrund der begrenzten Studienzahl haben wir sowohl klinische als auch nicht-klinische Arbeiten mit jeglicher Art von Forschungsdesign eingeschlossen“, berichtet Buric. Sie analysierte 18 relevante Veröffentlichungen. „Insgesamt zeigen die Studien, dass diese Praktiken mit einer Herunterregulation des NF-κB-Weges verbunden sind“, resümiert die Forscherin. Hinweise dafür fanden alle Studien.
Bislang war bekannt, dass der Transkriptionsfaktor an der Regulation der Immunantwort, der Zellproliferation und des Zelltodes beteiligt ist. Seine Aktivierung wird mit inflammatorischen Prozessen in Verbindung gebracht. Sozialer Stress führt in Zellen zur vermehrten Expression zahlreicher Gens. Das fand Dr. Steven W. Cole , einer der Pioniere der sozialen Genomik heraus. Er forscht an der UCLA School of Medicine, Los Angeles, USA, und prägte den Begriff „conserved transcriptional response to adversity“ (CTRA). Darunter versteht man das typische Profil aktiver Gene bei Stressreaktionen.
3 exemplarische Studien
Buric wollte wissen, inwieweit sich eine CTRA durch Entspannungstechniken umkehren lässt. Von den 18 analysierten Veröffentlichungen nennt die Forscherin einige RCT mit besonderer Relevanz, um ihre Hypothese zu belegen.
Dr. J. David Creswell von der Carnegie Mellon University, Pittsburgh, USA, hat 40 ältere Probanden zwischen 55 und 85 Jahren in eine randomisierte, kontrollierte Studie aufgenommen. Sie litten unter Einsamkeit, was mit einer erhöhten Expression von NF-κB-assoziierten Genen in Verbindung stand. Bei Teilnehmern, die an einem Kurs zur achtsamkeitsbasierten Stressreduktion (Mindfulness-Based Stress Reduction, MBSR) teilnahmen, wurde die Expression entsprechender Gene herunterreguliert.
Zu ähnlichen Resultaten kommt Dr. Michael R. Irwin vom ULCA Semel Institute for Neuroscience in Los Angeles, USA. Für seine randomisierte Studie rekrutierte er 90 Frauen, die eine Brustkrebs-Erkrankung überstanden hatten, aber jetzt an Schlaflosigkeit litten. 3 Monate Tai Chi verringerten nicht nur die Symptomatik, sondern hatte auch Einfluss auf die Genexpression. Im Schnitt wurden 19 proinflammatorische Gene um 9% herunterreguliert. Bei 34 Genen, die mit antiinflammatorischen Prozessen assoziiert sind, erhöhte sich die Expression durchschnittlich um 3,3%.
Mit Brustkrebs-Überlebenden befasste sich auch Dr. Julienne E. Bower vom UCLA Department of Psychology in Los Angeles, USA. An ihrer randomisierten, kontrollierten Studie nahmen 31 Frauen teil, die aus onkologischer Sicht gesund waren, jedoch an Fatigue litten. Sie wurden einer Interventionsgruppe mit Yoga oder einer Kontrollgruppe mit allgemeiner gesundheitlicher Informationsvermittlung zugeordnet. Nach 12 Wochen kam es bei Probandinnen, die regelmäßig Yoga praktizierten, zu signifikanten Änderungen bei der Genexpression. Bower zufolge verringerte sich die Aktivität der beiden proinflammatorischen Transkriptionsfaktoren NF-κB und CREB (cAMP response element-binding protein). Gleichzeitig wurden mehr antiinflammatorisch wirksame Glucocorticoid-Rezeptoren exprimiert.
Zu früh für Empfehlungen
Buric kommentiert, die Daten seien ein wichtiger Schritt, um zu verstehen, welche Vorgänge MBIs im Körper auslösten. Sie warnt jedoch vor Empfehlungen aufgrund der Datenlage. „Es gibt noch nicht genügend hochwertige Studien über alle MBIs und Genexpressionen. Wir sind weit davon entfernt, beispielsweise Yoga und Tai-Chi zu vergleichen, um Patienten eine persönliche Empfehlung zu geben.“
Daraus ergeben sich 2 Herausforderungen für die Forschung: „Der erste Schritt ist, mehr randomisierte kontrollierte Studien von MBIs mit ausreichend großen Stichproben durchzuführen, um genügend statistische Aussagekraft zu haben“, erklärt Buric. „Der zweite Schritt ist, MBIs mit anderen Lebensstil-Interventionen wie Sport oder mediterraner Ernährung im RCT-Studiendesign zu vergleichen.“
REFERENZEN:
1. Buric I, et al: Front. Immunol. (online) 16. Juni 2017
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Yoga, Tai Chi und Co – mehr als Entspannung: Studien liefern Hinweise auf Veränderungen der Genexpression - Medscape - 30. Jun 2017.
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