Neues Wirkprinzip bei Endometriose: GnRH-Antagonist in Phase-3-Studie getestet – für wen kommt er in Frage?

Dr. Angela Speth

Interessenkonflikte

26. Juni 2017

Ist eine neue Option für Patientinnen mit Endometriose in Sicht? Der GnRH-Antagonist Elagolix linderte in 2 Studien die Kernsymptome Dysmenorrhoe und nichtmenstruelle Unterleibsschmerzen, allerdings zeigten sich auch die unerwünschten Wirkungen eines Östrogenmangels auf Knochen und Fettstoffwechsel. Dies berichten Wissenschaftler im New England Journal of Medicine [1]. Mit einer individuell gewählten Dosierung besteht nach Ansicht der Autoren aber die Möglichkeit, Vor- und Nachteile der Medikation gegeneinander auszubalancieren.

„Elagolix käme als Ergänzung zu GnRH-Agonisten infrage“, meint Dr. Johanna Lange, Oberärztin am Endometriosezentrum des Agaplesion Markus Krankenhauses Frankfurt, im Gespräch mit Medscape. „Diese Agonisten werden bei uns als Ultima Ratio eingesetzt, denn sie schicken ja die oft noch jungen Frauen in die Wechseljahre, mit allen damit verbundenen Problemen wie verringerte Knochendichte, Hitzewallungen, Depressionen, trockener Scheide.“ Daher werde als Add-back-Therapie zusätzlich Östrogen verordnet.

Östrogen fördert die Proliferation der Endometrium-Zellen

Bei der Endometriose handelt es sich um eine inflammatorische Absiedlung von Gebärmutterschleimhaut außerhalb des Uterus. 6 bis 10% der Frauen im reproduktiven Alter erkranken daran. Symptome sind außer Dysmenorrhoe Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, beim Wasserlassen und bei der Ovulation. Elagolix ist ein oraler Nicht-Peptid-Antagonist des Gonadotropin-Releasing-Hormons (GnRH). Er unterdrückt die Produktion von Östrogen, das die Proliferation der Endometriosezellen fördert und deren Apoptose hemmt sowie lokale und systemische Entzündungen verstärkt.

Allerdings wirkt Elagolix nicht so stark wie GnRH-Agonisten, aber der Schwellentheorie zufolge ist eine totale Suppression bei Endometriose nicht notwendig, vielmehr gilt es, ein Niveau zu halten, auf dem die Schmerzen reduziert sind, ohne dass die Symptome eines Östrogenmangels allzu stark auftreten.

Für die beiden Phase-3-Studien Elaris Endometriosis (EM-I und EM-II) hat die Arbeitsgruppe um Dr. Hugh S. Taylor von der Yale School of Medicine in New Haven, USA, jeweils rund 650 Frauen im Alter von 18 bis 49 Jahren und mit mäßigen bis schweren Endometrioseschmerzen, in 3 Gruppen eingeteilt. Ein halbes Jahr lang nahmen sie entweder 150 mg Elagolix einmal täglich, 200 mg 2-mal täglich oder Placebo. Zu Beginn wurden die Teilnehmerinnen gebeten, 2 Formen nichthormoneller Kontrazeption einzuhalten, und nach 3 Monaten sollten sie die Schmerzen auf einer Skala von 0 bis 3 (stark) sowie ihren Analgetika-Konsum angeben.

Dysmenorrhoe klinisch relevant gelindert

Die Auswertung ergab einen klinisch relevanten Rückgang der Dysmenorrhoe, und zwar bei beiden Studien in ähnlichem Ausmaß, wobei der Verbrauch an Akut-Analgetika (NSAID und Opioiden) gleich geblieben oder geringer geworden war: in EM-I etwa bei knapp der Hälfte der Frauen (46,4%) mit der kleinen Dosis, bei rund 3 Viertel der Frauen (75,8%) mit der großen Dosis und bei einem Fünftel der Frauen (19,6%) mit Placebo.

 
Elagolix käme als Ergänzung zu GnRH-Agonisten infrage. Dr. Johanna Lange
 

Eine klinisch relevante Milderung der nicht-menstruellen Unterleibsschmerzen bei stabilem oder verringertem Analgetikaverbrauch empfand jeweils rund die Hälfte der Frauen – 50% mit der niedrigeren, 55% mit der höheren Elagolix-Dosis – im Vergleich zu gut einem Drittel (37%) mit Placebo. Nach 6 Monaten ließ sich das Ansprechen ebenfalls nachweisen, wie auch Endometriumbiopsien mit dem niedrig dosierten Wirkstoff häufiger normal ruhendes oder nur geringfügig stimuliertes Gewebe belegten als mit Placebo, in der höheren Dosierung sogar eine Atrophie.

Erhöhte Blutfette, geringere Knochendichte

Die Kehrseite: Mehr als 2 Drittel der Teilnehmerinnen in jeder Gruppe berichteten über unerwünschte Wirkungen: 81% mit Elagolix 1x150 mg täglich, 83% mit Elagolix 2x200 mg täglich, 74% mit Placebo. Dabei kamen Hitzewallungen – fast durchweg mild bis moderat – mit dem Verum signifikant häufiger vor als mit dem Scheinmedikament. Verbreitet waren außerdem Kopfschmerzen und Übelkeit.

Auch ließ sich mit dem GnRH-Antagonisten ein meist signifikant stärkerer Anstieg der Werte von Gesamtcholesterin, LDL, HDL und Triglyceriden beobachten. Da solche Veränderungen beim HDL als günstig, beim LDL als ungünstig gelten, ist unklar, inwieweit sie langfristig das kardiovaskuläre Risiko beeinflussen.

Weiterhin hatte sich nach 6 Monaten die Knochendichte an der Lendenwirbelsäule, am Oberschenkelhals und der Hüfte insgesamt signifikant stärker vermindert als mit Placebo. So war sie in EM-I bei einem Fünftel der Frauen an der Lendenwirbelsäule um mehr als 5% zurückgegangen.

Elagolix als weitere Behandlungsoption

Lange vertritt die Auffassung, dass die Verringerung der Knochendichte und die Auswirkungen auf den Lipidstoffwechsel nicht zu vernachlässigen sind. „Ein Vorteil wieder um könnte die orale Einnahme sein, etwa im Vergleich zu den GnRH-Analoga, die ja über eine Depotspritze einmal im Monat appliziert werden“, so die Gynäkologin. Falls es zu einer Zulassung komme, sei im Gespräch mit den Patientinnen abzuklären, welche Methode sie bevorzugten. Zur Behandlung bei Endometriose würden bisher progestinhaltige Kontrazeptiva wie Dienogest oder chirurgische Methoden in Kombination mit einer Rezidivprophylaxe dienen, so Lange weiter.

 
Ein Vorteil wiederum könnte die orale Einnahme sein, etwa im Vergleich zu den GnRH-Analoga … Dr. Johanna Lange
 

Die Studienautoren weisen darauf hin, dass bei Endometriose eine langfristige Behandlung oder wiederholte Zyklen notwendig sein könnten. Elagolix eröffne die Möglichkeit, die Dosierung individuell anzupassen, um Wirkung und Nebenwirkung auszutarieren. Weiterhin vermuten sie, dass der Verlust an Knochenmasse zumindest geringer ist als unter GnRH-Agonisten. Auch könnte er nach Beendigung der Elagolix-Behandlung reversibel sein, was nun in einer Nachfolgestudie untersucht werde.



REFERENZEN:

1. Taylor HS, et al: NEJM (online) 19. Mai 2017

Kommentar

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