Hochdosis-Vitamin-D bei Darmkrebs mit Metastasen: Verlängert in Phase-2-Studie die progressionsfreie Zeit

Nick Mulcahy

Interessenkonflikte

26. Juni 2017

Chicago – Schon vor einigen Jahren gab es Berichte, dass sich ein hoher Vitamin-D-Spiegel günstig auf das Überleben von Patienten mit Kolonkarzinom auswirkt. Jetzt hat eine auf der Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft für Klinische Onkologie (ASCO) präsentierte randomisierte Studie erstmals gezeigt, dass sich das Fortschreiten der Erkrankung durch eine hoch dosierte Supplementierung mit Vitamin D tatsächlich verlangsamt [1].

Die Ergebnisse stammen aus der klinischen Phase-2-Studie SUNSHINE. In ihr steigerte die hoch dosierte Vitamin-D-Gabe das progressionsfreie Überleben signifikant um 2 Monate – dies im Vergleich zu Gabe von niedrig dosiertem Vitamin D.

Aufgenommen hatte man Patienten mit metastasiertem Kolonkarzinom, die bislang nicht behandelt worden waren. Als Standard-Therapie erhielten die Studienteilnehmer eine Chemotherapie entsprechend des mFOLFOX6-Schemas, also Folinsäure (Leucovorin), Fluorouracil und Oxaliplatin plus Bevacizumab.

Begeisterte Kommentare

„Das ist die allererste abgeschlossene randomisierte Studie zum Einsatz von Vitamin D als Teil einer kolorektalen Krebstherapie“, sagte Erstautorin Dr. Kimmie Ng vom Dana-Farber-Krebs-Institut in Boston, USA, die die neuen Daten vorstellte. „Unseren Patienten ging es offenbar unter der Hoch-Dosis-Therapie besser. Ich bin von dem Ergebnis wirklich begeistert“, äußerte sie gegenüber Medscape Medical News und forderte eine Phase-3-Studie.

Ähnlich enthusiastisch kommentierte Dr. Song Yao, ein Experte für Molekulare Epidemiologie am Roswell Park Krebs-Institut in Buffalo, New York, USA, die Studie. „Die Befunde sind unglaublich elektrisierend.“ Er wies darauf hin, dass dasselbe Team 2015 auf dem ASCO-Symposium über gastrointestinale Krebserkrankungen den Vitamin-D-Effekt bereits in einer Beobachtungsstudie aufgezeigt hatte. Danach überlebten Patienten mit höherem Vitamin-D-Spiegel länger als solche mit niedrigerem Spiegel. „Die aktuelle Studie erfüllt nun die Erfordernisse eines evidenzbasierten, randomisierten Designs“, stellte er fest.

Das ist die allererste abgeschlossene randomisierte Studie zum Einsatz von Vitamin D als Teil einer kolorektalen Krebstherapie. Dr. Kimmie Ng

Dr. Allyson Ocean, eine Onkologin mit Schwerpunkt Gastroenterologie am Weill Cornell Medicine and New York-Presbyterian Hospital in New York, USA nimmt den Vitamin-D-Spiegel bei ihren Patienten bereits ins Visier. „Ich bestimme den Vitamin-D-Spiegel und erhöhe ihn bei meinen Patienten, wenn nötig. Aber wir benötigen mehr Daten um zu wissen, ob wir auf dem richtigen Weg sind“, sagte sie. Gegenüber Medscape erklärte auch sie, dass die Ergebnisse „ganz erstaunlich“ seien und die Zeit für eine Phase-3-Studie reif wäre.

Chemotherapie plus Vitamin D

In der aktuellen Studie erhielten die Patienten der Hoch-Dosis-Gruppe 2 Wochen lang täglich 8.000 Einheiten Vitamin D3 oral und anschließend eine Erhaltungsdosis von 4.000 Einheiten pro Tag. Denjenigen der Niedrig-Dosis-Gruppe wurde die Standard-Dosis von 400 Einheiten pro Tag verordnet.

Die mittlere Nachbeobachtungsdauer betrug bei der Hoch-Dosis-Gruppe 16,9 Monate und bei der Niedrig-Dosis-Gruppe 17,9 Monate.

Jede Gruppe erhielt eine ähnliche Anzahl von Chemotherapie-Zyklen, und beide Gruppen erwiesen sich in hohem Maße als therapietreu, was die Einnahme der verordneten Vitamin D-Dosis betraf. Die Lage des Primär-Tumors (rechts, links und transversal) war bei beiden Gruppen ähnlich.

Ich bin von dem Ergebnis wirklich begeistert. Dr. Kimmie Ng

Obwohl weniger fit, profitierte die Hochdosis-Gruppe stärker

Wie Ng berichtete, betrug bei der Hochdosis-Gruppe (n = 69) das mittlere progressionsfreie Überleben, das den primären Endpunkt repräsentierte, 13,1 Monate im Gegensatz zu 11,2 Monaten bei der Niedrig-Dosis-Gruppe (n = 70). Damit sank das relative Risiko für ein Fortschreiten der Erkrankung um 31% (unbereinigte Hazard Ratio: 0,69; p = 0,04). Die Krankheitskontroll-Ratebetrug bei der Hoch-Dosis-Gruppe 96% im Vergleich zu 84% bei der Niedrig-Dosis-Gruppe (p = 0,05).

Die hohe Dosis erhöhte nicht die Toxizität. Auch traten signifikant weniger schwere Durchfälle (Grad 3 und 4) in der Hoch-Dosis-Gruppe auf als bei den Patienten mit niedrig dosiertem Vitamin D (12% vs. 1%; p = 0,02).

Die Ergebnisse sind noch beeindruckender, wenn man berücksichtigt, dass die Niedrig-Dosis-Gruppe gegenüber der Hochdosis-Gruppe in einem Punkt anfangs im Vorteil gewesen war: 60% ihrer Patienten befanden sich in bestmöglichem gesundheitlichem Zustand. Bei der Hoch-Dosis-Gruppe traf dies nur auf 42% zu. Anders ausgedrückt, der Hoch-Dosis-Gruppe ging es unter der Vitamin-D-Supplementierung besser, obwohl sie körperlich weniger fit als die Vergleichsgruppe gewesen war.

Erstaunlicherweise, so Ng, konnten sich auch mehr Patienten aus dem Hoch-Dosis-Arm nach der Chemotherapie operieren lassen (11 vs 6). Der Unterschied war jedoch nicht statistisch signifikant (p = 0,19). „Mediziner und Patienten zeigen sich stark interessiert an den Ergebnissen“, ließ Ng wissen.

Kritische Fragen erfordern weitere Klärung

Für die Ergebnisse könnte die geographische Herkunft der Patienten eine Rolle gespielt haben. Das vermutete Dr. Andrea Cercek vom Memorial Sloan Kettering Krebs-Zentrum in New York City, die an der Diskussion zur Studie teilnahm. Von den 139 Patienten, die letztlich in die Studie aufgenommen worden waren, stammten die meisten aus Neu-England; eine Minderheit kam aus Nashvill, Tennessee, von der Vanderbilt University. „In Neu-England gibt es etwas weniger Sonnenschein als in anderen Teilen Amerikas“, lautete Cerceks Einwand.

Ich stimme zu 100 Prozent mit den Untersuchern überein, dass eine Phase-3-Studie berechtigt ist. Dr. Andrea Cercek

Das warf die Frage nach dem Vitamin-D-Spiegel der Studienteilnehmer zu Beginn der Studie auf. „Es ist nicht bekannt, ob die Patienten nach US-Standards einen Vitamin-D-Mangel aufwiesen“, erläuterte Cercek.

Cercek wies auch darauf hin, dass andere Studien zur Vitamin-D-Supplementierung bei Krebs-Patienten keine einheitlichen Ergebnisse liefern. Bei einer Studie war keine Reduktion für das Adenom-Risiko zu erkennen, eine andere erbrachte einen negativen Befund – Patienten mit Prostata-Karzinom überlebten weniger lang, wenn sie Vitamin D erhalten hatten.

Trotz aller Vorbehalte sprach sie sich für mehr Forschung aus: „Ich stimme zu 100 Prozent mit den Untersuchern überein, dass eine Phase-3-Studie berechtigt ist.“


Dieser Artikel wurde von Dr. Ingrid Horn aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.



REFERENZEN:

1. ASCO Annual Meeting 2017, 2. bis 6. Juni 2017, Chicago/USA

Kommentar

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