Erhöhen niedrige Vitamin-D-Spiegel das Risiko für eine Myalgie bei Patienten, die Statine nehmen? Eine Antwort darauf gibt der US-Pharmakologe Prof. Dr. Philip J. Gregory, Center for Drug Information and Evidence-Based Practice, Creighton University, Omaha, Nebraska.

Prof. Dr. Philip J. Gregory
Etwa 1 bis 2% der Patienten, die wegen zu hoher Blutfette Statine nehmen, klagen über muskuläre Schmerzen. Diese werden immer wieder mit den Beschwerden verglichen, wenn eine Grippe im Anflug ist. Die Muskeln können schmerzen, steif und/oder berührungsempfindlich sein. In manchen Fällen führt die Statin-bedingte Myalgie auch zu einer schlechten Adhärenz oder sogar zum kompletten Abbruch der Medikamenteneinnahme.
Der Mechanismus der Statin-bedingten Myalgie ist noch nicht vollständig verstanden. Aber Vitamin D könnte involviert sein. Denn auch ein Vitamin-D-Mangel geht mit Muskelschmerzen einher, die denen der Statin-bedingten Myalgie ähneln. Es wird außerdem angenommen, dass Statine selbst den Vitamin-D-Spiegel beeinflussen können.
Der Grund: LDL-Cholesterin ist ein Vitamin-D-Carrier, dessen Spiegel durch Statine verringert wird. So könnten Statine indirekt auch den Vitamin-D-Spiegel im Blut senken. Andererseits werden aber sowohl Vitamin D als auch einige Statine durch Cytochrom P450 3A4 (CYP3A4) metabolisiert. Aufgrund einer kompetitiven Hemmung von CYP3A4 (beide Substrate konkurrieren um das abbauende CYP3A4) könnten Statine aber möglicherweise den Vitamin-D-Spiegel auch erhöhen.
Klinische Studien und Beobachtungsstudien führten zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen, wie sich Statine auf den Vitamin-D-Spiegel auswirken. Eine Metaanalyse klinischer Studien ergab aber, dass insgesamt die Vitamin-D-Werte bei Patienten, die Statine einnehmen, eher erhöht sind.
Studien weisen auf Assoziation von Myalgie und niedrigem Vitamin D hin
In einigen retrospektiven Studien fand sich eine Assoziation von niedrigen Vitamin-D-Spiegeln (gemessen als 25-Hydroxy-Vitamin D) mit einem höheren Risiko für Statin-bedingte Myalgien. In einer Studie von Shantha und Kollegen hatten die Patienten in der Quartile mit den niedrigsten Vitamin D-Spiegeln ein 1,21 mal höheres Risiko für eine Statin-bedingte Myalgie im Vergleich zur Quartile mit den höchsten Vitamin D-Spiegeln. Werte unterhalb von 15 ng/ml erwiesen sich dabei als ein positiver Prädiktor für eine Myalgie bei Patienten, die Statine nahmen.
Auch in einer Querschnittsstudie klagten Patienten mit Vitamin-D-Spiegeln unter 15 ng/ml, die mit Statinen behandelt wurden, 1,9 mal häufiger über Myalgien als jene, die keine Statine nahmen. Für Patienten mit höheren Vitamin-D-Spiegeln wurde ein solcher Zusammenhang aber nicht beobachtet. Eine retrospektive Datenanalyse in einer Population von Kriegs-Veteranen, die Statine nahmen, ergab, dass die Vitamin D-Level bei denen, die unter Statin-bedingten Myalgien litten, im Schnitt um etwa 10 ng/dl niedriger waren als bei denen, die keine Muskelschmerzen hatten.
Auch eine Metaanalyse von 7 Beobachtungsstudien ergab, dass die Vitamin-D-Spiegel bei Statin-behandelten Patienten mit Symptomen einer Myalgie signifikant niedriger waren als bei denjenigen ohne diese Symptome. Die Differenz in den Vitamin-D-Serumspiegeln betrug durchschnittlich 9,4 ng/ml.
Myalgie-Symptome könnten häufig auch unspezifisch sein
Nicht in allen Studien zeigte sich diese Assoziation zwischen niedrigen Vitamin-D-Spiegeln und Myalgie, dies vor allem oft dann nicht, wenn gesichert war, dass die Symptome Statin-bedingt waren. Dies ist vielleicht der Tatsache geschuldet, dass Muskelschmerzen auch vollkommen unspezifisch auftreten können. Es gibt Hinweise darauf, dass bis zu 50% der von Patienten unter Statintherapie berichteten Muskelschmerzen gar nicht spezifisch auf die Cholesterinsenker zurückzuführen sind.
Niedrige Vitamin-D-Spiegel können wie gesagt durchaus zu einer allgemeinen Symptomatik von Muskelschmerzen beitragen – und das gilt natürlich auch für Patienten mit Statin-bedingter oder unspezifischer Myalgie.
Die zeitweise Gabe von Vitamin D zeigte Wirkung gegen Myalgien unter Statinen
Vor dem Start einer Statin-Therapie, oder vor einem erneuten Versuch mit einem Statin bei Patienten, die bereits über Muskelschmerzen unter der Lipidsenkung geklagt hatten, kann es daher ratsam sein, zunächst die Vitamin-D-Spiegel zu messen und gegebenenfalls zu behandeln. In einer retrospektiven Datenüberblick erwies sich diese Strategie als erfolgreich: Bei Patienten mit Statin-Intoleranz konnte die Erhöhung des Vitamin-D-Spiegels vor dem Wiedereinstieg in eine Statin-Behandlung deren Verträglichkeit und damit auch die Adhärenz der Patienten erhöhen.
Einige Autoren haben in nicht-kontrollierten Studien bei Patienten, die Statine nahmen und über Muskelsymptome klagten, Vitamin D2 (Ergocalciferol) supplementiert (50.000–100.000 Einheiten pro Woche). Sie berichteten von einem Nachlassen der Myalgie bei etwa 90% der Patienten. In diesen Studien waren bereits Werte von 32 ng/ml Vitamin D als niedrig eingestuft worden.
Dieser Artikel wurde von Dr. Jürgen Sartorius aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Diesen Artikel so zitieren: Erhöht ein niedriger Vitamin-D-Spiegel das Myalgie-Risiko bei Patienten, die Statine nehmen? - Medscape - 23. Jun 2017.
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