Das Steuer lässt sich noch rumreißen: Wer als Junge Übergewicht abbaut, hat als Mann kein erhöhtes Diabetes-Risiko mehr

Dr. Jürgen Sartorius

Interessenkonflikte

20. Juni 2017

San Diego – Eine bevölkerungsbasierte  Längsschnittsstudie aus Dänemark hat gezeigt, dass Jungen, die als Kinder  übergewichtig, aber im Alter von 18 Jahren normalgewichtig waren, kein erhöhtes  Risiko für Typ-2-Diabetes haben. Verglichen wurden sie mit Jungs, die mit 18 Jahren noch immer übergewichtig waren.

„Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass negative  Folgen von Übergewicht im Kindesalter reversibel sind und unterstreichen die  potenziell positiven Effekte der Behandlung übergewichtiger Kinder“, so Dr. Lise  Geisler Bjerregaard, Bispebjerg and Frederiksberg Hospital, Kopenhagen, die die Studie im  Rahmen der American Diabetes  Association (ADA) 2017 Scientific Sessions vorstellte [1].

„Es ist sehr ermutigend,  dass man sein Risiko für Typ-2-Diabetes definitiv verringern kann, wenn man  erfolgreich abnimmt“, sagte Bjerregard im Gespräch mit Medscape. Dr. Ram Weiss,  Hebrew University of Jerusalem, Israel, der Co-Chairman der Session, bestätigte:  „Es ist wirklich eine Studie, die optimistisch stimmt, auch wenn es sehr schwer  ist (abzunehmen).“

Diese Studie ist umso  wichtiger, da frühere Daten ergaben, dass adipöse Kinder später ein bis zu  vierfach erhöhtes Risiko für einen Typ-2-Diabetes haben. Sie zeigt, dass ein  erfolgreiches Eingreifen bei übergewichtigen Kindern, noch bevor diese adipös  geworden sind, das Diabetesrisiko normalisieren kann. 

„Es lohnt sich also,  Übergewicht und Adipositas mit allen Mitteln vorzubeugen“, betonte Weiss. „Aber  auch für adipöse Kinder sollten wir alles versuchen, sie beim Abnehmen zu  unterstützen, während sie älter werden.“ Dies gelte vermutlich ebenso für  Mädchen und Frauen, ergänzte Bjerregard.

Daten von mehr als 62.000 Männern analysiert

In einer früheren Studie  zeigten die Wissenschaftler, dass das Risiko für einen Typ-2-Diabetes in  Abhängigkeit vom BMI-Wert der Jungs anstieg. Aber bisher war nicht klar, ob  eine Gewichtsreduktion das Risiko wieder senken kann. Um dies zu untersuchen,  analysierten Bjerregaard und Kollegen Daten des Copenhagen School Health Record  Registers von 62.565 Männern, die zwischen 1939 und 1959 in Dänemark geboren  wurden, zu Gewicht und Größe im Alter von 7 Jahren. Zum Vergleich zogen sie  Daten dieser Männer heran, die im Alter von um die 18 (17 bis 26) Jahren im  Rahmen der obligatorischen Untersuchung zur nationalen Wehrpflicht erhoben  wurden (Dansih Conscription Database). Deshalb hätten in diesem Rahmen keine  Daten von Frauen zur Verfügung gestanden, erklärte Bjerregaard.

 
Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass negative Folgen von Übergewicht im Kindesalter reversibel sind und unterstreichen die potenziell positiven Effekte der Behandlung übergewichtiger Kinder. Dr. Lise Geisler Bjerregaard
 

Die Autoren definierten  Übergewicht im Alter von 7 Jahren nach den Leitlinien für Übergewicht im  Kindesalter des US Center for Disease Control and Prevention (CDC) bei einem BMI  von mindestens 17,38 kg/m2  und im Alter von etwa 18 Jahren nach den WHO-Kriterien bei einem BMI von  mindestens 25 kg/m2. Die Prävalenz des Übergewichtes lag bei den 7-Jährigen  bei 5,4% und den etwa 18-Jährigen bei 8,2%, es handelte sich also um eine  „relativ schlanke Population“, wie Bjerregaard erklärte.

Als junger Mann wieder schlank – Risiko auf Normalniveau

Dann fanden die Autoren  in einem Follow-up von durchschnittlich 31,5 Jahren in Daten des dänischen  Nationalen Patientenregisters, dass bei 6.710 dieser Männer (10,7%) im Alter  von 30 Jahren oder älter ein Typ-2-Diabetes diagnostiziert worden war. Durch  den Ausschluss jüngerer Männer sollte vermieden werden, dass mögliche Fälle von  Typ-1-Diabetes das Ergebnis verfälschen.

Von den Männern, die als  Kinder übergewichtig waren, waren 60% als junge Erwachsene nicht mehr  übergewichtig. Diese Gruppe zeigte ein ähnlich geringes Risiko, einen  Typ-2-Diabetes zu entwickeln, wie Männer, die nie übergewichtig gewesen waren  (Hazard Ratio: 1,01). Männer dagegen, die von Kindesalter an durchgängig  übergewichtig waren oder es als junge Erwachsene wurden, wiesen ein im  Vergleich dazu ein 3-fach erhöhtes Risiko für einen Typ-2-Diabetes auf (HR: 2,88 bzw. 2,95).

 „Wir schließen daraus,  dass übergewichtige Jungen, die bis zum Alter von 18 auf ihr Normalgewicht  kommen, als Erwachsene kein erhöhtes Risiko für einen Typ-2-Diabetes tragen“,  lautete das Fazit von Bjerregaard. „Diese ermutigenden Ergebnisse weisen darauf  hin, dass die negativen Effekte von Übergewicht im Kindesalter auf das  Typ-2-Diabetes-Risiko reversibel sein können und unterstreichen die Notwendigkeit,  übergewichtige Kinder auf ihr Normalgewicht zu bringen.“

Als nächste Ziele der  Forschergruppe formulierte Bjerregaard, herauszufinden, ob diese Zusammenhänge  auch bei Frauen sowie für andere nichtübertragbare Krankheiten wie Krebs oder  kardiovaskuläre Erkrankungen gelten, die mit Übergewicht assoziiert werden.


Dieser Artikel wurde von Dr. Jürgen  Sartorius aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.



REFERENZEN:

1. Scientific  Sessions der American Diabetes Association (ADA), 9. bis 13. Juni 2017, San Diego/USA

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