EGFR-mutierter Lungenkrebs: Neuer Tyrosinkinase-Inhibitor verzögert Progression um 5 Monate – mit mehr Nebenwirkungen

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

19. Juni 2017

Chicago – In der Erstlinienbehandlung überleben  Patienten mit fortgeschrittenem EGFR-mutiertem nichtkleinzelligen  Lungenkarzinom (NSCLC) mit Dacomitinib, einem neuen Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI)  der 2. Generation, länger progressionsfrei als mit Gefitinib, einem derzeitigen  Standardtherapeutikum in der gezielten Behandlung dieser Erkrankung. Sie  sprechen auch länger auf die Therapie an. Im Median dauerte es unter Dacomitinib  14,7 Monate bis die Erkrankung fortschritt, unter Gefitinib waren es 9,2 Monate. Damit ist das relative Risiko für Progression oder Tod unter dem neuen  TKI um 41% geringer (Hazard-Ratio 0,59, p < 0,0001).

           

Prof. Dr. Tony Mok

           

Diese  Ergebnisse der ersten randomisierte Phase-3-Studie ARCHER 1050 hat Prof. Dr. Tony Mok, Leiter der  Abteilung für Klinische Onkologie, Chinese University, Hongkong, bei der Jahrestagung 2017 der ASCO (American Society of  Clinical Oncology) vorgestellt [1].

Eine neue Option in der Erstlinie – allerdings toxischer

„Dacomitinib sollte als neue  Therapieoption für die Erstlinienbehandlung von Patienten mit fortgeschrittenem  EGFR-mutierten NSCLC in Betracht gezogen werden“, sagte Mok. Allerdings:  Der neue Tyrosinkinase-Inhibitor erwies sich auch als toxischer als Gefitinib –  darüber sollten die Patienten vor einer Therapieentscheidung aufgeklärt werden,  so der Expertenrat.

Auch ASCO-Experte Prof. Dr. John V. Heymach, Universität  von Texas MD Anderson Cancer Center, Houston, thematisierte in der  ASCO-Pressekonferenz nicht nur die Erfolge, sondern auch die vermehrte  Toxizität der neuen Substanz: „Wir sehen in dieser Studie ein um mehr als 5 Monate längeres progressionsfreies Überleben. Dies ist aus der Sicht eines  Arztes, der Patienten mit Lungenkrebs behandelt, ein substanzieller  Fortschritt.“

Und auf der anderen  Seite: „Etwa 10 Prozent der Patienten litten unter Nebenwirkungen vom Grad 3  wie Hautreaktionen oder Durchfall. Und bei einer relativ hohen Zahl von  Patienten musste die Dosis reduziert werden. Aber ich möchte betonen, dass es sich nicht um  lebensbedrohliche Reaktionen handelte“, so Heymach weiter. „Bei  Behandlung mit dieser Substanz ist ein enges Monitoring und eine sorgfältige  Überwachung durch erfahrene Behandler notwendig.“

Dr. Sanjay Popat, Royal Marsden Hospital, London, erläuterte als  Diskutant, dass es nun 7 Studien mit Tyrosinkinase-Inhibitoren in der  Erstlinientherapie gebe, wobei er große Unterschiede zwischen den 4 bislang  eingesetzten Substanzen Gefitinib, Erlotinib, Afatinib und Dacomitinib sieht. Gefitinib  und Erlotinib hemmen Tyrosinkinasen reversibel, während Afatinib und  Dacomitinib irreversibel binden.

Die ARCHER-Studie habe  gezeigt, dass Dacomitinib ein „neuer zusätzlicher Therapiestandard“ in der  Erstlinientherapie des EGFR-mutierten NSCLC sei. Aufgrund der LUX-Lung-7-Daten könne man es auch als Alternative zu Afatinib ansehen. Die relativ hohe  Nebenwirkungsrate erfordere jedoch eine individuelle Patientenselektion.

 
Dacomitinib sollte als neue Therapieoption für die Erstlinienbehandlung von Patienten mit fortgeschrittenem EGFR-mutierten NSCLC in Betracht gezogen werden. Prof. Dr. Tony Mok
 

ARCHER-1050-Studie – erste Head-to-Head-Studie mit  Dacomitinib

Der neue TKI der 2. Generation Dacomitinib wirkt über eine irreversible Hemmung von EGFR/HER1, HER2  und HER. In einer einarmigen Phase-2-Studie (ARCHER 1017) lag die Ansprechrate mit  Dacomitinib in der  Erstlinientherapie bei  75,6% und die mediane Zeit bis zur Progression (PFS) bei 18,2 Monaten.

Dies war die Basis auf  der Mok und Kollegen nun Dacomitinib und Gefitinib als Erstlinientherapie in  der offenen, randomisierten ARCHER-1050-Studie untersucht haben. Die  Phase-3-Studie schloss in 71 Zentren in 7 Ländern 452 therapienaive Patienten ein,  diese hatten ein fortgeschrittenes EGFR-mutiertes NSCLC. Mok erklärte dies damit, dass  man zum Zeitpunkt der Studienplanung noch keine Kenntnisse zur ZNS-Gängigkeit  von Dacomitinib gehabt habe. Die Patienten wurden nach Herkunft (Asiaten vs.  Nicht-Asiaten) und nach EGFR-Mutationstyp (Exon 19 vs Exon 21)  stratifiziert.

Randomisiert erhielten  227 Patienten Dacomitinib (45 mg/Tag), 225 Patienten Gefitinib (250 mg/Tag).  Primärer Endpunkt war das verblindet und unabhängig beurteilte progressionsfreie  Überleben (PFS). Die demographischen Parameter der beiden Gruppen waren ähnlich.  Das mediane Alter lag bei 62 Jahren, rund 75% waren Asiaten, 64% Nichtraucher,  28% Ex-Raucher. 59% wiesen eine Exon-19-Deletion und 41% eine Exon-21-Mutation  auf.

Bei Asiaten besonders gut wirksam?

Dacomitinib  verlängerte den primären Endpunkt, das mediane PFS von 9,2 auf 14,7 Monate  (Hazard-Ratio 0,59, p < 0,0001). Die Kurven des PFS begann sich nach etwa 5  Monaten zu teilen, nach 24 Monaten lebten in der Dacomitinib-Gruppe 30,6% der  Patienten und in der Vergleichsgruppe 9,6% ohne weitere Progression der  Erkrankung. Die Wirksamkeit zeigte sich in nahezu allen Subgruppen, jedoch  profitierten Nicht-Asiaten von   Dacomitinib mit einer HR von 0,89 weniger gut. Mok meint, dass die  relativ geringe Zahl an Patienten in dieser Gruppe (n = 106) für das Ergebnis  eine Rolle gespielt haben könnte.

 
Ich möchte betonen, dass es sich nicht um lebensbedrohliche Reaktionen handelte. Prof. Dr. John V. Heymach
 

Auf Dacomitinib  sprachen 74,9% der Patienten an, auf Gefitinib 71,6%. Signifikant  unterschiedlich war die Dauer des Ansprechens mit 14,8 Monaten unter Dacomitinib  und 8,3 Monaten unter Gefitinib (p < 0,0001). Die Daten zum Gesamtüberleben  sind noch nicht reif, zum Zeitpunkt der Datenanalyse waren erst 36,9% der  Patienten gestorben.

„Die höhere Potenz  ging mit einer höheren Toxizität einher“, fasste Mok das Ergebnis zusammen. Als  häufigere Nebenwirkungen von Dacomitinib im Schweregrad 3 nannte er Durchfall  (8,4 vs 0,9%), Paronychie (7,5 vs 1,3%), akneiforme Dermatitis (13,7% vs 0%)  und Stomatitis (3,5 vs 0,4%).  Unter  Gefitinib kam es häufiger zu einem Anstieg der Leber-Transaminasen (8,5 vs 0,9%). Wegen unerwünschter Wirkungen musste die Therapie bei 9,7% der  Dacomitinib- und bei 6,7% der Gefitinib-Patienten abgebrochen werden. In der Dacomitinibgruppe  musste die Dosierung bei 66,1% der Patienten modifiziert werden, während dies  unter Gefitinib nur bei 8% der Patienten erforderlich war.



REFERENZEN:

1. ASCO Annual  Meeting 2017, 2. bis 6. Juni 2017, Chicago/USA

Kommentar

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