Lissabon – Die Nahrungsergänzung mit Vitamin D lässt bei Männern mittleren Alters mit normalen Testosteronspiegeln die Östradiolspiegel steigen und die des Sexualhormon-bindenden Globulins (SHBG) signifikant sinken. Das geht aus einer randomisierten kontrollierten Studie hervor, die beim European Congress of Endocrinology (ECE) 2017 vorgestellt worden ist [1].
Ein anderer Arm der placebokontrollierten Doppelblind-Studie hat Männer mit niedrigem Testosteronspiegel untersucht. Die Ergebnisse werden später in diesem Jahr erwartet.
Dr. Elisabeth Lerchbaum von der Medizinischen Universität Graz, Österreich, merkte zu ihrer Präsentation der ersten Ergebnisse einer Studie dieser Art an, dass der Blick auf den Vitamin-D-Stoffwechsel ganz neue Behandlungswege eröffnen könnte. „Die Vitamin-D-Supplementation könnte eine sichere und kostengünstige Behandlungsoption beim polyzystischen Ovarialsyndrom (PCOS) oder bei Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch sein.“
Vielfältige Effekte von Vitamin D auf die Fruchtbarkeit
Bei Männern mit normalem Testosteronspiegel zeigte sich in der Gruppe, die Vitamin D erhalten hatte, ein SHBG-Rückgang von 43,2 nmol/l auf 40,9 nmol/l (p < 0,05) gegenüber einem Absinken von 44,0 nmol/l auf 41,9 nmol/l in der Placebogruppe, wobei der letzte Wert nicht signifikant war.
In Anbetracht der Zunahme des Östradiolspiegels und des Rückgangs beim SHBG sei es wichtig, diese Veränderungen bei gesunden Männern genauer zu erforschen. „Wir konnten dies zum ersten Mal mit derartigen Ergebnissen beobachten und würden einen tiefergehenden Effekt bei Männern mit Hypogonadismus erwarten.“
Zur Idee hinter dieser Untersuchung erklärte Lerchbaum, dass nach früheren Studien Vitamin-D-Rezeptoren und Vitamin-D-metabolisierende Enzyme in reproduktivem Gewebe exprimiert werden, und dass Vitamin D an der Produktion und Reifung von Sperma-Stammzellen, der Reifung der Eizellen und der Uterusauskleidung in Vorbereitung für eine Schwangerschaft beteiligt ist. Zudem wirkt es an der Östrogen- und Testosteronproduktion bei Frauen und Männern mit.
Sie erklärte auch, dass eine In-vitro Fertilization (IVF) bei Paaren mit einem Vitamin-D-Mangel weniger effektiv sei als bei Paaren mit normalen Spiegeln und dass niedrige Vitamin-D-Spiegel auch mit einer schlechten Spermienqualität des Mannes verbunden seien. Im Umkehrschluss „sind IVFs in den Sommer- und Herbstmonaten, wenn der Vitamin-D-Spiegel höher ist, erfolgreicher als in den Winter- und Frühlingsmonaten“, ergänzte sie.
Anstieg beim Östradiol, aber nicht beim Testosteron
Die beim diesjährigen ECE vorgestellte Studie untersuchte die Auswirkung einer Vitamin-D-Supplementation auf das Niveau der Geschlechtshormone bei Männern mit normalen Testosteronspiegeln. Von den teilnehmenden Männern hatten 100 einen Gesamt-Testosteronspiegel von unter 3,0 ng/ml (definiert als niedriger Testosteronspiegel) und einen 25(OH)D-Wert von unter 30 ng/ml. Die Kontrollgruppe bestand aus 100 Männern mit einem als normal definierten Testosteronspiegel von mindestens 3,0 ng/ml und 25(OH)D-Werten unter 30 ng/ml. „Alle Teilnehmer wiesen somit niedrige Vitamin-D-Werte auf.”
Die Teilnehmer in der Gruppe mit normalen Testosteronwerten waren im Durchschnitt 39 Jahre alt, bei einem BMI von im Mittel 25,3 kg/m², einem 25(OH)D-Wert von 21,3 ng/ml und einem Gesamt-Testosteronspiegel von durchschnittlich 5,5 ng/ml. Sie erhielten über 12 Wochen randomisiert entweder 20.000 IU Cholecalciferol (Vitamin D3) pro Woche oder Placebo. Dann wurden sie auf den Gesamt-Testosteronspiegel als primären Endpunkt und auf freies Testosteron, SHBG, Östradiol, FSH (follikelstimulierendes Hormon) und LH (luteinisierendes Hormon) als sekundäre Endpunkte hin untersucht.
Als Indikatoren des Stoffwechsels wurden die Insulinresistenz, die Insulinsensitivität und die Lipide bestimmt, ebenso der Fettanteil des Körpers und die fettfreie Körpermasse sowie körperliche und psychische Beschwerden, doch dauern hier die Analysen noch an.
Lerchbaum fasste die Ergebnisse bei Männern mit normalem Testosteronspiegel so zusammen: „Wir konnten keinen signifikanten Effekt auf den Testosteronspiegel gesunder Männer nachweisen (p > 0,05), was uns überraschte. Ebenso überraschte uns der Anstieg des Östradiols. Wir hoffen, dass wir bei den Männern mit niedrigem Testosteronspiegel einen Effekt sehen werden. Allerdings wiesen die Männer mit normalem Spiegel einen Rückgang beim SBHG-Spiegel auf und, wie gesagt, eine Zunahme beim Östradiol.“
Testosteron werde in Östradiol umgewandelt und SHBG binde beides, führte Lerchbaum aus, doch sei nur die ungebundene Hormonfraktion biologisch aktiv. „Wir glauben, dass der niedrige SHBG-Spiegel für die Männer vorteilhaft sein könnte, da sie mehr biologisch aktives Hormon aufweisen.“
Bei einer Literaturrecherche habe sie festgestellt, dass Männer mit niedrigem Östradiol auch niedrige Vitamin-D-Spiegel aufwiesen, was also zusammenpasse. „Wir müssen jedoch herausfinden, ob es sich hierbei um klinisch relevante Beziehungen handelt. Ein ausreichender Östradiolspiegel ist für den Feedback-Mechanismus mit dem Hypothalamus und die Hypophyse wichtig (LH- und FSH-Spiegel). Der genaue Mechanismus muss jedoch noch entschlüsselt werden und bleibt Gegenstand weiterer Forschungsanstrengungen.“
Weitere positive Effekte von Vitamin D möglich
Dr. Alper Gurlek vom Hacettepe University Hospital im türkischen Ankara kommentierte den Vortrag als Moderator: „Man könnte überlegen, ob die SHBG-Abnahme und die resultierende Zunahme an freiem Testosteron bei einem Hypogonadismus und der kritischen Fruchtbarkeit dieser Männer hilfreich sind.“ Er merkte auch an, dass es Vorteile für die Knochen geben könne. „Die Zunahme des freien Östradiols könnte auch einen positiven Effekt für die Knochen dieser Männer haben, da das Hormon nicht nur bei Frauen für die Aufrechterhaltung der Knochenmasse wichtig ist, sondern auch bei Männern.“
Dr. Mary Ann McLaughlin vom Mount Sinai Hospital in New York interessierte sich als Kardiologin für die Vitamin-D-Supplementation und die Testosteronspiegel. Für sie haben klinische Studien einen Zusammenhang zwischen einem niedrigen 25(OH)D-Serumspiegel und einer erektilen Dysfunktion aufgezeigt.
„In der aktuellen Studie hatte interessanterweise die Nahrungsergänzung mit oralem Vitamin D einen positiven Effekt auf die Vitamin-D- und Östradiolspiegel und eine absenkende Wirkung auf das SHBG“, sagte sie. „Obwohl diese Studie nicht genügend Teilnehmer hatte, um einen definitiven Schluss zu erlauben, lassen sich aus den Ergebnissen Hypothesen ableiten, die für weitere Untersuchungen interessant sein dürften.“
Der Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
REFERENZEN:
1. European Congress of Endocrinology (ECE) 2017, 20. bis 23. Mai 2017, Lissabon/Portugal
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Diesen Artikel so zitieren: Vitamin D – dann klappt´s auch mit dem Kinderwunsch? Nahrungsergänzung hebt Sexualhormon-Spiegel beim Mann - Medscape - 16. Jun 2017.
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