Chicago – Der neue ALK-Inhibitor Alectinib könnte Crizotinib als Standard in der Erstlinientherapie des ALK-positiven nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) ablösen. Alectinib verlängerte in der Phase-3-Studie ALEX das progressionsfreie Überleben im Vergleich zu Crizotinib um mehr als ein Jahr von 10,4 auf 25,7 Monate. Prof. Dr. Alice Tsang Shaw, Leiterin der Thoraxonkologie am Massachusetts General Hospital Cancer Center, Boston, stellte die Ergebnisse bei der Jahrestagung 2017 der ASCO (American Society of Clinical Oncology) vor [1]. Parallel wurden sie im New England Journal of Medicine publiziert [2].

Prof. Dr. Alice Tsang Shaw
„Keiner konnte sich vorstellen, dass es möglich ist, beim fortgeschrittenen Lungenkarzinom die Progression so stark zu verzögern. Die meisten gezielten Therapien, die beim Lungenkarzinom eingesetzt werden, erreichen eine medianes progressionsfreies Überleben von rund 12 Monaten“, sagte sie. Darüber hinaus verzögerte Alectinib die Zeit bis zur Progression im ZNS, nach 12 Monaten litten in der Alectinibgruppe 9,4% und in der Crizotinibgruppe 41,4% unter Hirnmetastasen.
ASCO-Experte Prof. Dr. John V. Heymach, Universität von Texas MD Anderson Cancer Center, Houston, sagte in der ASCO-Pressekonferenz, dass er „völlig mit der Schlussfolgerung der Autoren einig ist, dass dies ein neuer Standard für die Erstlinienbehandlung des ALK-positiven NSCLC ist. Dies ist ein Wendepunkt für die Behandlung des ALK-positiven Lungenkarzinoms.“ Die Studie zeige dramatische Unterschiede in der Wirksamkeit. Die Behandlung verdopple die Zeit bis zur Progression oder zu Tod und sei gleichzeitig besser verträglich, so Heymach weiter.
Dr. Sanjay Popat, Royal Marsden Hospital, London, betonte als Diskutant ebenfalls, dass „ALEX Alectinib als den für die Erstlinientherapie optimalen ALK-Tyrosinkinaseinhibitor platziert.“ Bei Patienten mit ZNS-Metastasen zeige er eine verstärkte Aktivität, bei Patienten ohne ZNS-Metastasen wirke er neuroprotektiv.
ALK und ALK-Hemmer
Bei etwa 5% der fortgeschrittenen NSCLC finden sich Fusionen des ALK-Gens. Das ALK-Gen codiert für die anaplastische Lymphomkinase (ALK). Durch eine chromosomale Translokation (ähnlich der bei BCR-abl) wird das Gen dauerhaft aktiviert und führt zum ungehemmten Zellwachstum. ALK-positive Bronchialkarzinome sind häufiger bei Adenomhistologie, in jüngerem Alter (50 bis 55 Jahren), bei Nicht- und Nierauchern, bei Patienten ohne EGFR- und ohne KRAS-Mutationen sowie bei Frauen. Mit Crizotinib bzw. Ceritinib sind seit 5 bzw. knapp 2 Jahren 2 ALK-Hemmer im Handel, wobei Crizotinib seit November 2015 auch für die Erstlinientherapie zugelassen ist. Bei Behandlung mit Crizotinib erleiden die Patienten jedoch häufig bereits im 1. Jahr der Behandlung einen Rückfall, oft kommt es zu ZNS-Metastasen. Mit Alectinib ist seit 16. Februar 2017 ein weiterer ALK-Hemmer zur Behandlung von ALK-positivem NSCLC nach Crizotinib-Vorbehandlung in der EU bedingt zugelassen.
ALEX: Head-to-Head-Vergleich in der Erstlinientherapie
In der randomisierten offenen Phase-3-Studie ALEX wurden nun Wirksamkeit und Verträglichkeit von Alectinib und Crizotinib bei bislang unbehandelten Patienten mit fortgeschrittenem ALK-positivem NSCLC mit Alectinib (2 x 600 mg/Tag, n = 152) oder Crizotinib (2 x 250 mg/Tag, n = 151) bis zur Progression, inakzeptablen toxischen Effekten oder bis zum Widerruf des Einverständnisses behandelt. Die Patienten wurden stratifiziert nach ECOG-Performance-Status (0/1 vs 2), Ethnie (Asiaten vs Nicht-Asiaten) und Hirnmetastasen (ohne oder mit). Etwa 40% der Patienten wiesen ZNS-Metastasen auf. Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS) beurteilt durch die Untersucher.
Der primäre Endpunkt wurde erreicht: Zum Analysenzeitpunkt im Februar 2017 hatte Alectinib das Risiko für Progression und Tod um 53% signifikant gesenkt (Hazard-Ratio 0,47, p < 0,0001). In der Crizotinibgruppe betrug das mediane progressionsfreie Überleben 11,1 Monate, in der Alectinibgruppe war es noch nicht erreicht. Auch in den sekundären Endpunkten war Alectinib überlegen.
Das unabhängig beurteilte progressionsfreie Überleben wurde von 10,4 auf 25,7 Monate im Median verlängert (HR 0,50, p < 0,0001). Die Wirkung war in allen Subgruppen nachweisbar. Auch bei Patienten mit ZNS-Metastasen verlängerte Alectinib das PFS deutlich (HR 0,40). Zudem war die Zeit bis zur ZNS-Progression bei Behandlung mit Alectinib signifikant länger, nach 12 Monaten litten in der Alectinibgruppe 9,4% der Patienten unter Hirnmetastasen, in der Crizotinibgruppe waren es 41,4%. Dies bedeutet eine Risikosenkung um 84% (HR 0,16, p < 0,0001).
Die objektive Ansprechrate war mit 76% unter Crizotinib und 83% unter Alectinib nicht signifikant unterschiedlich (p = 0,09). Die mediane Dauer des Ansprechens ist unter Alectinib noch nicht erreicht, unter Crizotinib hielt das Ansprechen 11,1 Monate an. Die Daten zum Gesamtüberleben sind derzeit noch nicht reif.
Grad-3/4-Nebenwirkungen waren mit 41% unter Alectinib seltener als mit 50% unter Crizotinib. Häufigste schwere Nebenwirkungen unter Alectinib waren periphere Ödeme, Übelkeit und Erbrechen sowie Anstieg der Leberenzymwerte.
„Insgesamt etablieren diese Ergebnisse Alectinib als den neuen Therapiestandard für Patienten mit unbehandeltem fortgeschrittenem ALK-positivem NSCLC“, so das Fazit von Shaw.
REFERENZEN:
1. ASCO Annual Meeting 2017, 2. bis 6. Juni 2017, Chicago/USA
2. Peters S, et al: NEJM (online) 6. Juni 2017
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Wendepunkt in der Therapie des ALK-positiven Lungenkrebses? Alectinib verzögert Progression um mehr als ein Jahr - Medscape - 14. Jun 2017.
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