Wendepunkt in der Therapie des ALK-positiven Lungenkrebses? Alectinib verzögert Progression um mehr als ein Jahr

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

14. Juni 2017

Chicago – Der neue ALK-Inhibitor Alectinib könnte  Crizotinib als Standard in der Erstlinientherapie des ALK-positiven nicht-kleinzelligen  Lungenkarzinoms (NSCLC) ablösen. Alectinib verlängerte in der Phase-3-Studie  ALEX das progressionsfreie Überleben im Vergleich zu Crizotinib um mehr als ein  Jahr von 10,4 auf 25,7 Monate. Prof. Dr. Alice Tsang Shaw, Leiterin der Thoraxonkologie am Massachusetts General  Hospital Cancer Center, Boston, stellte die Ergebnisse bei der Jahrestagung 2017 der ASCO (American Society of  Clinical Oncology) vor [1]. Parallel wurden sie im New England Journal of Medicine publiziert [2].

           

Prof. Dr. Alice Tsang Shaw

           

„Keiner konnte sich vorstellen,  dass es möglich ist, beim fortgeschrittenen Lungenkarzinom die Progression so  stark zu verzögern. Die meisten gezielten Therapien, die beim  Lungenkarzinom eingesetzt werden, erreichen eine medianes progressionsfreies  Überleben von rund 12 Monaten“, sagte sie. Darüber hinaus verzögerte Alectinib  die Zeit bis zur Progression im ZNS, nach 12 Monaten litten in der  Alectinibgruppe 9,4% und in der Crizotinibgruppe 41,4% unter Hirnmetastasen.

ASCO-Experte Prof. Dr. John V. Heymach, Universität  von Texas MD Anderson Cancer Center, Houston, sagte in der ASCO-Pressekonferenz,  dass er „völlig mit der Schlussfolgerung der Autoren einig ist, dass dies ein neuer Standard für die  Erstlinienbehandlung des ALK-positiven NSCLC ist. Dies ist ein  Wendepunkt für die Behandlung des ALK-positiven Lungenkarzinoms.“ Die Studie  zeige dramatische Unterschiede in der Wirksamkeit. Die Behandlung verdopple die  Zeit bis zur Progression oder zu Tod und sei gleichzeitig besser verträglich,  so Heymach weiter.

Dr. Sanjay Popat, Royal Marsden Hospital, London, betonte als Diskutant  ebenfalls, dass „ALEX Alectinib als den für die Erstlinientherapie optimalen  ALK-Tyrosinkinaseinhibitor platziert.“ Bei Patienten mit ZNS-Metastasen zeige  er eine verstärkte Aktivität, bei Patienten ohne ZNS-Metastasen wirke er  neuroprotektiv.

ALK und ALK-Hemmer

Bei etwa 5% der  fortgeschrittenen NSCLC finden sich Fusionen des ALK-Gens. Das ALK-Gen codiert  für die anaplastische Lymphomkinase (ALK). Durch eine chromosomale  Translokation (ähnlich der bei BCR-abl) wird das Gen dauerhaft aktiviert und  führt zum ungehemmten Zellwachstum. ALK-positive Bronchialkarzinome sind  häufiger bei Adenomhistologie, in jüngerem Alter (50 bis 55 Jahren), bei Nicht-  und Nierauchern, bei Patienten ohne EGFR- und ohne KRAS-Mutationen sowie bei  Frauen. Mit Crizotinib bzw. Ceritinib sind seit 5 bzw. knapp 2 Jahren 2 ALK-Hemmer  im Handel, wobei Crizotinib seit November 2015 auch für die Erstlinientherapie  zugelassen ist. Bei Behandlung mit Crizotinib erleiden die Patienten jedoch  häufig bereits im 1. Jahr der Behandlung einen Rückfall, oft kommt es zu  ZNS-Metastasen. Mit Alectinib ist seit 16. Februar 2017 ein weiterer ALK-Hemmer  zur Behandlung von ALK-positivem NSCLC nach Crizotinib-Vorbehandlung in der EU bedingt  zugelassen.

 
Keiner konnte sich vorstellen, dass es beim fortgeschrittenen Lungenkarzinom möglich ist, die Progression so stark zu verzögern. Prof. Dr. Alice Tsang Shaw
 

ALEX: Head-to-Head-Vergleich in der Erstlinientherapie

In der randomisierten  offenen Phase-3-Studie ALEX wurden nun Wirksamkeit und Verträglichkeit von  Alectinib und Crizotinib bei bislang unbehandelten Patienten mit  fortgeschrittenem ALK-positivem NSCLC mit Alectinib (2 x 600 mg/Tag, n = 152)  oder Crizotinib (2 x 250 mg/Tag, n = 151) bis zur Progression, inakzeptablen  toxischen Effekten oder bis zum Widerruf des Einverständnisses behandelt. Die  Patienten wurden stratifiziert nach ECOG-Performance-Status (0/1 vs 2), Ethnie  (Asiaten vs Nicht-Asiaten) und Hirnmetastasen (ohne oder mit). Etwa 40% der  Patienten wiesen ZNS-Metastasen auf. Primärer Endpunkt war das  progressionsfreie Überleben (PFS) beurteilt durch die Untersucher.

Der primäre Endpunkt  wurde erreicht: Zum Analysenzeitpunkt im Februar 2017 hatte Alectinib das Risiko  für Progression und Tod um 53% signifikant gesenkt (Hazard-Ratio 0,47, p < 0,0001). In der Crizotinibgruppe betrug das mediane progressionsfreie Überleben  11,1 Monate, in der Alectinibgruppe war es noch nicht erreicht. Auch in den  sekundären Endpunkten war Alectinib überlegen.

Das unabhängig  beurteilte progressionsfreie Überleben wurde von 10,4 auf 25,7 Monate im Median  verlängert (HR 0,50, p < 0,0001). Die Wirkung war in allen Subgruppen  nachweisbar. Auch bei Patienten mit ZNS-Metastasen verlängerte Alectinib das  PFS deutlich (HR 0,40). Zudem war die Zeit bis zur ZNS-Progression bei  Behandlung mit Alectinib signifikant länger, nach 12 Monaten litten in der  Alectinibgruppe 9,4% der Patienten unter Hirnmetastasen, in der  Crizotinibgruppe waren es 41,4%. Dies bedeutet eine Risikosenkung um 84% (HR 0,16, p < 0,0001).

Die objektive  Ansprechrate war mit 76% unter Crizotinib und 83% unter Alectinib nicht  signifikant unterschiedlich (p = 0,09). Die mediane Dauer des Ansprechens ist  unter Alectinib noch nicht erreicht, unter Crizotinib hielt das Ansprechen 11,1 Monate an. Die Daten zum Gesamtüberleben sind derzeit noch nicht reif.

 
Dies ist ein neuer Standard für die Erstlinienbehandlung des ALK-positiven NSCLC. Prof. Dr. John V. Heymach
 

Grad-3/4-Nebenwirkungen  waren mit 41% unter Alectinib seltener als mit 50% unter Crizotinib. Häufigste  schwere Nebenwirkungen unter Alectinib waren periphere Ödeme, Übelkeit und  Erbrechen sowie Anstieg der Leberenzymwerte.

„Insgesamt etablieren  diese Ergebnisse Alectinib als den neuen Therapiestandard für Patienten mit  unbehandeltem fortgeschrittenem ALK-positivem NSCLC“, so das Fazit von Shaw.



REFERENZEN:

1. ASCO Annual Meeting 2017, 2. bis 6. Juni 2017,  Chicago/USA

2. Peters S, et al: NEJM  (online) 6. Juni 2017

Kommentar

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