„Diese Ergebnisse werden die klinische Praxis ändern“: Olaparib bald neuer Standard bei BRCA-mutiertem Mammakarzinom?

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

13. Juni 2017

Chicago – Erstmals konnte mit einem PARP-Hemmer in einer Phase-3-Studie ein Nutzen bei Frauen mit metastasiertem Mammakarzinom im Vergleich zu Standardtherapie gezeigt werden. Olaparib verlängerte bei vorbehandelten Frauen mit BRCA-Mutation in der Keimbahn und HER2-negativem metastasiertem Brustkrebs das progressionsfreie Überleben (PFS) von 4,2 Monaten unter Chemotherapie auf im Median 7,0 Monate (Hazard Ratio: 0,58, p = 0,0009). Der PARP-Hemmer senkte damit das Progressionsrisiko um 42%.

Prof. Dr. Mark E. Robson

Prof. Dr. Mark E. Robson, Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York, stellte diese Ergebnisse der OlympiAD-Studie bei der Jahrestagung 2017 der American Society of Clinical Oncology (ASCO) vor. Die Studie wurde parallel im New England Journal of Medicine publiziert [1;2]. „Besonders ermutigend ist, dass Olaparib auch bei 3-fach negativen Mammakarzinomen bei Frauen mit BRCA-Mutationen in der Keimbahn wirkte. Dieser Brustkrebstyp ist besonders schwierig zu therapieren und er tritt häufig bei jüngeren Frauen auf“, so Robson.

PARP-Inhibition als neues Therapieprinzip beim Mammakarzinom

„Diese Ergebnisse werden die klinische Praxis ändern“, kommentierte Prof. Dr. Allison W. Kurian, Leiterin des Women’s Clinical Cancer Genetics Program, Stanford Universität, Stanford, Kalifornien als Diskutantin. Etwa 3% aller Mammakarzinome treten bei Frauen mit Mutationen im BRCA1- und BRCA2-Gen auf.

Prof. Dr. Allison W. Kurian

Die Studie liefere auch einen „proof of principle“: Denn Frauen mit BRCA-Mutation haben einen Defekt in  spezifischen DNA-Reparaturmechanismen. Olaparib blockiert andere Schlüsselpositionen der DNA-Reparatur, nämlich PARP1 und PARP2. Weil sie den zusätzlichen BRCA-assoziierten Defekt haben, sind die Krebszellen besonders vulnerabel für die PARP-Blockade.

Besonders bemerkenswert an den lang erwarteten Ergebnissen findet Prof. Dr. Daniel F. Hayes, Präsident der ASCO, „dass wir nun die Behandlung des Mammakarzinoms nicht nur an den genetischen Änderungen im Tumor ausrichten können, sondern auch an vererbten Faktoren, die seine Entwicklung begünstigen“.

Hayes wies allerdings auch darauf hin, dass bisher keine Daten zur Langzeittoxizität vorlägen. Die Hemmung der DNA-Reparatur sei nicht auf Krebszellen begrenzt. Derzeit sei noch nicht bekannt, ob und wie sich das für gesunde Zellen auswirke. Bei Frauen mit Ovarialkarzinom hätten sich unter der Behandlung mit PARP-Inhibitoren sekundäre Leukämien entwickelt. „Wir müssen uns dessen bewusst sein. Es ist nicht häufig, aber es ist eine gewisse Sorge, insbesondere im kurativen Setting“, so Hayes. Dennoch bedeuteten die Daten einen „großen Schritt nach vorne in der translationalen Medizin“.

 
Besonders ermutigend ist, dass Olaparib auch bei 3-fach negativen Mammakarzinomen bei Frauen mit BRCA-Mutationen in der Keimbahn wirkte. Prof. Dr. Mark E. Robson
 

Olaparib ist in der EU seit Dezember 2014 als Monotherapie für die Erhaltungstherapie von erwachsenen Patientinnen mit einem Rezidiv eines BRCA-mutierten (Keimbahn und/oder somatisch) high-grade serösen epithelialen Ovarialkarzinoms, Eileiterkarzinoms oder primären Peritonealkarzinoms zugelassen, die auf eine Platin-basierte Chemotherapie ansprechen (vollständiges oder partielles Ansprechen). Weitere in den USA für die Behandlung des Ovarialkarzinoms zugelassene PARP-Hemmer sind Rucaparib und Niraparib. Veliparib und Talazoparib werden derzeit bei metastasiertem Mammakarzinom mit BRCA-Mutationen in der Keimbahn geprüft.

OlympiAD: Erste Phase-3-Studie bei Mammakarzinom

In die offene Studie wurden Frauen mit metastasiertem Mammakarzinom aufgenommen, die HER2-negativ und hormonrezeptorpositiv oder 3-fach negativ (HER, Estrogenrezeptor, Progesteronrezeptor) waren. HER2-positive Frauen wurden nicht eingeschlossen, weil für diese schon wirksame Therapien zur Verfügung stehen. Sie waren zuvor mit bis zu 2 Anthracyclin- oder Taxan-haltigen Chemotherapien und bei positivem Hormonrezeptornachweis mit mindestens einer endokrinen Therapie behandelt worden.

Das Design der Studie sei ähnlich wie in den Studien zum Ovarialkarzinom, erläuterte Kurian. Die Rekrutierung der Patienten war aus ihrer Sicht eine Herausforderung. In 125 Zentren in 20 Ländern wurden 302 Patienten eingeschlossen. Die Patienten waren im Median 44 Jahre alt, jeweils etwa die Hälfte war hormonrezeptorpositiv oder dreifach negativ.

Im Verhältnis 2:1 randomisiert erhielten 205 Frauen Olaparib-Tabletten (2-mal täglich 300 mg), 97 Frauen eine Chemotherapie mit Capecitabin (n = 41), Eribulin (nv = 34) oder Vinorelbin (n = 16) nach Entscheidung des Arztes. Die Olaparibdosis war niedriger als die für die Behandlung des Ovarialkarzinoms zugelassene Dosis von 400 mg 2-mal täglich in Hartkapseln. Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS). Zu den sekundären Endpunkten gehörte die Zeit bis zur zweiten Progression oder bis zum Tod, das Gesamtüberleben (OS), die Ansprechrate (ORR) und die Erfassung der Lebensqualität.

 
Diese Ergebnisse werden die klinische Praxis ändern. Prof. Dr. Allison W. Kurian
 

Die Therapie in der Vergleichsgruppe mit Capecitabin, Vinorelbin oder Eribulin ist nach Ansicht von Kurian nicht so üblich, möglicherweise sei die Wirksamkeit dieser Substanzen nicht so ausgeprägt. Andererseits sei ihre Verträglichkeit eher besser als die der üblichen Chemotherapie.

Patienten lebten länger progressionsfrei

Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 14 Monaten lag das mediane PFS in der Olaparibgruppe bei 7 Monaten, in der Vergleichsgruppe bei 4,2 Monaten. Olaparib senkte also das Progressionsrisiko um 42% (Hazard Ratio: 0,58; p = 0,0009). Die Zeit von der Randomisierung bis zur 2. Progression oder bis zum Tod wurde von 9,3 Monaten unter Chemotherapie auf 13,2 Monate durch Olaparib verlängert (HR: 0,57; p = 0,0033). Dies belegt, dass ein Tumor nach Ende der Olaparibtherapie nicht aggressiver wieder auftritt als nach Chemotherapie. Das Gesamtüberleben unterschied sich nicht, die Studie war hierfür nicht ausreichend gepowert.

Die Ansprechrate (ORR) lag in der Olaparibgruppe bei 60%, in der Chemotherapiegruppe bei 29%. Ein komplettes Ansprechen erreichten 9% bzw. 2% der Patienten. Im Median dauerte es unter Olaparib 47 Tage, unter Chemotherapie 45 Tage bis zum Ansprechen. Das Ansprechen hielt bei PARP-Hemmer-Therapie 6,2 Monate und bei Chemotherapie 7,1 Monate an.

Subgruppenanalysen ergaben bei hormonrezeptorpositiven Patienten ein HR für das PFS von 0,82, bei 3-fach negativen Patienten von 0,43, bei früherer Chemotherapie von 0,65 und ohne vorhergehende Chemotherapie von 0,56. Weil der Olaparibeffekt laut dieser Subgruppenanalyse also bei platinnaiven und 3-fach negativen Patienten besser war, veranlasste dies Kurian zur Überlegung, dass die Ergebnisse möglicherweise in erster Linie auf diese Patienten zurückzuführen waren.

Unerwünschte Wirkungen vom Schweregrad 3 oder höher wurden bei 36,6% der Olaparib- und bei 50,5% der Chemotherapiepatienten gesehen. Häufigste Nebenwirkungen unter Olaparib waren Übelkeit, Anämie und Erbrechen, unter Chemotherapie Neutropenie, Übelkeit, Anämie sowie Erhöhungen der Leberenzymwerte. Ein Therapieabbruch wegen Nebenwirkungen war bei 4,9% in der Olaparibgruppe und bei 7,7% in der Chemotherapiegruppe erforderlich. Die Therapie dauerte in der Olaparibgruppe mit 8,2 Monaten im Median mehr als doppelt so lang wie in der Chemotherapiegruppe mit 3,4 Monaten. In der Olaparibgruppe dauerte es länger als in der Chemotherapiegruppe, bis sich die Scores für die Lebensqualität verschlechterten (HR: 0,44; p = 0,0043).

Nach Ansicht von Kumar muss nun der optimale Einsatz von PARP-Inhibitoren mit Hilfe von klinischen Studien weiter definiert werden. So ist zu klären, für welche Patientengruppe und in welcher Therapielinie der Einsatz sinnvoll ist. Unklar ist bislang, ob eine Mono- oder eine Kombinationstherapie eingesetzt werden sollte. Eine Kombination wäre z.B. mit Chemotherapeutika oder Immuntherapeutika denkbar. Essenziell für eine optimale Therapie ganz allgemein ist ihrer Meinung nach, dass möglichst viele Patienten genetisch getestet werden, zu viele Patienten würden derzeit noch nicht entsprechend den Leitlinien getestet und behandelt.



REFERENZEN:

1. ASCO Annual Meeting 2017, 2. bis 6. Juni 2017, Chicago/USA

2. Robson M, et al: NEJM (online) 3. Juni 2017

 

Kommentar

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