Freiburg – Mehr und früher Patientenkontakt? Ja. Landarztquote? Nein. Der Ärztetag in Freiburg hat sich kritisch zustimmend mit dem Masterplan Medizinstudium 2020 auseinandergesetzt. Die Landarztquote, wie sie der Plan vorschlägt, lehnte das Ärzteparlament allerdings ab. Damit lag es ganz auf der Linie der Medizinstudierenden, deren Vertretung sich auf dem Ärztetag ebenfalls zum Thema geäußert hat. Sie fürchtet außerdem, dass die veränderte Architektur des praktischen Jahres, wie sie der Masterplan vorsieht, die Wahlmöglichkeiten der jungen Ärzte zu sehr einschränkt.
Die Bundesländer sollten von der Möglichkeit der Landarztquote keinen Gebrauch machen, erklärten die rund 250 Delegierten des Ärztetages. „Eine zwangsweise Verpflichtung zur Landarzttätigkeit im Tausch gegen einen Studienplatz könne die intrinsische Attraktivität der primärärztlichen Versorgung nicht stärken“, heißt es in dem entsprechenden Entschließungsantrag [1].
Die Landarztquote würde bedeuten, dass die Fakultäten auf Veranlassung der Länder vorab 10% ihrer Studienplätze an Bewerber vergeben, die sich schon vor dem 1. Semester verpflichten, nach dem Studium bis zu 10 Jahre als Hausarzt in unterversorgten Gebieten zu arbeiten. Wer über die Quote ins Studium kommt und am Schluss doch nicht auf dem Land arbeiten will, muss zahlen, so der Plan.
„Von einer Landarztquote halten wir nichts!“
Der ablehnende Beschluss des Ärztetages dürfte ganz im Sinne der Bundesvereinigung der Medizinstudierenden (bvmd) sein. Für Carolin Siech jedenfalls, Sprecherin der bvmd, ist die Landarztquote ein Werkzeug, das nicht greift: „Von einer Landarztquote halten wir nichts!“, sagte sie denn auch im Gespräch mit Medscape am Rande des Ärztetages. „Denn da besteht die Gefahr, dass Studienanfänger über diese Quote ins Studium kommen und am Schluss doch nicht Landarzt werden und lieber die Entschädigung zahlen. Sie hätten sich quasi ins Studium hineingekauft. Außerdem: Wer sollte 10 Jahre und länger im Voraus seine Berufslaufbahn festlegen wollen? Besser wäre es, an den Arbeitsbedingungen vor Ort zu arbeiten, sodass die jungen Ärzte von allein aufs Land gehen und nicht verpflichtet werden müssen.“
Siech denkt dabei an Arbeitsmöglichkeiten auch für den Ehepartner der Landärzte, geregelte Arbeitszeiten, so dass auch noch Zeit für die Familie bleibt, Vertretungsregelungen vor Ort, etc. Kurzum: gute Lebens- und Arbeitsbedingungen.
Statt eine Landarztquote einzuführen forderte der Ärztetag vielmehr, die Zahl der Studienplätze zu erhöhen, und zwar um mindestens 10%. Nur so ließe sich der Ärztemangel effektiv bekämpfen, meinten die Delegierten – eine Forderung, die auch die bvmd erhebt. „Schon jetzt sind mindestens 1,8 Stellen nötig, um eine ausscheidende Vollzeitkraft adäquat zu ersetzen“, heißt es in dem von zahlreichen Delegierten eingebrachten Entschließungsantrag. „Es reicht jedoch nicht aus, personelle Kapazitäten einfach umzuverteilen oder ärztliche Leistungen durch andere Berufsgruppen zu substituieren. Auch ist es nicht zielführend, bereits angespannte Personalausstattungen in den Krankenhäusern mit offensiv angeworbenen ausländischen Ärzten entlasten zu wollen.“
Das Handwerk des Arztes lernen
Auch die Absicht des Masterplanes, das praktische Jahr (PJ) neu zu strukturieren, stößt auf die Kritik der Studierenden. So soll das PJ von 3 auf 4 Ausbildungsabschnitte zu je 12 Wochen umgestellt werden. Innere Medizin und Chirurgie bleiben zwar als Pflichtfächer erhalten. Aber es kommen nun 2 Wahlfächer hinzu, von denen mindestens eines im ambulanten Bereich absolviert werden soll. Zugleich wird die Allgemeinmedizin 3. Pflichtprüfungsfach. Damit dürften viele junge Mediziner im PJ die Allgemeinmedizin als ambulantes Fach wählen. Mit dieser Marschrichtung des Masterplans sind die Studierenden offenbar nicht glücklich.
„Wir halten es für geboten, dass Studierende auch den ambulanten Bereich kennenlernen und nicht nur den Klinikalltag“, kommentiert Carolin Siech diplomatisch. Allerdings fürchtet sie, dass die neue Regelung im PJ den jungen Ärzten in Zukunft auch weniger Auswahl bietet: „Unserer Ansicht nach gehören auch die Hochschulambulanzen dazu und vor allem die Möglichkeit, einen Teil der Zeit auch im Ausland zu absolvieren. Das wäre mit einem zusätzlichen Pflichtquartal in Kassenpraxen nicht mehr möglich.“
Siech und ihre bvmd-Vorstandskollegen wünschen sich vielmehr praxisnahe Curricula: „Im Studium sollten schon früh praktische und theoretische Inhalte gemeinsam vermittelt werden, schon in den vorklinischen Semestern sollte Kontakt zu den Patienten hergestellt werden“, sagt Siech. Vor allem solle sichergestellt werden, dass das Studium durch die geplanten Reformen nicht noch theorielastiger werde und stattdessen stärker „das Handwerk des Mediziners“ lehrt.
Bei ihren Positionen konnten die Studierenden auf die Unterstützung der Delegierten setzen. Sie forderten „die zukünftige Bundesregierung auf, die Verbände, in denen in relevantem Umfang Medizinstudierende organisiert sind, in den Kommissionen zur Umsetzung des Masterplans Medizinstudium 2020 und zur Weiterentwicklung des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkataloges (NKLM) aktiv zu beteiligen und ihnen ein Mitspracherecht einzuräumen“.
REFERENZEN:
1. 120. Deutscher Ärztetag, 23. bis 26. Mai 2017, Freiburg
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Diesen Artikel so zitieren: Masterplan Medizinstudium 2020: Ärzteparlament und Studierende lehnen Landarztquote einhellig ab – Kritik am neuen PJ - Medscape - 13. Jun 2017.
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