Chicago – Pertuzumab – nach der Operation zusätzlich zu Trastuzumab und Chemotherapie gegeben – kann bei Frauen mit frühem HER2-positivem Mammakarzinom einen leichten Vorteil bringen. Der 2. HER2-Blocker senkt innerhalb von 3 Jahren das Rezidivrisiko (Entwicklung einer invasiven Erkrankung) um 19% im Vergleich zur alleinigen Trastuzumab-Therapie. Dies ergibt eine erste Analyse der Phase-3-Studie APHINITY, die Prof. Dr. Gunter von Minckwitz, Leiter der German Breast Group, Neu Isenburg, bei der Jahrestagung 2017 der American Society of Clinical Oncology (ASCO) vorgestellt hat [1].

Prof. Dr. Gunter von Minckwitz
Die Ergebnisse wurden parallel online im New England Journal of Medicine publiziert [2]. „Die Therapieeffekte waren homogen in allen Subgruppen zu sehen, besonders gut profitierten jedoch lymphknoten-positive und hormonrezeptor-negative Patienten“, so von Minckwitz. „Eine weitere Nachbeobachtung über bis zu 10 Jahre ist wichtig für das Gesamtüberleben, das langzeitige Überleben ohne invasive Erkrankung (IDFS) und die Sicherheitsanalyse. Die nächste Analyse werden wir voraussichtlich in 2,5 Jahren vorlegen können.“

Prof. Dr. Carey Anders
Mäßige Effekte kontra Nebenwirkungen und Kosten
Prof. Dr. Carey Anders, Lineberger Comprehensive Cancer Center, Universität von North Carolina, Chapel Hill, Diskutantin der Studie beim ASCO-Kongress, legte dar, das der mäßige Effekt der zusätzlichen Pertuzumab-Therapie auf Kosten von häufigeren kardialen Ereignissen und mehr Diarrhöen vom Grad 3 geht.
Und auch nicht zu vernachlässigen: 1 Jahr zusätzliche Pertuzumab-Therapie kostet – errechnet mit Medicare-Daten – weitere 94.596 US-Dollar, der finanzielle Aufwand für die Kombination beträgt über 150.000 US-Dollar. Zum Vergleich: für die Verlängerung einer Letrozol-Therapie von 5 auf 10 Jahre würden Kosten von etwa 15.000 Dollar entstehen.
Bei lymphknoten-negativen und/oder hormonrezeptor-positiven Frauen mit frühem HER2-positivem Brustkrebs hält Anders daher die Behandlung mit Trastuzumab plus Chemotherapie für ausreichend. Die Kombination mit Pertuzumab könne bei Risikopatienten mit Lymphknotenbefall und negativem Hormonrezeptorstatus überlegt werden.
Im begleitenden Editorial im New England Journal of Medicine schreibt Prof. Dr. Kathy Miller, Indiana University Melvin and Bren Simon Cancer Center, Indianapolis, USA [3]: „Die Ergebnisse für den primären Endpunkt, IDFS, waren signifikant. Um es klar zu sagen, APHINITY ist eine positive Studie. Um es ebenso klar zu sagen, im Vergleich mit Pertuzumab-Studien bei metastasierter Erkrankung oder im neoadjuvanten Setting ist APHINITY eine Enttäuschung.“
Die klinische Signifikanz bedeute mehr als die reinen Zahlen, um die statistische Signifikanz zu belegen. „Man benötigt eine ausbalancierte Bewertung von Wirksamkeit und Toxizität – und so meinen manche – auch der Kosten.“ Und weiter: „Die zusätzliche Gabe von Pertuzumab resultierte in einer absolut um 0,9%-Punkte niedrigeren Rate von Rezidiven oder Tod nach 3 Jahren.“ Sie hält es für unwahrscheinlich, dass sich die Ergebnisse bei längerer Nachbeobachtungszeit noch verbessern. Pertuzumab führe nicht nur zu mehr schweren Diarrhöen. Aus Sicht von Miller sind auch die vermehrten kardiotoxischen Wirkungen ein Problem.
Pertuzumab werde zwar seinen Platz in der adjuvanten Therapie für Patienten mit mehrfach befallenen Lymphknoten finden oder bei solchen, die vermehrte toxische Wirkungen für einen marginalen Nutzen akzeptieren, meint auch sie. „Allerdings sollte APHINITY die letzte Studie dieser Art sein. Es ist einfach nicht machbar, den Patienten mit HER2-positiver Erkrankung immer mehr Substanzen zu geben, die nur auf der Basis der Zergliederung ausgewählt sind. Die toxischen Wirkungen (und Kosten) sind zu hoch für zu viele, die zu wenig profitieren.“
10 Jahre Nachbeobachtung
Rationale für die APHINITY-Studie war, dass Pertuzumab über ergänzende Mechanismen zu Trastuzumab am HER2-Komplex angreift. Trastuzumab bindet in der Nähe der transmembranären Domäne und hemmt die Dimerisierung von HER2, Pertuzumab bindet an die Dimerisierungs-Domäne und verhindert die HER2-Heterodimerisierung mit anderen Rezeptoren der HER-Familie.
Im metastasierten und adjuvanten Setting hatte die zusätzliche Gabe von Pertuzumab zu Trastuzumab Vorteile gezeigt. Weil bei frühem HER2-positiven Mammakarzinom im Langzeitverlauf immer wieder Rezidive auftreten, wurden in der APHINITY-Studie Wirksamkeit und Verträglichkeit von Chemotherapie plus Trastuzumab plus Pertuzumab im Vergleich zu Chemotherapie plus Trastuzumab plus Placebo untersucht.
In die Studie wurden 4.805 Patienten mit frühem HER2-positivem Mammakarzinom aufgenommen. Innerhalb von 8 Wochen nach der Operation wurden sie in einer der Therapiegruppen randomisiert und über 1 Jahr behandelt. Sie sollen 10 Jahre nachbeobachtet werden. Die linksventrikuläre Auswurffraktion der Patienten musste mindestens 55% betragen. Der primäre Endpunkt IDFS was als die Zeit von der Randomisierung bis zum ersten Auftreten eines der folgenden Ereignisse definiert: Ipsilaterales invasives Tumorrezidiv, ipsilaterales lokal-regionales invasives Tumorrezidiv, distantes Rezidiv, kontralaterales invasives Tumorrezidiv und Tod jeder Ursache.
19 Prozent geringeres Risiko für invasive Erkrankungen
Nach einem medianen Follow-Up von 45,4 Monaten zeigte die Intention-to-Treat-Analyse, dass im Pertuzumab-Arm 94,1% und im Placeboarm 93,2% der Patienten ohne invasive Erkrankung überlebten, was eine Risikoreduktion um 19% bedeutet (Hazard Ratio 0,81). Der Unterschied war mit einem p-Wert von 0,045 signifikant. Der absolute Unterschied war mit 0,9%-Punkten jedoch gering, damit erklärt sich die hohe Number Needed to Treat (NNT) von 112. „112 Patienten müssen über 3 Jahre mit Pertuzumab behandelt werden, um ein invasives Ereignis zu vermeiden“, erklärte von Minckwitz.
Etwas günstiger sah es nach einer vordefinierten Subgruppenanalyse für lymphknoten-positive Patienten aus. Hier wurde ein HR von 0,77 erreicht, was einer Risikoreduktion von 23% entspricht. Der absolute Unterschied betrug 1,8%-Punkte, die NNT lag damit bei 56. Ähnliches ergab sich für hormonrezeptor-negative Tumoren mit einer HR von 0,76, einer Risikoreduktion von 24%, einem absoluten Unterschied von 1,6%Punkten und einer NNT von 63. Das Gesamtüberleben in den beiden Gruppen unterschied sich bei dieser ersten Zwischenanalyse nicht.
Eine Herzinsuffizienz NYHA-Stadium III/IV mit einem Abfall der linksventrikulären Auswurffraktion um mindestens 10% vom Ausgangswert und unter 50% trat bei 15 Patienten unter Pertuzumab (0,6%) und bei 6 Patienten (0,2%) in der Placebogruppe auf. Je 2 Patienten starben in jeder Gruppe aufgrund kardialer Erkrankungen. Ein asymptomatischer oder leicht symptomatischer Abfall der linksventrikulären Auswurffraktion wurde bei 2,7% unter Pertuzumab und bei 2,8% in der Placebogruppe registriert. Eine Diarrhö vom Schweregrad 3 oder höher war mit 9,8% in der Pertuzumab-Gruppe häufiger als mit 3,7% in der Vergleichsgruppe. Sie trat vor allem während der Chemotherapie auf.
REFERENZEN:
1. ASCO Annual Meeting 2017, Chicago, 2. bis 6. Juni 2017, Chicago/USA
2. Von Minckwitz G, et al: NEJM (online) 5. Juni 2017
3. Miller KD: NEJM (online) 5. Juni 2017
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Doppelte HER2-Blockade beim frühen Mammakarzinom: „APHINITY ist eine positive Studie“ – aber auch „eine Enttäuschung“ - Medscape - 12. Jun 2017.
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