Krebs bei Kindern: Führen moderne Therapien zu weniger Spätfolgen? Analyse von 30-Jahresdaten deutet darauf hin

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

9. Juni 2017

Chicago – Spätkomplikationen bei an Krebs erkrankten Kindern sind in den letzten Jahren seltener geworden. Sie sanken von 12,7% bei Krebsdiagnose in den 1970er Jahren auf 8,8% bei Krebsdiagnose in den 1990er Jahren. Dies ergab eine Analyse der Childhood Cancer Survivor Study (CCSS), die Dr. Todd M. Gibson, St. Jude Children’s Research Hospital, Memphis, USA, bei der Jahrestagung 2017 der (American Society of Clinical Oncology (ASCO) vorgestellt hat [1].

Dr. Todd M. Gibson

Dr. Timothy D. Gilligan

„Unsere Befunde zeigen klar, dass Langzeitüberlebende, die mit modernen Therapien behandelt worden sind, besser fahren. Es werden damit nicht nur mehr Kinder geheilt, sie haben auch ein geringeres Risiko, im Verlauf ihres weiteren Lebens schwere gesundheitliche Probleme aufgrund der Krebstherapie zu erleiden“, so Gibson. „Als ein Ergebnis der Fortschritte in der Therapie leben Kinder mit Krebserkrankungen nicht nur länger, sie profitieren auch von einer Verringerung der Langzeitkomplikationen der Behandlung. Diese Ergebnisse belegen wie wichtig es ist, Studien mit Überlebenden von Krebserkrankungen zu finanzieren und durchzuführen“, kommentierte Dr. Timothy D. Gilligan, Onkologe am Cleveland Clinic Taussig Cancer Center, Cleveland, USA.

Verminderte Spätsterblichkeit durch weniger Komplikationen

Die Childhood Cancer Survivor Studie ist eine von den amerikanischen National Institutes of Health finanzierte retrospektive Kohortenstudie, in der Kinder mit Krebsdiagnose in den Jahren 1970 bis 1999 aus 31 Zentren aufgenommen worden waren. Alle Patienten waren bei der Diagnose jünger als 21 Jahre alt und an Leukämie, Lymphom, ZNS-Tumoren, Wilms-Tumor, Neuroblastom, Weichgewebe- oder Knochentumoren erkrankt. Eine Analyse der Überlebensraten war in der Plenarsitzung bei der ASCO-Jahrestagung 2015 vorgestellt worden (wie Medscape berichtete). Auch hier hatte sich eine Abnahme der Spätsterblichkeit durch moderne, weniger intensive Therapien gezeigt, was mit einer verringerten Zahl an Spätkomplikationen erklärt wurde.

Gibson stellte nun detaillierte Daten zu den Spätkomplikationen in Abhängigkeit vom Jahrzehnt der Krebsdiagnose vor. Hierzu analysierten er und seine Kollegen die Daten von 23.601 Überlebenden. Die kumulative Inzidenz von schweren, lebensbedrohlichen oder tödlichen Komplikationen sank von 12,7% (11,8-13,6%) bei Krebsdiagnose zwischen 1970 und 1979 auf 10,1% (9,4-10,7%) bei Krebsdiagnose zwischen 1980 und 1989 sowie auf 8,9% (8,3-9,5%) bei Krebsdiagnose zwischen 1990 und 1999. Dies bedeutet eine Hazard Ratio von 0,82 pro Dekade (0,78-0,87), die Unterschiede zwischen den einzelnen Dekaden waren signifikant.

Die Komplikationsrate sank über 15 Jahre in den einzelnen Diagnosegruppen unterschiedlich deutlich:

  • von 13% auf 5% beim Wilms-Tumor (HR: 0,57; p < 0,0001),

  • von 18% auf 11% beim Hodgkin-Lymphom (HR: 0,75; p < 0,0001),

  • von 15% auf 9% beim Astrozytom (HR; 0,77; p = 0,004),

  • von 10% auf 6% beim Non-Hodgkin-Lymphom (HR: 0,79;, p = 0,04),

  • von 9% auf 7% bei akuter lymphoblastischer Leukämie (HR: 0,85; p = 0,002).

Bei Patienten, die ein Neuroblastom, eine akute myeloische Leukämie oder ein Sarkom überlebt haben, konnten Gibson und Kollegen allerdings keine signifikante Senkung der Rate an Spätkomplikationen in Abhängigkeit von der Diagnosezeit feststellen.

Die verringerte Rate an Komplikationen ergab sich aus einer signifikanten Senkung der kumulativen Inzidenz über 15 Jahre für:

  • Zweitmalignome von 2,4 auf 1,6% (HR: 0,82; p = 0,001),

  • endokrinen Störungen von 4% auf 1,6% (HR: 0,61; p < 0,0001),

  • neurologischen Störungen (HR: 0,79; p = 0,003),

  • gastrointestinalen Störungen (HR: 0,73; p = 0,001).

Die Rate von kardialen und pulmonalen Komplikationen, von Sehstörungen, muskuloskeletalen und renalen Funktionsstörungen änderte sich allerdings nicht. „Wir waren etwas überrascht, dass die Inzidenz schwerer kardiovaskulärer Erkrankungen nicht abgenommen hatte, obwohl wir wussten, dass die Zahl der Todesfälle aufgrund kardiovaskulärer Erkrankungen in den jüngeren Dekaden zurückgegangen waren“, sagte Gibson.

 
Als ein Ergebnis der Fortschritte in der Therapie leben Kinder mit Krebserkrankungen nicht nur länger, sie profitieren auch von verringerten Langzeitkomplikationen. Dr. Timothy D. Gilligan
 

Hörstörungen nahmen sogar zu (HR: 1,19; p = 0,01). „Dies erinnert uns daran, dass die Langzeit-Überlebenden weiterhin im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein erhöhtes Risiko für gesundheitliche Probleme haben und dass sie engmaschig überwacht werden müssen.“

Gibson wies weiter darauf hin, dass in der Studie der Effekt einer frühe Erkennung und Intervention von Komplikationen nicht berücksichtigt werden konnte. Außerdem sei die Einteilung in Dekaden nicht dazu geeignet, um spezifische Änderungen innerhalb einer Diagnosegruppe erkennen zu können.



REFERENZEN:

1. ASCO Annual Meeting 2017, 2. bis 6. Juni 2017, Chicago/USA

Kommentar

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