Nicht-alkoholische Fettleber: Etwa 10 Millionen Menschen sind hierzulande erkrankt – hohe Therapie- und Folgekosten drohen

Dr. Klaus Fleck

Interessenkonflikte

9. Juni 2017

Berlin – Die weltweite Zunahme von Adipositas und Diabetes mellitus ist gleichbedeutend mit einer steigenden Zahl von Patienten mit einer nicht-alkoholischen Fettleber (NAFLD) – und die müssen versorgt werden. Die damit verbundenen Herausforderungen beschrieb Prof. Dr. Christian Trautwein, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, auf der Jahres-Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) in Berlin [1].

Prof. Dr. Christian Trautwein

„Bereits jetzt“, so der DGVS-Sprecher, „leben mehr als 10 Millionen Menschen in Deutschland mit einer nicht-alkoholischen Fettleber, Tendenz steigend.“ Der Befund treffe auf jeweils rund 80% der Adipösen und der Diabetiker zu, wobei ein adipöser Diabetiker 100-prozentig eine Fettleber entwickle. „Mit ihr geht ein 2- bis 3-fach erhöhtes Mortalitätsrisiko einher, nicht zuletzt weil bei bis zu 30 Prozent – hierzulande also mehr als 3 Millionen – der NAFLD-Patienten eine nicht-alkoholische Steatohepatitis vorliegt.“

Steatohepatitis triggert auch systemische Entzündungen

Die nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH) werde mittlerweile als systemische Erkrankung verstanden: Einerseits kann ihr Fortschreiten lokal zur Leberzirrhose und zum Leberzellkarzinom führen. „Die kontinuierliche Entzündungsreaktion in der Leber greift auch auf andere Körperregionen über und triggert dort über Mediatoren wie TNF-alpha und Interleukin-6 weitere Entzündungen und Komplikationen“, erläuterte Trautwein. So verdopple die Steatohepatitis das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, ein bereits vorhandenes metabolisches Syndrom werde verstärkt und es gebe in diesem Patientenkreis deutlich mehr Fälle von kolorektalen Karzinomen und von Pankreaskrebs.

 
In Deutschland leben mehr als 10 Millionen Menschen mit einer nicht-alkoholischen Fettleber, Tendenz steigend. Prof. Dr. Christian Trautwein
 

Erster Schritt bei der Therapie von NASH-Patienten sollte immer der Versuch sein, sie zu einer Veränderung ihrer Lebens- und Essgewohnheiten zu bringen – weniger Kalorien und mehr Bewegung. „Eine aktuelle prospektive Studie hat jedoch auch gezeigt, dass es selbst mit Kalorienreduktion, intensiviertem Sportprogramm und psychologischer Betreuung gerade einmal 30% der NASH-Patienten schafften, ihr Gewicht um mehr als 5% zu reduzieren“, sagte Trautwein.

Neue Medikamente in der Pipeline

Medikamente zur Behandlung der NAFLD befinden sich überwiegend noch in der klinischen Entwicklung – und lassen spätere Therapiekosten in Milliardenhöhe erwarten. „In Anbetracht der weltweit drohenden Fettleber-Epidemie“, so der Aachener Gastroenterologe, „hat die Industrie den Markt erkannt, ebenso hat die US-Zulassungsbehörde FDA ein beschleunigtes Zulassungsverfahren für mögliche neue Pharmaka ermöglicht.“ Es sei davon auszugehen, dass der jährliche Umsatz mit NAFLD-Therapeutika im Jahr 2025 weltweit bei mindestens 15 Milliarden US-Dollar liegt.

 
Die durch eine NASH verursachte, kontinuierliche Leberentzündung greift auf andere Regionen über und triggert (…) weitere Entzündungen und Komplikationen. Prof. Dr. Christian Trautwein
 

Bislang gibt es noch keine Medikamente, die speziell für NAFLD zugelassen sind. Jedoch habe etwa Liraglutid – bei gleichzeitigem Vorliegen von Fettleberhepatitis und Diabetes mellitus –  positive Effekte bei der Gewichtsreduktion gezeigt, so Trautwein. Die beiden nach aktueller Studienlage in Bezug auf NASH am besten geprüften Wirkstoffe seien Obeticholsäure und Elafibranor: Obeticholsäure kann demnach eine Leberfibrose verbessern, Elafibranor das Blutzucker- und Lipidprofil. Unabhängig davon werde derzeit natürlich in vielen Fällen indirekt behandelt – mit Antidiabetika bei Diabetes sowie mit Medikamenten oder Verfahren zur Gewichtsreduktion.

Neue Medikamente werden parallel auf mehreren Feldern erforscht. „Eine der Strategien ist die Hemmung entzündlicher Signalwege in der Leber, etwa durch die Blockierung von Chemokinen“, erläuterte Trautwein, „eine andere die Beeinflussung des Gallensäurestoffwechsels und damit des Mikrobioms im Darm.“ Darüber hinaus werde versucht, medikamentös die mit der NASH einhergehende Fibrosebildung in der Leber zu hemmen wie auch Arzneimittel zu entwickeln, mit der sich die Insulinresistenz bei NASH verringern lässt.

„Wahrscheinlich wird es für eine erfolgreiche Therapie jedoch notwendig sein“, so der Experte, „mehrere dieser medikamentösen Strategien zu kombinieren, um unterschiedliche Pathomechanismen parallel zu beeinflussen.“ Derzeit gebe es 5 bis 6 potenziell vielversprechende Substanzen, die sich zum Teil bereits in Phase 3 der klinischen Entwicklung befinden. Mit der ersten Zulassung eines NASH-Medikaments sei wahrscheinlich im Jahr 2019 zu rechnen. „Die Therapie der nicht-alkoholischen Steatohepatitis wird dabei – anders als die der Hepatitis C – eine Dauertherapie sein und entsprechend auch unser Gesundheitssystem belasten“, prognostizierte Trautwein.

 
In Anbetracht der weltweit drohenden Fettleber-Epidemie hat die Industrie den Markt erkannt. Prof. Dr. Christian Trautwein
 

Wegen einer nicht-alkoholischen Fettleber bzw. Fettleberhepatitis mussten im Jahr 2015 in Deutschland bereits mehr als 15.000 Patienten stationär versorgt  werden (Abschätzung anhand der ICD-Codes K76 für sonstige Leberkrankheiten und K75 für sonstige entzündliche Leberkrankheiten). Darauf verweist das ebenfalls auf der DGVS-Jahrespressekonferenz vorgestellte neue „Weißbuch Gastroenterologische Erkrankungen 2017“.



REFERENZEN:

1. Jahres-Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), 30. Mai 2017, Berlin

Kommentar

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