Nach Hodenkrebs: Niedrige Testosteronwerte und Hypogonadismus häufig und mit Gesundheitsproblemen assoziiert – was ist zu tun?

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

8. Juni 2017

Prof. Dr. Mohammad Issam Abu Zaid

Chicago – Patienten, die ein Hodenkarzinom überlebt haben, haben häufig einen Hypogonadismus mit erniedrigten Testosteronspiegeln. Im Vergleich zu Überlebenden mit normalen Testosteronspiegeln treten bei ihnen im weiteren Verlauf ihres Lebens häufiger gesundheitliche Probleme wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus, erektile Dysfunktion, Angst oder Depressionen auf.

Dies ergab eine erste Auswertung der noch laufenden Platinum-Studie, die Prof. Dr. Mohammad Issam Abu Zaid, School of Medicine, Indianapolis (USA), bei der Jahrestagung 2017 der American Society of Clinical Oncology (ASCO) vorgestellt hat [1].

Auf Anzeichen für einen niedrigen Testosteronspiegel achten

„Hodenkrebs tritt im jüngeren Alter auf und ist oft heilbar, viele Männer überleben ihn noch mehr als 40 Jahre“, so Abu Zaid. „Unsere Befunde belegen, dass der behandelnde Arzt bei Männern nach Hodenkrebs auf körperliche Symptome eines Hypogonadismus achten und in entsprechenden Fällen die Testosteronspiegel messen sollte.“

„Dies ist eine wichtige Studie, die eine deutliche Botschaft an alle aussendet, die solche Patienten behandeln“, so die Meinung von Dr. Timothy D. Gilligan, Onkologe am Cleveland Clinic Taussig Cancer Center, Cleveland. Er wies ebenfalls darauf hin, dass in der Regel junge Männer an einem Hodenkarzinom erkrankten, die noch ein langes Leben vor sich haben. Wenn bei ihnen ein Hypogonadismus nicht behandelt wird, litten sie möglicherweise lange unter verschiedenen gesundheitlichen Problemen.

 
Unsere Befunde belegen, dass der behandelnde Arzt bei Männern nach Hodenkrebs auf körperliche Symptome eines Hypogonadismus achten und in entsprechenden Fällen die Testosteronspiegel messen sollte. Prof. Dr. Mohammad Issam Abu Zaid
 

Allerdings solle nicht jeder Patient getestet werden und es sei zu beachten, dass der normale Testosteronspiegel eine große Schwankungsbreite habe: „Wir sollten nicht bei allen Patienten Testosteronspiegel messen, sondern statt dessen auf die Symptome achten“, so seine Meinung. Abu Zaid bestätigte, dass es unterschiedliche Grenzwerte für einen zu niedrigen Testosteronspiegel gebe. Dies berge das Risiko, dass Patienten übertherapiert würden, was ebenfalls das kardiale Risiko erhöhen könne.

Testosteronspiegel und gesundheitliche Probleme

Ein zu niedriger Testosteronspiegel kann schon bei der Hodenkrebs-Diagnose vorliegen oder er kann sich als Nebenwirkung der Chemotherapie oder der Operation entwickeln. Es ist schon länger bekannt, dass ein erheblicher Anteil von Patienten, die ein Hodenkarzinom überlebt haben, einen zu niedrigen Testosteronspiegel hat. Nun wurde in einer ersten großen Studie untersucht, ob es einen Zusammenhang mit gesundheitlichen Problemen im weiteren Verlauf des Lebens der Patienten gibt.

Die Platinum-Studie ist die weltweit größte Studie, in der Patienten, die wegen eines Hodenkarzinoms mit Cisplatin behandelt worden sind, lebenslang beobachtet werden. In der von den amerikanischen National Institutes of Health (NIH) finanzierten Untersuchung werden die Daten von den Probanden mit Hilfe von Fragebögen, Blutuntersuchungen sowie Basisuntersuchungen wie Blutdruckmessung und Hörtests erhoben. Außerdem sollen Gene identifiziert werden, die mit einem erhöhten Risiko von gesundheitlichen Problemen assoziiert sind.

 
Dies ist eine wichtige Studie, die eine deutliche Botschaft an alle aussendet, die solche Patienten behandeln. Dr. Timothy D. Gilligan
 

In der von Abu Zaid vorgestellten Analyse wurden die Ergebnisse der ersten 491 in die Studie aufgenommenen Patienten berücksichtigt. Insgesamt sind derzeit mehr als 1.600 Personen aufgenommen; die Rekrutierung ist noch nicht abgeschlossen.

Hypogonadismus bei mehr als einem Drittel

Unter den 491 Personen im medianen Alter von 38 Jahren wiesen 38% einen Hypogonadismus auf. Bei Übergewicht und im höheren Alter war die Wahrscheinlichkeit für niedrige Testosteronwerte erhöht. Im Gen für das Sex-Hormon bindende Globulin (SHBG) fanden die Forscher eine genetische Abnormität, die die Männer für einen niedrigen Testosteronspiegel zu prädisponieren scheint. „Diese Befunde müssen jedoch in größeren Studien bestätigt werden, und wir werden sie in der nächsten Phase der Platinum-Studie ebenfalls analysieren“, so Abu Zaid.

Probanden, die körperlich sehr aktiv waren, hatten eher höhere Testosteronspiegel. Personen mit zu niedrigem Testosteronspiegel wurden im Vergleich zu Personen mit normalen Testosteronspiegel häufiger medikamentös wegen folgender Erkrankungen behandelt:

  • Hypercholesterinämie: 20% vs 6% (p < 0,001)

  • Bluthochdruck (19% vs 11%) (p = 0,01)

  • Erektiler Dysfunktion (20% vs 12%) (p = 0,02)

  • Diabetes mellitus (6% vs 3%) (p = 0,07)

  • Angst oder Depression (15% vs 10%) (p = 0,06)

 
Wir sollten nicht bei allen Patienten Testosteronspiegel messen, sondern statt dessen auf die Symptome achten. Dr. Timothy D. Gilligan
 

Diese Befunde unterstrichen, dass Ärzte bei Patienten, die ein Hodenkarzinom durchgemacht haben, sorgfältig auf Symptome eines Hypogonadismus achten müssen, waren sich die Experten einig.



REFERENZEN:

1. ASCO Annual Meeting 2017, Chicago, 2. bis 6. Juni 2017

Kommentar

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