Freiburg – Der 120. Deutsche Ärztetag will die Reform der Musterweiterbildungsordnung (Muster WBO) an Haupt und Gliedern: Wo Facharzt draufsteht, soll künftig auch wirklich Facharzt drin sein. So soll die gängige Praxis, jungen Ärzten Weiterbildungsinhalte zu attestieren, die sie nie erlernt haben, der Vergangenheit angehören. Alle Weiterbildungsinhalte werden in der neuen WBO in Kompetenzclustern zusammengefasst und erbrachte Leistungen sollen von den angehenden Fachärzten in einem elektronischen Logbuch dokumentiert werden. Auch die Rolle des Weiterbilders wird neu definiert.
Konkret wurde dem Ärztetag der rund 1.000 Seiten starke Abschnitt B der Weiterbildungsordnung vorgelegt [1]. Erstellt wurde er von der von Bundesärztekammer und Landesärztekammern unter Beteiligung von Fachgesellschaften, Berufsverbänden und anderen ärztlichen Organisationen. Er verzeichnet 61 Facharzt- und Schwerpunktbezeichnungen. „Der Ärztetag stellte klar, dass er den Novellierungsprozess unterstützt und forderte alle Beteiligten auf, die Arbeiten zügig zum Abschluss zu bringen“, heißt es in einer Mitteilung der Bundärztekammer (BÄK) zum Thema.
Weiterbildungsinhalte attestiert, die nicht vermittelt wurden
Mit verschiedenen Maßnahmen will die neue Muster WBO einem alten Missstand abhelfen, unter dem fast alle Assistenzärzte in den Krankenhäusern immer noch leiden. „In der derzeitigen Weiterbildungssystematik werden im Schnitt mehr selbstständig durchgeführte Leistungen dokumentiert als tatsächlich durchgeführt worden sein können“, erklärte der Vorsitzende des Ausschusses für Weiterbildung, Dr. Franz Bartmann, der auf dem Ärztetag zum Stand der neuen Musterweiterbildungsordnung referierte, im Gespräch mit Medscape. „Das sind zum Teil medizinische Prozeduren oder Eingriffe, die in der Weiterbildung gar keine Rolle spielen, weil sie erst viel später in der Berufslaufbahn gemacht werden, wie z.B. chirurgische Eingriffe an der Bauchspeicheldrüse. Die Zahl der uns als Kammer bescheinigten Prozeduren übersteigt dabei deutlich die Zahlen, die Destatis jährlich veröffentlicht.“
Mit anderen Worten: Den jungen Ärzten wurden z.T. Weiterbildungsinhalte attestiert, die sie nie erlernt haben. Bartmann: „Es gibt ja Anästhesiestationen mit 120 Assistenten. Da fragt man sich: Wie werden die bei einer begrenzten Anzahl von Eingriffen eigentlich weitergebildet?“
Aber warum haben sich Weiterbildungsinhalte in die WBO verirrt, die da offenbar nichts zu suchen haben? „Grundkonflikt ist, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen auf die WBO zurückgreifen, wenn sie eine Abrechnung einem Fachgebiet zuordnen wollen“, erklärt Bartmann. „Natürlich wollen nun die Berufsverbände möglichst viele ihrer Leistungen in der WBO unterbringen – damit sie abgerechnet werden können.“ Das Ergebnis sei eine WBO die sich zum Teil mehr an den Abrechnungsbedürfnissen der Fachgesellschaften orientiere als an den Bildungsbedürfnissen der Weiterbildungsassistenten.
Kurz: Wo Facharzt draufsteht, ist nicht immer Facharzt drin. So haben z.B. die Kassenärztlichen Vereinigungen in Qualitätsvereinbarungen mit den Kassen Kriterien definiert, die trotz des Facharztzeugnisses eigene Prüfungen erfordern, um sicherzugehen, dass die eingebundenen Ärzte die vereinbarte Qualität tatsächlich erbringen können, berichtet Bartmann. „Das wollen wir ändern.“
Herzstück der WBO: Ein Logbuch
Künftig werde nicht mehr danach gefragt, wie oft und in welchem Zeitraum bestimmte Lerninhalte erworben wurden, hieß es auf dem Ärztetag. Sondern: Wie und in welcher Form werden Kenntnisse und Fertigkeiten erlernt? Alle Weiterbildungsinhalte werden dazu in der neuen Muster WBO zu so genannten Kompetenzclustern zusammengefasst. Dann wird entschieden, wie stark der Assistent diese Cluster theoretisch und praktisch durchdrungen haben muss. Muss er sie nur kennen oder muss er sie auch einordnen können? Muss er die praktischen Anteile unter Supervision praktisch erbringen können oder sie ganz alleine beherrschen können?
„Wir nehmen alles, was zu einem Gebiet gehört auf – aber in unterschiedlicher Abstufung“, sagt Bartmann. „Manches muss nicht gekonnt, aber gewusst werden. Nur solche Inhalte, die am Ende auch selbstständig und ohne Supervision beherrscht werden müssen, werden mit Richtzahlen versehen.“
Das Ganze wird in einem so genannten elektronischen Logbuch, dem zentralen Teil der neuen Muster WBO, festgehalten. Darin wird wie in einem Fahrtenbuch notiert, ob der Assistent die vorgeschriebenen Cluster wie gefordert verstanden, eingeordnet, unter Supervision vollzogen oder eigenständig erbracht hat. Die Assistenten selber werden das Logbuch führen, idealerweise bundesweit in ein und derselben Form.
Neue Regeln für Weiterbilder
Auch die Rolle des Weiterbilders wird neu definiert. Die Kammern werden die Assistenzärzte am Ende nicht mehr über Tage hinweg prüfen und im Übrigen darauf vertrauen, dass die vom Assistenten angegebenen Prozeduren auch tatsächlich vorgenommen wurden. Sondern nun übernimmt der Weiterbilder die Kontrolle. Mindestens einmal im Jahr muss er mit jedem seiner Assistenten ein Weiterbildungsgespräch führen und dies im Logbuch des Assistenten notieren.
Um überhaupt weiterbilden zu dürfen, muss er im Logbuch die Cluster angeben, die er weiterbilden kann. Die zuständige Kammer wird dies anhand der Abrechnungsdaten des Krankenhauses überprüfen, so Bartmann. Wenn die Daten nicht plausibel sind, erhält der Weiterbilder keine Zulassung. Außerdem muss er gewährleisten, dass sein Haus genug Kapazitäten hat, alle Assistenzärzte wie angegeben zu bedienen.
„Eine Weiterbildungsbestätigung soll so konsistent werden, dass man davon ausgehen kann: Der Facharzt kann es“, sagte Bartmann. Er geht von einer längeren Anlaufphase aus, bis es „vor Ort auch so geschieht, wie wir es möchten“.
Neben einem neuen „Gewusst wie“ strebt die neue WBO auch nach einer Reflexion des Rollenbildes Arzt. Anhand des „Canadian Medical Education Directives for Specialists (CanMEDS)“ sollen den jungen Ärzten auch Aspekte der ärztlichen Haltungen und Rollen nahegebracht werden: Ärzte als Kommunikatoren, Führungskräfte, Anwälte der Gesundheit oder Kollegen. Allerdings findet CanMEDS noch keinen Eingang in die neue WBO. Es fehlen für CanMEDS die Weiterbilder.
Das Gesamtpaket der Muster WBO soll auf dem Ärztetag 2018 in Erfurt verabschiedet werden.
REFERENZEN:
1. 120. Deutscher Ärztetag, 23. bis 26. Mai 2017, Freiburg
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Diesen Artikel so zitieren: Neue Muster-Weiterbildungsordnung auf den Weg gebracht: Elektronisches Logbuch, Kompetenzcluster und schärfere Kontrollen - Medscape - 7. Jun 2017.
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