Ärzteparlament ebnet den Weg zur neuen GOÄ

Christian Beneker

Interessenkonflikte

30. Mai 2017

Freiburg – Die Aufregung um die neue Gebührenordnung Ärzte (GOÄ) vom vergangenen Jahr hat sich weitgehend gelegt. Der aktuelle Ärztetag hat jetzt die Bundesärztekammer beauftragt, die lange geplante GOÄ-Novelle zu Ende zu bringen.

Vor einem Jahr lagen die Dinge noch anders. Auf dem Ärztetag 2016 hatte die GOÄ Novellierung Prof. Dr. Frank-Ulrich Montomery noch fast die Präsidentschaft der Bundesärztekammer (BÄK) gekostet. Eine Gruppe aus 15 Delegierten meuterte in Hamburg 2016 gegen den Chef, weil er die Verhandlungen über die neue Gebührenordnung nachlässig geführt habe. Der Sturz-Versuch scheiterte.

Ein Jahr später auf dem Ärztetag 2017 in Freiburg war die Rebellion vergessen und die Delegierten machten den Weg frei für die Fortsetzung der Verhandlungen. Denn der Weckruf vom Ärzetetag in Hamburg hat offenbar gefruchtet.

Seither sind insgesamt 130 ärztliche Berufsverbände und medizinisch-wissenschaftlliche Fachgesellschaften unter der Leitung der Bundesärztekammer in die Verhandlungen über Leistungsinhalte und Leistungsbewertungen einbezogen worden, wie Dr. Klaus Reinhardt, Vorsitzender des BÄK-Ausschusses „Gebührenordnung für Ärzte“, unterstrich. In den Gesprächen wurden rund 2.300 Änderungsvorschläge eingebracht. Etwa 3 Viertel von ihnen hat die PKV akzeptiert, wie es hieß.

 
Wir können jetzt mit gutem Gefühl und starker Legitimation auf die PKV zugehen. Dr. Klaus Reinhardt
 

Kammer, Verbände, PKV und Beihilfe sollen dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) einen abgestimmten Katalog aus Leistungen und Vergütungen vorlegen. Dieses Paket werde das Ministerium dann dem Bundestag zum Beschluss empfehlen.

Starke Legitimation

Das Ärzteparlament hat nun beschlossen, die Änderungsvorschläge zum Leistungsverzeichnis unter Beteiligung der Verbände mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV-Verband) und der Beihilfe abzustimmen.

Verbände und Fachgesellschaften sollen in den Bewertungsprozess eigebunden bleiben, wenn es zukünftig nach der Novellierung um die Weiterentwicklung der GOÄ gehen wird, so wollen es die Delegierten. „Die Bundesärztekammer soll sich im Rahmen der Fassung der Geschäftsordnung der Gemeinsamen Kommission zur Weiterentwicklung der GOÄ (GeKo) für ein Gastrecht der entsprechenden Verbände einsetzen“, so der Ärztetag.

„Wir können jetzt mit gutem Gefühl und starker Legitimation auf die PKV zugehen“, resümierte Reinhardt. Bevor das Werk an das Bundesgesundheitsministerium geht, sollen laut Ärzteparlament verschiedene Bedingungen erfüllt sein.

Die 12 Bedingungen des Ärzteparlaments:

  1. Art und Wert der Leistungen entsprechen den aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen und sind zwischen den ärztlichen Berufsverbänden und wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften, der Bundesärztekammer, dem PKV-Verband und der Beihilfe sowie dem BMG abgestimmt.

  2. Die Leistungen werden mit einem Einfachsatz bewertet. Er ist mit dem bisherigen durchschnittlichen Steigerungssatz vergleichbar. Zusatzaufwände, die sich aus der jeweiligen Leistung ergeben, den Umständen ihrer Erbringung oder aus patientenbezogenen Gründen, sind in entsprechenden leistungsbezogenen Erschwerniszuschlägen abgebildet, die den zeitlichen und qualitativen Aufwand berücksichtigen. Darüber hinausgehende besondere Erschwernisgründe, die zur Steigerung auf den zweifachen Gebührensatz berechtigen, werden in eine sogenannte Positivliste aufgenommen.

  3. Die sogenannte Negativliste, nach der für spezielle Behandlungsumstände eine Steigerung ausgeschlossen werden sollte, wird gestrichen.

  4. Die Leistungsbewertungen folgen einer betriebswirtschaftlichen Grundkalkulation. In nachvollziehbaren Simulationsrechnungen führen die Bewertungen zum erwarteten Preiseffekt der neuen GOÄ von mindestens 5,8% (+/- 0,6%) Ausgabensteigerung der PKV-Unternehmen und der Beihilfe je substitutiv Krankenversichertem in den ersten 3 Jahren nach dem Inkrafttreten der neuen GOÄ. Die betriebswirtschaftliche Grundkalkulation ermöglicht die Weiterentwicklung der GOÄ, besonders bei Aufnahme innovativer Leistungen.

  5. Leistungen der persönlichen ärztlichen Zuwendung und hausärztliche Leistungen werden durch zeitgestaffelte Gesprächsleistungen besser abgebildet und angemessen vergütet.

  6. Die Bildung von Analogziffern bei innovativen, nicht im Gebührenverzeichnis aufgenommenen Leistungen ist weiterhin möglich, ebenso die analoge Berechnung von Verlangensleistungen (Wunschleistungen).

  7. Individuelle Gesundheitsleistungen sind weiterhin nach der GOÄ berechnungsfähig – auch als analoge Leistungen.

  8. Die Gemeinsame Kommission (GeKo) soll dem Verordnungsgeber fortlaufend die Aufnahme neuer Behandlungs- und Diagnoseverfahren empfehlen. Damit ist eine kontinuierliche Weiterentwicklung der GOÄ entsprechend des medizinischen Fortschritts gewährleistet.

  9. Die Empfehlungen der GeKo haben einen rechtsprägenden Charakter. Sie sind also nicht rechtsverbindlich. Sie können nur einstimmig und damit nur mit Zustimmung der BÄK gefasst werden.

  10. In einer 3-jährigen Monitoringphase nach Inkrafttreten der neuen GOÄ wird die Ausgabenentwicklung von PKV und Beihilfe durch die GeKo mit Hilfe einer von ihr beauftragten Datenstelle analysiert. Im Rahmen des Monitorings erfolgt die Analyse der angestrebten GOÄ-basierten Ausgabensteigerung von PKV und Beihilfe. Diese Analysen  basieren auf Daten der sogenannten Kopfschadenstatistik, die aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen von den PKV-Unternehmen und der Beihilfe an die Bundesanstalt für die Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gemeldet werden. Leistungen auf Verlangen (Wunschleistungen) – mit "V" zu kennzeichnen – und alle sonstigen Leistungen anderer Kostenträger sind kein Bestandteil der Datenerhebung der Datenstelle. Sie sind für Kostenentwicklungen grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, auch nicht im Rahmen der Monitoringphase von 3 Jahren.

  11. Die Bundesärztekammer darf eigene Daten an die Datenstelle senden. Bei Überschreiten oder unterschreiten der Grenzen des erwarteten Preiseffektes der neuen GOÄ berät die GeKo die Ursachen. Automatische Anpassungselemente der GOÄ bei Verfehlen des Preiseffektes nach oben oder unten sind aber nicht vorgesehen. Ausgabenentwicklungen, die aufgrund von Morbidität, Alter, innovativer oder neuer Leistungen, Epidemien, Veränderung der Anzahl der Versicherten oder der Anzahl der Ärzte entstanden sind, sind mit Hilfe der von der GeKo beauftragten Datenstelle in geeigneten rechnerischen Verfahren vom Preiseffekt zu differenzieren und nicht Gegenstand möglicher Empfehlungen der GeKo zur Weiterentwicklung der GOÄ. Die Analyse der Kopfschadenstatistik von PKV und Beihilfe beschränkt sich ausschließlich auf den Zeitraum der dreijährigen Einführungsphase.

  12. Die Bundesärztekammer wird die so beschriebene Neuordnung der GOÄ nur dann beim BMG als konsentiert einbringen, wenn von einer neuen Bundesregierung in der nächsten Legislaturperiode des Bundestages keine weiteren grundlegenden ordnungspolitischen Beeinträchtigungen in der privatärztlichen Versorgung vorgesehen sind. Das gilt insbesondere für den Fall, dass eine GOÄ unabhängige Einheitsgebührenordnung geplant wird.

Reinhardt betonte, welch große Chance darin liege, der Politik eine auch von Ärzten abgestimmte neue GOÄ vorlegen zu können. „Das Angebot für den Entwurf ist eine echte Chance. Nach mehr als 30 Jahren bietet sich die Möglichkeit für eine Gesamtrevision der GOÄ. Und das auf Grundlage eines von der Ärzteschaft maßgeblich mitgestalteten Reformkonzepts. Diese Chance sollten wir nutzen.“

 
Nach mehr als 30 Jahren bietet sich die Möglichkeit für eine Gesamtrevision der GOÄ. Dr. Klaus Reinhardt
 

Bis August diesen Jahres will die ärztliche Seite alle Leistungen bepreist haben. Dann wird mit der PKV vehandelt. Ende des Jahres 2017 soll der gemeinsame Entwurf vorliegen. „Ambitioniert“, nannte Reinhardt diesen Fahrplan.



REFERENZEN:

1. 120. Deutscher Ärztetag, 23.-26. Mai 2017, Freiburg

Kommentar

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