Mit rund 5.000 Teilnehmern ist ViDA eine der größten randomisierten Studien, die den Effekt von Vitamin D auf Frakturen und Stürze untersucht – allerdings nur in 2. Linie. Primär war diese doppelt verblindete und Placebo-kontrollierte Studie darauf ausgerichtet, die Wirkung von hochdosiertem Vitamin D auf kardiovaskuläre Erkrankungen zu testen – und brachte dabei (wie berichtet) nichts. Die Resultate des sekundären Endpunkts präsentieren die Autoren um Prof. Dr. Kay-Tee Khaw, Klinische Gerontologin am Department of Public Health and Primary Care der Universität Cambridge, England, nun in The Lancet Diabetes & Endocrinology [1]: Auch auf das Fraktur- und das Sturzrisiko wirkte sich die Supplementierung von hochdosiertem Vitamin D nicht positiv aus.

Prof. Dr. Andreas Kurth
„Ich weiß nicht recht, was ich von dieser Studie halten soll. Sie scheint gut gemacht, ist prospektiv und randomisiert, und sie hat eine hohe Anzahl an Teilnehmern. Trotzdem wundert es mich nicht, dass in punkto Frakturen und Stürze keine Unterschiede zwischen der Placebo- und der Verumgruppe gefunden wurden. Man hätte vermutlich die vier- bis fünffache Zahl an Probanden gebraucht, um statistische Unterschiede zu belegen“, sagt Prof. Dr. Andreas Kurth, erster Vorsitzender des Wissenschaftlichen Dachverbands Osteologie und Chefarzt der Fachabteilung für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin in der Asklepios Klinik Birkenwerder.
Auch Prof. em. Dr. Roger Bouillon von der katholischen Universität Leuven, Belgien, kommt zum Schluss: „Die Ergebnisse der ViDA Studie lassen uns mit vielen Fragen zurück.“ Bouillon hat die Studie in The Lancet Diabetes & Endocrinology kommentiert [2].
Patienten, die „im täglichen Leben“ standen
Aufgenommen wurden Personen zwischen 50 und 84 Jahren, die in der Region von Auckland, Neuseeland, zu Hause waren und bei denen keine medizinischen Gründe – wie etwa Nephrolithiasis – gegen die Einnahme von hochdosiertem Cholecalciferol sprachen.
Von 47.905 Personen, die zur Teilnahme eingeladen wurden, konnten 5.110 randomisiert werden. Ihr Ausgangswert von 25-Hydroxy-Vitamin D (25-OH-Vitamin D) war mit rund 64 nmol/l im Normalbereich – und höher als in anderen Studien, was mögliche Effekt abgeschwächt haben könnte.
Im Hinblick auf Alter, körperliche Aktivität, Schulbildung und weitere Faktoren waren die Teilnehmer der Verum- und der Placebogruppe sehr ähnlich. „Wenn man sich die beiden Gruppen anschaut, sind sie sehr gut verteilt. Was mich allerdings überrascht hat, war die hohe Zahl an Frakturen vor Beginn der Studie“, so Kurth. 46% in der Verumgruppe hatten vor der Studienteilnahme schon einen Knochenbruch, 47% waren es in der Kontrollgruppe.
„Wahrscheinlich bringen so hohe Dosen nichts“
Zu Beginn erhielten die Teilnehmer der Verumgruppe (n = 2.558) eine Startdosis von 200.000 IU (5 mg) Cholecalciferol, danach per Post Kapseln mit je 100.000 IU, zunächst in monatlichem Abstand, später alle 4 Monate plus ein monatliches Erinnerungsschreiben, das Supplement einzunehmen. Mit den identischen Placebo-Kapseln wurde in der Kontrollgruppe (n = 2.552) genauso verfahren.
„Wahrscheinlich bringen so hohe Dosen nichts. Ich halte die tägliche Einnahme für besser, um einen hohen Vitamin-D-Spiegel aufrechtzuerhalten”, meint Kurth. Er weist darauf hin, dass die Werte normalerweise stark schwanken. „In einer eigenen Studie haben wir das ein Jahr lang bei allen Patienten gemessen und auch mit den Wetterdaten abgeglichen. Wenn die Sonne rauskommt, geht 24 bis 48 Stunden später der Vitamin-D-Spiegel hoch.”
Die Dosis wurde in der ViDA-Studie deshalb so gewählt, weil sich laut den Autoren damit mindestens einen Monat lang ein Serumspiegel von 25-OH-Vitamin D über 90 nmol/l aufrechterhalten lässt. Tatsächlich stieg der Wert von 25-OH-Vitamin D bei den Probanden im Durchschnitt auf 120 nmol/l.
Studie hatte zu wenig Power
Die durchschnittlich 66 Jahre alten Teilnehmer nahmen das Supplement rund 3,4 Jahre mit hoher Therapietreue. Um sich der Compliance zu vergewissern, wählten die Studienautoren zufällig 515 Probanden aus und baten sie zur Laboranalyse, 441 folgten der Einladung.
Stürze und Frakturen erfassten die Wissenschaftler einerseits mit Fragebögen, andererseits über die nationale neuseeländische Unfallversicherung und über die individuelle Gesundheitsnummer jedes Einwohners, die mit den Krankenhausentlassungen abgeglichen wurde. Maßgebend waren die nicht-vertebralen Frakturen.
Weder in Bezug auf die Knochenbrüche (Verum 6%, Placebo 5%), noch bei den Stürzen (52% vs 53%) oder der Anzahl Todesfälle (n = 65 vs 58) fanden sich jedoch signifikante Unterschiede. Frühere Studien hatten bei hochdosierter Vitamin-D-Supplementation teils erhöhte Sturzrisiken gefunden, teils verringerte. „Die Gründe für Stürze sind vielschichtig. Da spielt nicht nur das Vitamin D hinein, sondern auch viele andere Faktoren”, sagt Kurth. Einschränkend ist außerdem zu sagen, dass die Studie bezüglich der Frakturen deutlich underpowered war, weil sich mit 156 Knochenbrüchen in der Verumgruppe viel weniger Frakturen ereigneten als die a priori erwarteten 430.
Auch bei den Subgruppenanalysen (z.B. Stürze oder Brüche bei den Probanden mit tiefen Ausgangswerten von 25-OH-Vitamin D) waren die Resultate in der ViDA-Studie in beiden Gruppen weitgehend identisch. Fälle von Hyperkalziämien wurden nicht entdeckt.
REFERENZEN:
1. Khaw KT, et al: Lancet Diabetes Endocrinol (online) 28. April 2017
2. Bouillon R: Lancet Diabetes Endocrinol (online) 28. April 2017
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Diesen Artikel so zitieren: ViDa-Studie: Hochdosiertes Vitamin D schützt weder vor Knochenbrüchen noch vor Stürzen - Medscape - 30. Mai 2017.
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