Eröffnung des Deutschen Ärztetages: Scharfe Kritik an SPD-Bürgerversicherung – und was sonst noch wichtig ist und wird

Christian Beneker

Interessenkonflikte

24. Mai 2017

Freiburg – Gerechtigkeit im Gesundheitswesen – ja, wenn klar sei, worin diese bestehe und wer sie bezahlen soll, sagte Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer zur Eröffnung des 120. Ärztetages, in Bezug auf die SPD-Pläne zur Bürgerversicherung. Er sehe kein Gerechtigkeitsdefizit, „das den kompletten Umbau der Krankenversicherung von einem funktionierenden System hin zu einer Einheitsversicherung rechtfertigt“, so Montgomery [1].

Das Deutsche Gesundheitssystem sei gerecht, weil es für alle eine niedrige Zugangsschwelle biete und auch deshalb das weltweit beste Gesundheitssystem sei. Wer wegen des vermeintlich ungerechten Gesundheitssystems eine Bürgerversicherung fordere, habe Gerechtigkeit nicht verstanden.

Das Ende der Trennung von GKV und PKV würde einen zusätzlichen Markt für zusätzliche Gesundheitsdienstleistungen fördern, der all das abdecken muss, was eine neue Einheitsversicherung nicht mehr bezahle. Das schließe neue Zusatzversicherungen ein, die sich schließlich nur die Wohlhabenderen leisten könnten. Und das sei ungerecht, so Montgomery wenige Monate vor der Wahl zu den SPD-Plänen einer Bürgerversicherung.

„Die Bürgerversicherung ist der Turbolader einer echten Zwei-Klassen-Medizin. Sie fördert Ungerechtigkeit, statt ihr vorzubeugen“, ergänzt der BÄK-Präsident. Statt eines neuen Finanzierungssystems forderte der Vorstand der Bundesärztekammer in seinem Entschließungsantrag nach der Diskussion im 1. Plenum des Ärztetages, das duale System aus privater und gesetzlicher Krankenversicherung zu erhalten und zu stärken.

 
Die Bürgerversicherung ist der Turbolader einer echten Zwei-Klassen-Medizin. Sie fördert Ungerechtigkeit, statt ihr vorzubeugen. Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery
 

Mit seiner klaren Position zur Bürgerversicherung dürfte sich der BÄK-Präsident kaum Feinde unter den Ärzten machen, auch wenn es in der ersten Diskussionsrunde verschiedentlich Zustimmung für eine Zusammenlegung von GKV und PKV gab. Überhaupt zeichneten sich am ersten Tag kaum interne Streitereien ab.

Der Masterplan 2020 reicht nicht

Montgomery erinnerte in seiner Eröffnungsrede an die Wahlprüfsteine der Bundesärztekammer, da auch Gesundheitsminister Hermann Gröhe im Auditorium saß. So forderte er unter anderem eine schnelle Umsetzung des Masterplans Medizinstudium 2020. Im Plenum am Nachmittag kritisierte Dr. Johannes Albert Gehle, Betreuendes Vorstandsmitglied der Ärztekammer Westfalen-Lippe, dass der Plan unzureichend sein. Denn er sehe kein Aufstocken der Medizinstudienplätze vor. „Der Masterplan 2020 reicht nicht“, so Gehle. In den Krankenhäusern arbeite man bereits mit Kollegen aus vielen Ländern, weil hierzulande die Ärzte fehlten. „Aber unsere jungen Leute finden keine Studienplätze der Medizin.“

Bei den Krankenhausinvestitionen will Montgomery künftig die Länder in die Pflicht nehmen. Bundesweit belaufe sich der Investitionsstau auf 27 bis 30 Milliarden Euro. Montgomery sprach sich wegen des wachsenden Behandlungsbedarfs in den Krankenhäusern auch bei Ärzten für eine verbindliche Personal-Untergrenze aus. Die Bundesregierung plant eine entsprechende Regelung bereits für die Pflege. Das Gremium nahm einen Entschließungsantrag an.

Runder Tisch für die Notfall-Ambulanzen

Besorgt zeigte sich der BÄK-Präsident über die Situation in den Notfall-Ambulanzen der Krankenhäuser: In den vergangenen Jahren habe sich die Patientenzahl auf rund 25 Millionen verdoppelt. Längst nicht alle dieser Patienten seien Notfallpatienten. Montgomery bot an, einen runden Tisch zu initiieren, an dem Ärzte, Kostenträger und Krankenhausgesellschaft sektorübergreifende Lösungen erarbeiten.

 
Der Masterplan 2020 reicht nicht. Dr. Johannes Albert Gehle
 

Ob auch Patienten, die keine Notfälle sind, für ihre Versorgung in der Notfall-Ambulanz zahlen sollten, war im Plenum umstritten. „Die Steuerung geht in Deutschland nur über den Geldbeutel“, hieß es im Plenum. Aber auch: „Wir dürfen die Patienten zu nichts zwingen, sondern wir sollten ihnen Angebote machen.“ Das Gremium nahm schließlich einen Entschließungsantrag an, der ein integriertes Konzept für die strukturierte Inanspruchnahme der Notfallversorgung fordert.

Schließlich betonte Montgomery, was auch Bundesgesundheitsminister Gröhe in seiner Rede bei der Eröffnung des Ärztetages gesagt hatte. „Wir wollen eine moderne und transparente GOÄ.“ Sie müsse die Patienten vor finanzieller Überforderung schützen und die Ärzte vor einem „ruinösen Unterbietungswettbewerb“, so Montgomery. Nun müsse die künftige Bundesregierung auch die fast fertige, neue GOÄ beschließen.

Noch bis Freitag beraten die 250 Delegierten des Ärztetages gesundheits-, berufs- und sozialpolitische Themen. Wichtiges Thema wird neben der Neuordnung der GOÄ und der neuen Weiterbildungsordnung vor allem die Digitalisierung der Medizin sein. Buchautor und Journalist Sascha Lobo und die Medizinethikerin Prof. Dr. Christiane Woopen werden über Chancen und Risiken der Digitalisierung im Gesundheitswesen sprechen.

REFERENZEN:

1. 120. Deutscher Ärztetag 2017, 23. bis 26. Mai 2017, Freiburg

Kommentar

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