
Ulrich Weigeldt
Berlin – Es soll einfacher werden für Hausärzte in Deutschland und zwar schon bald. Noch in diesem Jahr wird Geniocare starten: eine webbasierte Applikation, die die Erfassung und Abrechnung von Vollversorgungsverträgen zur Hausarzt-zentrierten Versorgung anbietet. KV-Abrechnungen können über die Applikation dagegen nicht gemacht werden. Geniocare soll im Laufe des 3. Quartals 2017 zur Verfügung stehen. Enthalten sind auch ein Medikationsmanagement inklusive bundeseinheitlichem Medikationsplan und automatisierte Updates.
Deutlich einfacher und zeitsparender als bisherige Systeme wird die Anwendung sein, das versprach Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, bei der Vorstellung der Applikation in Berlin [1]. „Der Vorteil ist, dass Hausärzte, die ihren Patienten die Hausarzt-zentrierte Versorgung anbieten, leichter diese Verträge umsetzen können“, beschrieb er die Vorteile im Gespräch mit Medscape. Die KV-Abrechnung müsse allerdings parallel über die bisherige Praxissoftware erfolgen.
Auch für mobile Dateneingabe geeignet
Die Applikation Geniocare ist webbasiert und läuft über alle Browser. Das hat Vorteile: Zum einen brauchen Hausärzte keine zusätzliche Hardware, um Geniocare zu nutzen. Außerdem können sie die Applikation nicht nur in ihrer Praxis, sondern auch beim Hausbesuch, mit ihrem Tablet-PC oder Smartphone nutzen. Damit sind sie mobil und unabhängig.
Selbst wenn zeitweise kein Internet verfügbar ist, ist es möglich, die Daten einzugeben – sobald wieder eine Internetverbindung besteht, erfolgt dann automatisch eine Synchronisation, d.h. die neuen Daten werden eingepflegt.
Webbasiert – aber auch sicher?
Befürchtungen, dass das webbasierte System nicht sicher ist, seien unnötig, beruhigt Weigeldt: „Ich bin überzeugt, dass es derzeit das sicherste System ist, was wir im ambulanten medizinischen Bereich haben.“ Details zu den Sicherheitsvorkehrungen erläuterte Dr. Lutz Kleinholz, Geschäftsführer der egopulse Deutschland GmbH, die die Applikation in enger Kooperation mit dem Deutschen Hausärzteverband e.V. und seinen Landesverbänden entwickelt hat: „Die Anmeldung bei Geniocare erfolgt mittels Zwei-Faktor-Authentifizierung.“ Das heißt, um in das System zu gelangen, benötigt man 2 Komponenten – so wie man beim Geldabheben eine Karte und eine PIN besitzen muss. Dadurch erhöht sich die Sicherheit.
Zudem werden die Daten über eine verschlüsselte Verbindung an ein Rechenzentrum übertragen und auf den Servern verschlüsselt, gespeichert und automatisiert über Backups gesichert, beschrieb Kleinholz. Außerdem: „Unsere künftigen datenschutztechnischen Vorkehrungen und die datenschutzrechtliche Bewertung sind bereits auf die ab Frühjahr 2018 geltende Datenschutz-Grundverordnung der EU ausgerichtet.“
Entwicklung in Zusammenarbeit mit Hausärzten
Jens Wagenknecht, Hausarzt in Varel, war direkt in die Entwicklung von Geniocare eingebunden: Er erprobte die Applikation im Rahmen eines Testbetriebs in der Praxis und auch bei Hausbesuchen und meldete Änderungsbedarf an die technischen Entwickler. Ihn überzeugen vor allem 2 Eigenschaften der Applikation: „Zum einen verlangsame ich mit diesem System nicht mein Rechnersystem in der Praxis“, stellte er gegenüber Medscape fest. „Das ist eine Applikation, die immer schnell funktioniert und die ich beim Hausbesuch nutzen kann.“ Denn dadurch, dass die Applikation webbasiert ist, belasten auch die immer wieder notwendigen Updates nicht die Kapazität der Praxisrechners, wie es bei Software, die auf dem Rechner installiert ist, so oft der Fall ist. Geniocare kann sowohl mit einem Drucker als auch mit einem Kartenlesegerät verbunden werden.
Vor allem überzeugte Wagenknecht, dass er durch Geniocare mehr Zeit für seine Patienten hat. „Weil ich für die Dokumentation von Diagnosen, Ziffern und Formularen nicht mehr so viel Zeit brauche“, begründete Wagenknecht, der auch Mitglied im Bundesvorstand des Deutschen Hausärzteverbandes ist. „Wir haben unheimlich viele bürokratische Vorgänge in der Praxis, an denen wir uns die Finger wundarbeiten. Mit diesem System bin ich in der Lage, alles Notwendige schneller zu dokumentieren.“
Start ist noch in diesem Jahr
Geniocare soll im Laufe des 3. Quartals 2017 zur Verfügung stehen und monatlich 49 Euro zzgl. 19% MwSt. für die gesamte Praxis mit allen Betriebsstätten kosten. Es ist nach Angaben des Herstellers geeignet für alle Praxisformen und bietet Hausärzten eine Vergabe der Zugriffsrechte für das gesamte Praxisteam. Eine normale Internet-Verbindung ist für die Applikation ausreichend.
Alle Vollversorgungsverträge zur Hausarzt-zentrierten Versorgung sind verfügbar, ebenso wie ein Medikationsmanagement inklusive bundeseinheitlichem Medikationsplan. Alle Updates erfolgen automatisiert und kostenfrei.
Digitalisierung im Schneckentempo
Weigeldt verband die Präsentation der Applikation Geniocare mit einer deutlichen Kritik an der bisher schleppenden Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen: „Wir werden bei der Digitalisierung von Schnecken überholt“, sagte er. Als Beispiel führte er an, dass die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte gematik noch immer keine Telematik-Infrastruktur zur Verfügung gestellt habe.
Das Konzept, Daten auf einer Karte zu speichern, sei inzwischen überholt. „Die Gesundheitskarte ist eher eine Technologie von gestern“, kritisierte Weigeldt. „Man wird immer sein Handy dabei haben, aber nicht immer die Gesundheitskarte.“ Deswegen sei es sinnvoller, auf eine Technologie zu setzen, die das, was man benötigt, ständig verfügbar macht. Auch die Umsetzung der Videosprechstunde sei mit zu vielen Regelungen und Vorgaben verbunden. „Deswegen haben wir uns entschlossen, selbst aktiv zu werden“, begründet er die Entwicklung der Applikation Geniocare ohne Einbezug der Selbstverwaltung.
REFERENZEN:
1. Pressegespräch des Deutschen Hausärzteverbandes: „Digitalisierung in der Hausarztpraxis“, 18. Mai 2017, Berlin
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Hausbesuch mit Smartphone: Webbasierte Applikation soll Hausarzt-zentrierte Versorgung einfacher machen - Medscape - 24. Mai 2017.
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