Der Marburger Bund fordert auch bei Ärzten an Kliniken Personal-Untergrenzen. Das geht aus einer Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur „Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten“ hervor [1].
Ziel der Bundesregierung ist es, mit diesem Gesetz in Deutschland den Schutz vor übertragbaren Krankheiten zu verbessern. Sie plant, die Meldepflicht für Krankenhausinfektionen zu erweitern. Künftig muss bereits die Besiedlung der Haut mit Erregern nosokomialer Infektionen weitergegeben werden. Außerdem sieht der Entwurf vor, das Meldewesen zu digitalisieren. Personal-Untergrenzen in pflegesensitiven Krankenhausbereichen wurden bereits am 24. April in das laufende Gesetzgebungsverfahren eingebracht.
Die Regierung plant allerdings verpflichtende Regelungen derzeit nur für Pflegekräfte. Zahlen oder Kostenschätzungen gibt es noch nicht. „Wir werden die Selbstverwaltungspartner beauftragen, im Rahmen eines Jahres die Bereiche im Krankenhaus, die besonders pflegesensitiv sind, zu differenzieren und dafür Mindest-Personalvorgaben zu erarbeiten“, wird Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) im Deutschen Ärzteblatt zitiert.
Kliniken nicht freie Hand lassen

Florian Lanz
„Es gibt besonders sensible Bereiche, bei denen man den Kliniken nicht mehr freie Hand lassen darf“, so Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, zu Medscape. „Beispielsweise sollte keine Krankenschwester den Nachtdienst alleine machen müssen. Die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt die Krankenhäuser gut für ihre Leistungen – diese müssen im Gegenzug auch dafür sorgen, dass genug Pflege beim Patienten ankommt.“
„Der Personaleinsatz in den Krankenhäusern muss aber in der Verantwortung der Krankenhäuser bleiben“, relativiert Georg Baum gegenüber Medscape. Er ist Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). „Die Krankenhäuser brauchen dafür flexible Rahmenbedingungen, denn der Personalbedarf ist nicht schematisch festlegbar und von vielen Fakten abhängig.“
Als Kriterien nennt Baum die Schwere und Art der Erkrankungen sowie das Alter von Patienten und die prozentuale Verteilung verschiedener Berufsgruppen. Bauliche Voraussetzungen kommen noch hinzu. So werden Krankenhäuser mit vielen Gebäuden auf einem Campus andere Bedürfnisse haben als Häuser mit einem großen Zentralgebäude.
Bei Untergrenzen brauche es Ausnahmeregelungen, um Sondersituationen wie Ausfall durch Krankheiten und vorübergehende Vakanzen berücksichtigen zu können. Baum weiter: „Von den Krankenhäusern darf nichts Unmögliches verlangt werden. Auf keinen Fall dürfen die Untergrenzen ohne Berücksichtigung von Gründen mit Sanktionen belegt werden.“
Ein nachhaltiger Personalaufbau erfordert Baum zufolge Gelder, um nicht nur den Personalbestand, sondern auch den Personal-Mehrbedarf gegen zu finanzieren. Baum: „Die DKG begrüßt, dass der Gesetzentwurf eine Finanzierungshilfe für die zusätzlichen einzustellenden Pflegekräfte zur Erfüllung der Untergrenzen vorsieht. Weiterhin nicht gewährleistet ist die vollständige Ausfinanzierung der tarifbedingten Kosten der Krankenhäuser.“
Arbeitsplätze attraktiver machen
Es geht aber nicht nur um finanzielle Mittel. Eine Sprecherin der DKG rechnet auf Anfrage von Medscape mit 6.000 bis 10.000 neu zu besetzenden Stellen allein in der Pflege. Sie sieht fehlendes qualifiziertes Personal als größte Herausforderung.
Experten erklären die mangelnde Attraktivität von Pflegeberufen nicht nur mit dem Verdienst, sondern mit der hohen Belastung. Sie berufen sich auf eine internationale Studie aus dem Jahr 2012. Prof. Dr. Linda H. Aiken von der University of Pennsylvania School of Nursing, Philadelphia, hat damals zusammen mit Kollegen 61.168 Pflegekräfte und 131.318 Patienten in mehr als 1.000 Kliniken in Europa und den USA befragt. Von Region zu Region und Land zu Land zeigten sich erhebliche Unterschiede: In Deutschland betreut eine Pflegefachkraft durchschnittlich 13 Patienten, in den USA 5,3, in den Niederlanden 7, in Schweden 7,7 und in der Schweiz 7,9.
Aufgrund ihrer Belastung gaben in den Niederlanden 19% an, sich nach neuen Jobs umzusehen. In Deutschland waren es 36% und in Griechenland 49%. Als ausgebrannt bezeichneten sich 10% in den Niederlanden, 30% in Deutschland und 78% in Griechenland. Gleichzeitig gab es eine Assoziation zwischen Personalschlüsseln und der subjektiven Zufriedenheit von Patienten.
„Eine ausreichende Qualität medizinischer und pflegerischer Leistungen kann nur mit einer ausreichenden Personalausstattung einhergehen“, schreibt der Marburger Bund in einer Meldung. „Wir begrüßen daher, dass mit dem Änderungsantrag die Personalsituation in einigen wesentlichen Teilbereichen der Pflege verbessert werden soll. Dies ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, dem weitere Schritte folgen müssen, um auch die Personalausstattung des ärztlichen Dienstes in den somatischen Krankenhäusern zu verbessern.“
Fehlanreize durch Fallpauschalen
Im Mittelpunkt der Kritik stehen diagnosebezogene Fallpauschalen (DRG) zur Abrechnung von Krankenhausleistungen. Hier spricht der Marburger Bund von „betriebswirtschaftlichen Anreizen zur weiteren Leistungsverdichtung auf Kosten des Krankenhauspersonals“.
Betroffen sind nicht nur Pflegekräfte, sondern auch Ärzte, wie eine Umfrage zeigt. Das Institut für Qualitätsmessung und Evaluation (IQME) hat bundesweit rund 4.000 angestellte Ärzte unterschiedlicher Krankenhausträger interviewt:
59% der befragten Ärzte gaben an, häufig psychisch belastet zu sein.
69% kritisierten, zu wenig Zeit für Patienten zu haben.
Und 72% der Ärzte berichteten sogar von gesundheitlichen Folgen wie Schlafstörungen oder ständiger Müdigkeit.
Ähnliche Fakten kommen aus den USA. 83% der Ärzte arbeiten, falls sie krank werden, weiter. Zu diesem Ergebnis kamen Dr. Julia E. Szymczak vom Children’s Hospital of Philadelphia, und ihre Kollegen. Diese Belastung rächt sich früher oder später. Kein Wunder, dass Ärzte häufiger unter Burnout leiden als die Normalbevölkerung.

Rudolf Henke
„Die Stellenpläne im ärztlichen Dienst sind vielfach auf Kante genäht, mehrere Tausend Arztstellen unbesetzt“, so Rudolf Henke, Vorsitzender des Marburger Bundes, in einer Meldung. „Politik und Krankenhäuser dürfen sich nicht länger wegducken und die Unterbesetzung im ärztlichen Dienst ignorieren.“
REFERENZEN:
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Krankenhaus-Personal: Untergrenzen für Pflegekräfte in Planung – Marburger Bund will auch für Ärzte verbindliche Zahlen - Medscape - 23. Mai 2017.
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