Mannheim – Bei Nephropathie ist die Hypertonie-Behandlung eine wichtige Säule. Aber: „Nur die Hälfte der Patienten mit Stadium 4 sind zufriedenstellend eingestellt“, monierte Prof. Dr. Joachim Hoyer auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM). Der Direktor der Klinik für Innere Medizin, Schwerpunkt Nephrologie an der Universität Marburg gab Tipps, wie dies besser gelingen kann [1].
„Je schwerer eine chronische Nierenerkrankung ist, desto häufiger liegt auch ein Bluthochdruck vor“, formulierte er eine grobe Faustregel:
Im Stadium 2 der chronischen Nierenerkrankung (CKD) haben 38% der Patienten Bluthochdruck,
bei einer CKD 3a sind es bereits 56%,
bei einer CKD 3b 75%
und bei einer CKD des Stadiums 4 sogar 79%.
Erste Wahl: ACE-Hemmer oder AT-Blocker
„Sobald die Niere krank wird, versucht sie sich über eine Erhöhung des Blutdrucks zu kurieren“, erläuterte der Experte. Gegen die ausgeprägte Überstimulation der vasopressorischen Systeme sind ACE-Hemmer oder AT1-Blocker 1. Wahl: „Das Risiko für eine Verdopplung des Kreatinins und das Risiko, dialysepflichtig zu werden, wird durch ACE-Hemmer bzw. AT1-Blocker deutlich gesenkt“, betonte er. Diese Wirkstoffe beeinflussen auch die Proteinurie günstig. Speziell bei der diabetischen Nephropathie ist die RAS-Blockade 1. Wahl.
Die Doppelblockade mit ACE-Hemmer plus AT1-Blocker gilt jedoch bekanntlich im Allgemeinen als obsolet. „Eine Doppelblockade ist eine rein nephrologische Spezialintervention bei schwierigen proteinurischen Patienten.“
Generell gilt für die RAS-Blocker laut Hoyer: Mit niedriger Dosis starten – sie sollte zwischen 15 bis 25% der Maximaldosis liegen. Bei akutem Nierenversagen rät er zur Dosisreduktion: „Absetzen sollten Sie nicht. Nach dem Absetzen ist das Aufbauen schwierig, deshalb ist es besser, eine möglichst niedrige Dosis beizubehalten.“
ACE-Hemmer/AT1-Blocker bei Nephropathie auf einen Blick
|
Thiazide: Hilfreich, doch noch zu selten eingesetzt
ACE-Hemmer oder AT1-Blocker allein reichen jedoch oft nicht: Über 80% der CKD-Patienten brauchen eine Mehrfachtherapie. Und weil fast jeder CKD-Patient eine Volumenüberladung hat, kommen die Thiazid-Diuretika ins Spiel. Sie sind nach Hoyer die Kombination der Wahl mit ACE-Hemmern/AT1-Blockern zur kardiovaskulären Protektion und ermöglichen eine effektive Therapie.
Die Vorteile der Diuretika bei der Vermeidung der Herzinsuffizienz können dabei nach seiner Aussage eine eventuelle nachteilige Wirkung auf den Stoffwechsel mehr als ausgleichen. „Die Thiazide sind enorm hilfreich. Ich stelle kaum einen Hypertonie-Patienten ohne ein Diuretikum ein“, betonte Hoyer und fügte hinzu: „Speziell für Chlortalidon und Indapamid ist die Evidenz sehr gut, doch nur 3 Prozent aller Patienten werden damit auch therapiert.“
Bei der Behandlung von Senioren sollte man die Komedikation (Stichwort Multimedikation) im Auge behalten. Speziell bei älteren Patienten, die Antidepressiva erhalten, bestehe die Gefahr der Hyponatriämie. Eine Übertherapie kann sekundären Hyperaldosteronismus verursachen. Bei akutem Nierenversagen muss die Dosis reduziert werden. Das gilt auch vor der Gabe eines Kontrastmittels.
Diuretika bei Nephropathie auf einen Blick
|
Auch geeignet: Kombination mit einem Kalzium-Kanalblocker
Kalzium-Kanalblocker gleichen die Unterfunktion der vasodilatatorischen Systeme aus. Wirkstoffe wie Amlodipin lassen sich sehr gut mit ACE-Hemmern kombinieren. „Meine Empfehlung lautet zwar: RAS-Blocker plus Thiazid, Sie können stattdessen aber auch mit einem Kalzium-Kanalblocker kombinieren“, so Hoyer. Auch die mit der Kombination ACE-Hemmer plus Kalzium-Kanalblocker erreichte kardiovaskuläre und renale Protektion sei gut.
Bei Compliance-Problemen rät Hoyer neu zu dosieren und abzuwarten: „Jeder dritte Patient sagt, dass er die Kalzium-Kanalblocker nicht vertrage. Das mag schon sein, doch fast immer handelt es sich um Ödeme in den Beinen. Sind Ödeme vorhanden, muss herunterdosiert und neu aufgebaut werden. Denn wenn Sie eine Substanz verlieren, weil Sie sagen, der Patient verträgt das nicht, entsteht eine große Therapielücke. Sagt man dann noch, den Betablocker verträgt der Patient auch nicht, dann haben Sie von 4 Hauptsubstanzen zur Blutdrucksenkung nur noch 2 zur Verfügung.“
Kalzium-Kanalblocker auf einen Blick
|
Beta-Blocker bei kardiovaskulärer Komorbidität
Bei der Überregulation der vasopressorischen Systeme setzen auch die Beta-Blocker an. „Sie wirken gut, sie haben nur einen Nachteil: Bei der Schlaganfallprävention schneiden Beta-Blocker nicht so gut ab“, betonte Hoyer und gab deshalb folgende Regel vor: „Bei unkomplizierter Hypertonie sind Betablocker zur Primärtherapie nicht ratsam – und auch nicht als erster Kombinationspartner. Kommt eine kardiovaskuläre Komorbidität dazu, ist der Einsatz von Beta-Blockern sinnvoll – dies natürlich beim Vorhofflimmern zur Frequenzreduktion, bei Herzinsuffizienz und bei koronarer Herzerkrankung.“
Hoyer erinnerte daran, insbesondere bei der Gabe von Beta-Blockern auf die Compliance zu achten. „Einem Beta-Blocker ist gerade bei einem Patienten, der nicht compliant ist, ein Problem, denn der ist das schlechteste Präparat für ein on und off.“
Beta-Blocker auf einen Blick
|
Und wenn der Patient therapieresistent ist?
30% der Patienten mit Nephropathie und Bluthochdruck lassen sich allerdings mit den genannten Wirkstoffen nicht einstellen, so Hoyers Erfahrung. Dann bleibt nur, noch zusätzliche Mittel einzusetzen, etwa Aldosteron-Antagonisten. Mit Spironolacton wird eine recht effektive Blutdrucksenkung erreicht und auch die kardiovaskuläre und renale Protektion ist möglich.
Aldosteron-Antagonist auf einen Blick
|
Als Reserve-Antihypertensiva kommen schließlich noch die zentralen Sympathomimetika Clonidin und Moxonidin und die Vasodilatatoren Dihydralazin und Minoxidil infrage. Clonidin und Moxonidin zeigen zwar eine recht effektive Blutdruck-Senkung, aber ein ungünstiges Nebenwirkungsprofil. Der Vasodilatator Minoxidil senkt sehr effektiv den Blutdruck (Lonolox 2,5 bis 10 mg), gehört aber nach Ansicht von Hoyer „in die Hände von Hochdruckexperten“.
REFERENZEN:
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Nephropathie: Wie sich der Bluthochdruck senken und die Niere dabei schützen lässt - Medscape - 18. Mai 2017.
Kommentar