Colitis ulcerosa: Tofacitinib mit mehr Remissionen und Mukosa-Heilungen in Phase-3-Studie – bei bestimmten Patienten

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

18. Mai 2017

Prof. Dr. Jan Wehkamp

Für die Behandlung der Colitis ulcerosa könnte Ärzten mit Tofacitinib bald eine weitere Therapieoption zur Verfügung stehen. Der orale Januskinase-Inhibitor, der zur Therapie der rheumatoiden Arthritis bereits zugelassen ist, schnitt bei Remission und Abheilung der Mukosa in 3 Phase-3-Studien besser ab als Placebo. Nebenwirkungsfrei war die Tofacitinib-Gabe nicht. Vor allem Infektionen traten vermehrt auf. Hinzu kommt, dass sich das Small Molecule bei einer recht kleinen Anzahl von Patienten als wirksam erwies.

„Nur bei einem relativ geringen Teil an Patienten, der auf eine Induktionstherapie mit Tofacitinib ansprach, wurde die Erhaltungstherapie über ein ganzes Jahr erprobt“, erklärt Prof. Dr. Jan Wehkamp von der Abteilung Innere Medizin I – Hepatologie, Gastroenterologie, Infektiologie am Universitätsklinikum Tübingen. „Von diesen bereits durch die Induktionstherapie selektionierten Patienten erreichten nach einem Jahr wiederum nur einige unter Tofacitinib den primären Endpunkt Remission.“

Anhaltende Remission selten

Die Autoren um Dr. William J. Sandborn von der Abteilung für Gastroenterologie der Universität von Kalifornien in San Diego, USA, schlossen in ihre Studien Patienten ein, die trotz konventioneller Therapie oder Therapie mit einem TNF-Antagonisten weiter an moderat bis sehr aktiver Colitis ulcerosa litten. „Die derzeit verfügbaren Medikamente für moderate bis schwere Colitis ulcerosa führen in weniger als 30 Prozent der Zeit zu einer anhaltenden Remission. 20 bis 30 Prozent der Patienten mit Colitis ulcerosa brauchen letztlich eine Kolektomie, die mit eigenen Komplikationen und Folgeproblemen einhergeht“, schreibt Dr. Sonia Friedman, Brigham and Women’s Hospital, Zentrum für Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, Chestnut Hill, USA, in einem Editorial.

An der Studie OCTAVE Induction 1 nahmen 598 Patienten teil, in der Studie OCTAVE Induction 2 waren es 541 Patienten. Sie erhielten randomisiert über 8 Wochen entweder eine Induktionstherapie mit 10 mg Tofacitinib 2-mal täglich oder ein Placebo.

Nur bei einem relativ geringen Teil an Patienten, der auf eine Induktionstherapie mit Tofacitinib ansprach, wurde die Erhaltungstherapie über ein Jahr erprobt. Prof. Dr. Jan Wehkamp

Nach 8 Wochen Induktionstherapie befanden sich in der Tofacitinib-Gruppe 18,5% (OCTAVE Induction 1) bzw. 16,6% (OKTAVE Induction 2) der Patienten in Remission. In der Placebogruppe waren es in beiden Studien signifikant weniger Patienten: 8,2 bzw. 3,6%.

Auch die Schleimhaut profitiert

Ein weiterer wichtiger Endpunkt bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen ist das Abheilen der Schleimhaut. Auch hier schnitt Tofacitinib besser als Placebo ab. In OCTAVE Induction 1 kam es bei 15,7% mehr Patienten und in OCTAVE Induction 2 bei 16,8% mehr Patienten zur Abheilung der Darmschleimhaut – im Vergleich zu den jeweiligen Placebogruppen.

Nur Patienten, die auf die Induktionstherapie mit Tofacitinib angesprochen hatten, wurden in eine weitere Studie aufgenommen. In OCTAVE Sustain verglichen Sandborn und seine Kollegen die Therapie mit Tofacitinib (5 oder 10 mg täglich) über 52 Wochen gegen Placebo.

Nach 52 Wochen hatten 34,4% der Patienten, die mit 5 mg Tofacitinib behandelt worden waren, den primären Endpunkt Remission erreicht. In der 10 mg-Tofacitinib-Gruppe befanden sich 40,6% der Patienten in Remission, in der Placebogruppe 11,1%. Die Unterschiede zur Placebogruppe waren in beiden Tofacitinib-Gruppen signifikant.

Die derzeit verfügbaren Medikamente für moderate bis schwere Colitis ulcerosa führen in weniger als 30 Prozent der Zeit zu anhaltender Remission. Dr. Sonia Friedman

Auch auf die Mukosa-Heilung hatte Tofacitinib einen signifikanten Effekt: Zur Abheilung kam es in der Placebogruppe bei 13,1% der Patienten, unter Tofacitinib 5 mg waren es hingegen 37,4% und unter Tofacitinib 10 mg sogar 45,7%.

Nebenwirkung: Mehr Infektionen

„Der Nutzen der Therapie hatte aber seinen Preis“, kommentiert Friedman die Ergebnisse. In beiden Induktionstherapie-Studien lagen die Raten an Infektionen (23,3% bzw. 18,2% vs 15,6% bzw. 15,2% unter Placebo) und schweren Infektionen (1,3% bzw. 0,2% vs 0% bzw. 0% unter Placebo) über denen in der Placebogruppe.

In der Erhaltungstherapie-Studie OCTAVE Sustain waren die Raten an schweren Infektionen in allen 3 Gruppen gleich. Doch die Gesamtinfektionsraten (24,2% unter Placebo, 35,9% unter 5 mg Tofacitinib und 39,8% unter 10 mg Tofacitinib) sowie die Raten an Herpes-zoster-Infektionen (0,5% unter Placebo, 1,5% unter 5 mg Tofacitinib und 5,1% unter 10 mg Tofacitinib) waren in den Tofacitinib-Gruppen höher als in der Placebogruppe.

„Die Studien zeigen, dass die Therapie durchaus Nebenwirkungen aufweist, insbesondere die Infektionsraten sind unter Tofacitinib deutlich erhöht“, kommentiert Wehkamp. Wie das Nebenwirkungsprofil letztlich im Vergleich zu anderen Therapien chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen abschneiden werde, müssten weitere Studien zeigen.

Künftige Studien, insbesondere Postmarketing-Studien, werden ein besonderes Augenmerk auch auf Hautkrebserkrankungen und kardiovaskuläre Ereignisse legen. Denn: In den 3 OCTAVE-Studien erkrankten insgesamt 5 Patienten, die Tofacitinib erhielten, an Nicht-Melanom-Hautkrebs – in der Placebogruppe war es 1 Patient. Kardiovaskuläre Ereignisse traten unter Tofacitinib bei 5 Patienten auf, in der Placebogruppe war davon kein Patient betroffen. Im Vergleich zu Placebo war Tofacitinib außerdem mit erhöhten Lipidwerten assoziiert.

Die Studien zeigen, dass die Therapie Nebenwirkungen aufweist, besonders die Infektionsraten deutlich erhöht. Prof. Dr. Jan Wehkamp

„Aus diesen Daten lässt sich nicht kausal und endgültig ableiten, dass Tofacitinib mit einem erhöhten Risiko für Hautkrebs oder kardiovaskulären Ereignissen verbunden ist“, betont Wehkamp. „Aber es ist ein Sicherheitssignal, das weiter untersucht werden muss.“

Biomarker-Tests könnten Therapieerfolg erhöhen

„Ob Tofacitinib eine bahnbrechende neue Therapie für Patienten mit Colitis ulcerosa ist, könnten nur künftige Studien beantworten“, schreibt Friedman in ihrem Editorial. Bislang könne man nur sagen, dass Tofacitinib bei Patienten mit moderater bis schwerer Colitis ulcerosa eine effektivere Induktions- und Erhaltungstherapie darstellt als Placebo, betont Wehkamp.

Eine Erstlinientherapie sieht der Gastroenterologe in der Substanz eher nicht. Ihr Wert könnte aber gesteigert werden, wenn es gelänge, einen Biomarker-Test zu entwickeln, mit dem sich das Ansprechen der Patienten zuverlässig voraussagen lasse.

„Entsprechende Biomarker-Tests werden z.B. in der Krebsmedizin zunehmend eingesetzt und wir versuchen nun, solche Tests auch für die Behandlung chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen zu entwickeln“, so Wehkamp.

REFERENZEN:

1. Sandborn WJ, et al. N Engl J Med 2017;376:1723-36
http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1606910

2. Friedman S: NEJM 2017;376:1792-1793

Kommentar

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