Dr. Thomas Aßmann, Hausarzt aus Lindern bei Köln, hat anderthalb Jahre lang auf eigene Kosten speziell weitergebildete VERAHs mit einem Tablet PC und einem Rucksack unter anderem mit 3-Kanal-EKG und Pulsoximeter und Spirometer auf dem Rücken zu Hausbesuchen geschickt. Tele-VERAHs nennt er diese Medizinischen Fachangestellten auf Tour.
„Das Angebot wird sehr gut angenommen und hat sich bewährt“, sagt Aßmann zu Medscape. Er ist auch Geschäftsführer der TAG TeleArzt GmbH und testet das Projekt seit eineinhalb Jahren in seiner Praxis im Oberbergischen Kreis. Seit dem 1. Mai gibt es endlich Verträge mit 2 Betriebskrankenkassen.
Das „TeleArzt“ genannte Projekt startet gemeinsam mit GWQ ServicePlus AG in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Rheinland-Pfalz und Hessen. Die GWQ vertritt eine Reihe von Betriebskrankenkassen. Begleitet und unterstützt wird das Projekt vom Deutschen Hausärzteverband. Ziel der Tele-VERAHs sei es, „durch telemedizinische Lösungen, unter der Verantwortung der Hausärzte, die Qualität der Versorgung zu verbessern und gleichzeitig die Hausärzte zu entlasten“, so die Beteiligten.
Im TeleArzt-Rucksack transportieren die Tele-VERAHs das EKG, ein Pulsoximeter, Blutdruck- und Blutzuckermessgerät, eine Waage, ein Spirometer und einen Tablet-Computer. Das Projekt diene vor allem chronisch kranken Patienten in ihrem Zuhause, berichtet Aßmann.
Die Diagnosen-Liste umfasst unter anderem Herz-Kreislauf-Erkrankungen, COPD oder Schlaganfälle. „Überraschenderweise hilft das TeleArzt-Modell sogar psychisch erkrankten Menschen“, sagt Aßmann. „zum Beispiel Patienten mit Depressionen. Solche psychisch Kranke haben oft Scheu, in die Sprechstunde zu kommen. Auch fahren die Tele-VERAHs zu Patienten, die etwa wegen eine Schizophrenie sonst nur mit einer Begleitung in die Praxis kommen könnten. Das Programm dient eben allen, die aus irgendeinem Grund immobil sind.“
In der anderthalbjährigen Pilotphase waren Aßmanns Tele-VERAHs 5- bis 10- mal pro Woche unterwegs und haben auf ihren Touren jeweils 10 bis 20 Patienten versorgt.
Sicherer Datentransport
Wesentlich für das Gelingen sei es, dass die Praxis ihren Patienten zuhause nicht zumute, sich auf technische Einzelheiten einzulassen. „Besonders bei älteren Patienten ist das schwierig“, sagt Aßmann. „Die telemedizinischen Angebote sollen nichts daran ändern, dass die Patienten sich von ihrem Hausarzt weiter gut betreut finden. Es geht dabei darum, die bewährte hausärztliche Versorgung sinnvoll zu ergänzen.“
Allerdings: Der Arzt kann keine der eigenen Aufgaben an die Tele-VERAH abgeben. Sondern die VERAHs auf Hausbesuch erheben beim Patienten lediglich Vitaldaten, die dann verschlüsselt per Bluetooth über das Mobiltelefon direkt in die Praxis zum betreuenden Hausarzt gesendet werden. Dort werden sie entschlüsselt und gespeichert. Er hat den alleinigen Datenzugriff und die ihm vorliegenden Daten unterliegen, wie sämtliche Patientendaten, der ärztlichen Schweigepflicht. Die Verantwortung für sämtliche Maßnahmen liegt ausschließlich beim betreuenden Hausarzt, hieß es.
Die Firma Vitaphon kümmert sich als technischer Partner „neben der einfachen Anwendung auch um die Anforderungen von Medizinproduktegesetz, Datenschutzgesetz und weiteren deutschen und europäischen Normen und Gesetzen“, sagt Dr. Thomas Zenk, Geschäftsführer der vitaphone GmbH.
Bei Bedarf kann sich der Arzt per Telefon dazu schalten und über den Tablet-Computer mit dem Patienten sprechen. In absehbarer Zeit würden derartige Besuche wegen des sich anbahnenden Ärzte- und vor allem Hausärztemangels öfter in der Hausarztmedizin angewendet werden, meinen die Kooperationspartner.
Endlich Honorar
Seit dem 1. Mai können Hausärzte an dem Projekt teilnehmen. Voraussetzung ist, dass sie auch an dem Vertrag zur Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) mit der GWQ teilnehmen. Versicherte dagegen können sich unabhängig von einer Teilnahme am Hausarztvertrag ab 1. Juli 2017 in den Vertrag einschreiben. „Das muss so sein“, betont Aßmann, „weil wir mit den Kassen einen Vertrag nach § 140a SGB V der besonderen Versorgung abgeschlossen haben. Laut Bundesversicherungsamt muss dieser Vertrag für alle Versicherten offen sein.“
In den anderthalb Jahren der Pilotphase haben die Kooperationspartner unentgeltlich gearbeitet, so Aßmann. „Einer musste einfach anfangen und machen“, sagt er. Vitaphone hat die Telerucksäcke kostenlos gestellt, Aßmann hat die Ausbildung seiner VERAHs und die online Fortbildung zur Tele-VERAH selbst bezahlt.
Ärzte, die das System jetzt in ihrer Praxis adaptieren wollen, müssen zwar die Rucksäcke kaufen und ihre VERAHs entsprechend fortbilden. Nach dem Investment können sie aber mit gutem Honorar rechnen. „On Top!“, wie Aßmann betont. Die Kassen lassen sich den Service also etwas kosten – „auch weil damit Krankenhauseinweisungen verhindert werden können“, wie Aßmann betont. Das Honorar summiert sich auf 110 Euro pro Patient und Quartal plus Zuschlag ab dem 6. Besuch im Quartal und Präventionszuschlag.
Unterdessen plant Aßmann weiter. „In Zukunft wollen wir über den eingeschlagenen Weg auch Tele-Fallkonferenzen anbieten“, so Aßmann. Dann wären die VERAH (und damit der Patient), zum Beispiel ein Onkologe und der Hausarzt per Video-Schalte verbunden. „Keine Fahrerei mehr für die Ärzte und keine Wartezeiten für den Patienten.“
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Seit 1. Mai gibt es den „TeleArzt“: Mit Tablet PC und Telefon – Tele-VERAHs auf Hausbesuch - Medscape - 12. Mai 2017.
Kommentar