180-Grad-Wende: Neue Empfehlungen aus den USA sprechen sich für PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs aus

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

12. Mai 2017

Die U.S. Preventive Services Task Force (USPSTF) hat ihr  negatives Urteil über den PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs  revidiert. In einem Entwurf einer neuen Richtlinie empfiehlt sie nun, dass  „Ärzte die potenziellen Vor- und Nachteile einer Prostatakrebsfrüherkennung per  PSA-Test mit allen Männern im Alter von 55 bis 69 Jahren besprechen sollten.  Bei Männern ab 70 Jahren sollte dagegen keine routinemäßige PSA-Bestimmung  erfolgen.“

Die USPSTF ist ein unabhängiges Expertengremium in den  USA, das Empfehlungen zur Prävention von Krankheiten herausgibt. Der Entwurf  konnte bis 8. Mai 2017 kommentiert werden. Die endgültige Empfehlung erfolgt  nach sorgfältiger Berücksichtigung des Feedbacks [1].

„Der  PSA-Test hatte lange Zeit einen schlechten Ruf; die Auseinandersetzungen über  seinen Nutzen gingen vor allem auf die PLCO-Studie zurück. Sie zeigte im Hinblick auf die  prostatakrebsbedingte Mortalität keinen relevanten Unterschied zwischen Männern  mit und ohne Screening per PSA-Test“, erklärt Prof. Dr. Maurice Stephan Michel, Generalsekretär und Sprecher des  Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU), gegenüber Medscape.

           

Prof. Dr. Maurice Stephan Michel

           

Bislang hatte sich die USPSTF ausdrücklich gegen einen  routinemäßigen PSA-Test als Prostatakrebs-Früherkennungsuntersuchung ausgesprochen. Als Grund für die neuen Empfehlungen nennt das  Gremium neue Daten, die mit PSA-Bestimmung eine Abnahme von Mortalität und  Metastasierung bei Prostatakrebs zeigten.

Heimliche PSA-Tests

Der Meinungsänderung voraus gegangen war eine Neubewertung der PLCO-Studie im vergangenen Jahr. Nach der  Publikation stellte sich nämlich heraus, dass sich 90% der angeblich  Nicht-Getesteten doch heimlich hatten testen und wenn erforderlich auch  therapieren lassen. In der Studie wurden demnach 2 Gruppen verglichen, die fast  gleich häufig auf PSA getestet worden waren. „Es ist deshalb nicht  verwunderlich, dass zwischen den beiden Gruppen kein relevanter Unterschied  gefunden werden konnte“, so Michel.

Eine europäische Studie, die die  Effektivität des PSA-Tests beim Screening auf Prostatakrebs untersuchte, ist  die ERSPC-Studie. In dieser Untersuchung  wurde durch das PSA-Screening bei knapp 350 von 10.000 Männern ein  Prostatakarzinom entdeckt. Nach 13 Jahren konnte die Prostatakrebsmortalität  durch das PSA-Screening um etwa 20% gesenkt werden. 

 
Der PSA-Test hatte lange Zeit einen schlechten Ruf; die Auseinandersetzungen über seinen Nutzen gingen vor allem auf die PLCO-Studie zurück. Prof. Dr. Maurice Stephan Michel
 

Abhängig vom jeweiligen  ERSPC-Studienzentrum ergab sich eine Anzahl von 700 bis 2.000 Patienten,  die zum Screening eingeladen werden mussten, um einen Prostatakrebstodesfall  nach 13 Jahren Nachbeobachtung zu verhindern. 

Mittlerweile  besserer Ruf

„Der Ruf des PSA-Testes hat sich mittlerweile verbessert.  Dennoch bleibt sein Einsatz auch weiterhin die individuelle Entscheidung des  durch den Arzt gut informierten Patienten“, erklärt Michel die  derzeitige deutsche Sicht. Und auch die USPSTF betont, dass Männer zwischen 55  und 69 Jahren gemeinsam mit ihrem Arzt eine individuelle Entscheidung über den  PSA-Test treffen sollten. 

Die Task Force macht keine separaten Empfehlungen für  Menschen mit Prostatakrebs in der Familienanamnese, merkt aber an, dass diese  Gruppe ein hohes Risiko für Prostatakrebs hat und darüber informiert werden  sollte.

In Deutschland wird empfohlen, bei Patienten, die den  Wunsch nach einer Früherkennungsuntersuchung haben, die Möglichkeit eines  Baseline-PSA-Tests im Alter von 40 oder 45 Jahren zu erörtern.

Familienanamnese  bestimmt Testalter

„Im Alter von 45 Jahren kann man mit dem Patienten  über die Bestimmung eines PSA-Ausgangswertes – eines Baseline-PSA – sprechen. Bei Männern mit  erhöhtem Risiko, etwa wenn der Vater jung an einem Prostatakarzinom erkrankt  ist, kann diese Altersgrenze auf 40 Jahre vorverlegt werden“, erklärt Michel. „Neben dieser Baseline-PSA-Bestimmung  scheint eine Testung zwischen dem 55. und 70. Lebensjahr das Risiko einer  Übertherapie eindämmen zu können“, ergänzt Michel.

 
Der Ruf des PSA-Testes hat sich mittlerweile verbessert. Dennoch bleibt sein Einsatz auch weiterhin die individuelle Entscheidung des durch den Arzt gut informierten Patienten. Prof. Dr. Maurice Stephan Michel
 

Von der Höhe des  Baseline-PSA-Wertes hängen die weiteren Kontrollintervalle ab:

  • Liegt der Baseline-PSA unter 1 ng/ml, lautet die  Empfehlung, alle 4 Jahre erneut zu testen.

  • Bei einem Baseline-PSA von 1 bis 2 ng/ml soll alle 2 Jahre getestet werden und

  • bei einem Baseline-PSA über 2 ng/ml jedes Jahr.

Ab  dem 70. Lebensjahr: Weitere Tests vom PSA-Wert abhängig

Ab einem Lebensalter von 70  Jahren rät die USPSTF im Entwurf ihrer neuen Richtlinie von einer  routinemäßigen Bestimmung des PSA-Wertes ab. „Diese Empfehlung aus den USA ist  ein wenig unscharf“, kommentiert Michel, denn es gibt 70-Jährige, die noch  topfit sind und eine weitere Lebenserwartung von 25 Jahren haben.“

Die deutschen Empfehlungen  differenzieren deshalb bei den über 70-jährigen Männern zwischen denjenigen mit  einem PSA-Wert unter 1 ng/ml – „bei ihnen kann man von einer weiteren  PSA-Messung absehen“, so Michel – und denjenigen mit einem PSA-Wert über 1 ng/ml  – „bei ihnen kann trotz des Alters über eine PSA-Bestimmung gesprochen werden.“

 
Im Alter von 45 Jahren kann man mit dem Patienten über die Bestimmung eines PSA-Ausgangswertes sprechen. Prof. Dr. Maurice Stephan Michel
 

Die Wahl der richtigen  PSA-Grenzwerte sowie Kontrollintervalle seien eine Möglichkeit, Übertherapie  infolge der PSA-Bestimmung zu vermeiden, betont Michel und ergänzt: „Ein  intelligenter und individualisierter Einsatz der PSA-Bestimmung bedeutet aber  auch sicherzustellen, dass der Patient die Bedeutung und Konsequenzen eines  PSA-Tests durchdrungen hat und die Entscheidung zur Übertherapie durch den Patienten möglichst gering zu  halten, indem man z. B. mehr aktive Überwachung anbietet.“

PSA-Test als Kassenleistung?

Aus der USPSTF-Empfehlung leiten die deutschen Urologen  aber noch keine allgemeine Screening-Empfehlung ab, und daher auch nicht die  Forderung, den PSA-Test als Kassenleistung anzubieten. Wie in einer Pressemitteilung zu lesen ist, teilen die DGU, der Berufsverband  der Deutschen Urologen (BDU) und der Bundesverband Prostatakrebs „die  Einschätzung, dass abgewartet werden sollte, bis die Datenlage so stark ist,  dass die Aussichten auf eine positives Votum des Gemeinsamen Bundesausschusses  (G-BA) hoch genug sind.“ DGU-Pressesprecher Prof. Dr. Christian Wülfing dazu: „Bis dahin wollen wir weiter  gemeinsam an … der objektiven Einschätzung und Bedeutung des PSA-Wertes arbeiten,  aber auch alternative Früherkennungsuntersuchungen des Prostatakarzinoms  wissenschaftlich weiter untersuchen.“



REFERENZEN:

1. U.S. Preventive Services Task Force: Entwurf der neuen Empfehlung zum Prostatakrebs-Screening, April 2017

Kommentar

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