Die U.S. Preventive Services Task Force (USPSTF) hat ihr negatives Urteil über den PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs revidiert. In einem Entwurf einer neuen Richtlinie empfiehlt sie nun, dass „Ärzte die potenziellen Vor- und Nachteile einer Prostatakrebsfrüherkennung per PSA-Test mit allen Männern im Alter von 55 bis 69 Jahren besprechen sollten. Bei Männern ab 70 Jahren sollte dagegen keine routinemäßige PSA-Bestimmung erfolgen.“
Die USPSTF ist ein unabhängiges Expertengremium in den USA, das Empfehlungen zur Prävention von Krankheiten herausgibt. Der Entwurf konnte bis 8. Mai 2017 kommentiert werden. Die endgültige Empfehlung erfolgt nach sorgfältiger Berücksichtigung des Feedbacks [1].
„Der PSA-Test hatte lange Zeit einen schlechten Ruf; die Auseinandersetzungen über seinen Nutzen gingen vor allem auf die PLCO-Studie zurück. Sie zeigte im Hinblick auf die prostatakrebsbedingte Mortalität keinen relevanten Unterschied zwischen Männern mit und ohne Screening per PSA-Test“, erklärt Prof. Dr. Maurice Stephan Michel, Generalsekretär und Sprecher des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU), gegenüber Medscape.

Prof. Dr. Maurice Stephan Michel
Bislang hatte sich die USPSTF ausdrücklich gegen einen routinemäßigen PSA-Test als Prostatakrebs-Früherkennungsuntersuchung ausgesprochen. Als Grund für die neuen Empfehlungen nennt das Gremium neue Daten, die mit PSA-Bestimmung eine Abnahme von Mortalität und Metastasierung bei Prostatakrebs zeigten.
Heimliche PSA-Tests
Der Meinungsänderung voraus gegangen war eine Neubewertung der PLCO-Studie im vergangenen Jahr. Nach der Publikation stellte sich nämlich heraus, dass sich 90% der angeblich Nicht-Getesteten doch heimlich hatten testen und wenn erforderlich auch therapieren lassen. In der Studie wurden demnach 2 Gruppen verglichen, die fast gleich häufig auf PSA getestet worden waren. „Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass zwischen den beiden Gruppen kein relevanter Unterschied gefunden werden konnte“, so Michel.
Eine europäische Studie, die die Effektivität des PSA-Tests beim Screening auf Prostatakrebs untersuchte, ist die ERSPC-Studie. In dieser Untersuchung wurde durch das PSA-Screening bei knapp 350 von 10.000 Männern ein Prostatakarzinom entdeckt. Nach 13 Jahren konnte die Prostatakrebsmortalität durch das PSA-Screening um etwa 20% gesenkt werden.
Abhängig vom jeweiligen ERSPC-Studienzentrum ergab sich eine Anzahl von 700 bis 2.000 Patienten, die zum Screening eingeladen werden mussten, um einen Prostatakrebstodesfall nach 13 Jahren Nachbeobachtung zu verhindern.
Mittlerweile besserer Ruf
„Der Ruf des PSA-Testes hat sich mittlerweile verbessert. Dennoch bleibt sein Einsatz auch weiterhin die individuelle Entscheidung des durch den Arzt gut informierten Patienten“, erklärt Michel die derzeitige deutsche Sicht. Und auch die USPSTF betont, dass Männer zwischen 55 und 69 Jahren gemeinsam mit ihrem Arzt eine individuelle Entscheidung über den PSA-Test treffen sollten.
Die Task Force macht keine separaten Empfehlungen für Menschen mit Prostatakrebs in der Familienanamnese, merkt aber an, dass diese Gruppe ein hohes Risiko für Prostatakrebs hat und darüber informiert werden sollte.
In Deutschland wird empfohlen, bei Patienten, die den Wunsch nach einer Früherkennungsuntersuchung haben, die Möglichkeit eines Baseline-PSA-Tests im Alter von 40 oder 45 Jahren zu erörtern.
Familienanamnese bestimmt Testalter
„Im Alter von 45 Jahren kann man mit dem Patienten über die Bestimmung eines PSA-Ausgangswertes – eines Baseline-PSA – sprechen. Bei Männern mit erhöhtem Risiko, etwa wenn der Vater jung an einem Prostatakarzinom erkrankt ist, kann diese Altersgrenze auf 40 Jahre vorverlegt werden“, erklärt Michel. „Neben dieser Baseline-PSA-Bestimmung scheint eine Testung zwischen dem 55. und 70. Lebensjahr das Risiko einer Übertherapie eindämmen zu können“, ergänzt Michel.
Von der Höhe des Baseline-PSA-Wertes hängen die weiteren Kontrollintervalle ab:
Liegt der Baseline-PSA unter 1 ng/ml, lautet die Empfehlung, alle 4 Jahre erneut zu testen.
Bei einem Baseline-PSA von 1 bis 2 ng/ml soll alle 2 Jahre getestet werden und
bei einem Baseline-PSA über 2 ng/ml jedes Jahr.
Ab dem 70. Lebensjahr: Weitere Tests vom PSA-Wert abhängig
Ab einem Lebensalter von 70 Jahren rät die USPSTF im Entwurf ihrer neuen Richtlinie von einer routinemäßigen Bestimmung des PSA-Wertes ab. „Diese Empfehlung aus den USA ist ein wenig unscharf“, kommentiert Michel, denn es gibt 70-Jährige, die noch topfit sind und eine weitere Lebenserwartung von 25 Jahren haben.“
Die deutschen Empfehlungen differenzieren deshalb bei den über 70-jährigen Männern zwischen denjenigen mit einem PSA-Wert unter 1 ng/ml – „bei ihnen kann man von einer weiteren PSA-Messung absehen“, so Michel – und denjenigen mit einem PSA-Wert über 1 ng/ml – „bei ihnen kann trotz des Alters über eine PSA-Bestimmung gesprochen werden.“
Die Wahl der richtigen PSA-Grenzwerte sowie Kontrollintervalle seien eine Möglichkeit, Übertherapie infolge der PSA-Bestimmung zu vermeiden, betont Michel und ergänzt: „Ein intelligenter und individualisierter Einsatz der PSA-Bestimmung bedeutet aber auch sicherzustellen, dass der Patient die Bedeutung und Konsequenzen eines PSA-Tests durchdrungen hat und die Entscheidung zur Übertherapie durch den Patienten möglichst gering zu halten, indem man z. B. mehr aktive Überwachung anbietet.“
PSA-Test als Kassenleistung?
Aus der USPSTF-Empfehlung leiten die deutschen Urologen aber noch keine allgemeine Screening-Empfehlung ab, und daher auch nicht die Forderung, den PSA-Test als Kassenleistung anzubieten. Wie in einer Pressemitteilung zu lesen ist, teilen die DGU, der Berufsverband der Deutschen Urologen (BDU) und der Bundesverband Prostatakrebs „die Einschätzung, dass abgewartet werden sollte, bis die Datenlage so stark ist, dass die Aussichten auf eine positives Votum des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) hoch genug sind.“ DGU-Pressesprecher Prof. Dr. Christian Wülfing dazu: „Bis dahin wollen wir weiter gemeinsam an … der objektiven Einschätzung und Bedeutung des PSA-Wertes arbeiten, aber auch alternative Früherkennungsuntersuchungen des Prostatakarzinoms wissenschaftlich weiter untersuchen.“
REFERENZEN:
1. U.S. Preventive Services Task Force: Entwurf der neuen Empfehlung zum Prostatakrebs-Screening, April 2017
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: 180-Grad-Wende: Neue Empfehlungen aus den USA sprechen sich für PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs aus - Medscape - 12. Mai 2017.
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