Genussvoll abspecken: Ernährungsexperte empfiehlt, den Tag mit Low Fat zu starten und mit Low Carb ausklingen zu lassen

Julia Rommelfanger

Interessenkonflikte

8. Mai 2017

Mannheim Morgens Müsli, abends Steak: Patienten die extrem übergewichtig sind, könnte eine Kombination aus Low Fat und Low Carb helfen, meint Prof. Dr. Olaf Adam von der Ernährungsmedizin im Physiologikum der LMU München. Er stellte eine entsprechende Diät auf der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) vor [1].

Prof. Dr. Olaf Adam

„Ohne Genuss ist jede Diät zum Scheitern verurteilt“, so das Plädoyer des Internisten und Ernährungsmediziners. Eine Low-Carb-Diät etwa, die zwar bei Adipositas-Patienten eine starke Gewichtsabnahme bewirken könne, sei einerseits sehr einseitig und damit nur bedingt „genussvoll“ und sei andererseits aufgrund der Umschaltung auf den Ketose-Stoffwechsel nicht langfristig empfehlenswert.

Achtsamen Umgang mit dem Essen lernen

Er hat daher die KFZ-Diät – Kohlenhydrate-Fette-Zwischenmahlzeiten – erdacht und an mittlerweile Tausenden Patienten erprobt. In der Diät wird morgens und mittags fettarm gegessen. Abends wird dagegen auf Kohlenhydrate verzichtet.

Genuss bedeute nicht zwangsläufig besonders viel zu konsumieren, so der Experte weiter. Vielmehr ginge es darum, das Essen wert zu schätzen und sich Zeit für die Mahlzeiten zu nehmen. Diesen achtsamen Umgang mit dem Essen vermittle er übergewichtigen Teilnehmern als erstes in seinen Ernährungs-Gruppenstunden. „Patienten sollten ihre Ernährungsgewohnheiten überprüfen und sich selbstbestimmt ernähren, statt jedem Werbetrend zu folgen.“

Zur Ernährungsschulung gehöre auch das Verständnis von Hunger und Sättigung, das vielen Übergewichtigen abhandengekommen sei – auch, weil deren Regulierung im Gehirn gestört sei. „Die neuroendokrinen Regelkreise wieder in Gang zu setzen braucht Zeit – eher 6 als 2 Monate“, sagte Adam. Bis dahin müsse der Patient sein Essverhalten willentlich steuern. Stoppt man eine Diät vorzeitig oder begleitet den Patienten nicht adäquat in dieser Phase, setze vermutlich der Jojo-Effekt ein und die Patienten nehmen das, was sie abgenommen haben, gleich wieder zu.  

 
Die Nahrungsmittelauswahl ist bei der KFZ-Diät größer als bei Low Carb. Prof. Dr. Olaf Adam
 

Entspannung und Bewegung als Teil des Abnehmprogramms

Als 1. Schritt empfiehlt Adam eine Ursachenforschung. Es lohne, Patienten nach ihrem Stresslevel zu fragen. „Bei Stress schüttet der Körper Kortisol aus und alle Energiereserven werden freigesetzt. Endet der Stress, etwa nach einem arbeitsreichen Tag, kann ein nicht beherrschbares Hungergefühl einsetzen“, erklärte er. Als Konsequenz essen die Patienten abends dann Unmengen. Daher sei es ratsam, das Abnehmprogramm mit Entspannung und Bewegung zu ergänzen, um den Stresslevel zu reduzieren. „Fest steht: Ohne professionelle Strategie stellt sich kein Langzeiterfolg ein“, so Adam.

Ketogene Diät nicht als Dauerernährung empfohlen

Obwohl es sich sowohl bei Low Carb als auch bei Low Fat um wissenschaftlich begründete Gewichtsreduktionsstrategien handelt, empfiehlt er seinen Patienten keine dieser einseitigen Varianten über einen längeren Zeitraum. Ein Argument: Durch eine Low-Fat-Diät mit einem Fettanteil von höchstens 30 Kalorienprozent sei die Insulin-Resistenz bei Übergewichtigen nicht zu verbessern.

Prof. Dr. Udo Rabast

Andererseits sind aber mit Low-Carb-Diäten, deren Ansätze bis ins 19. Jahrhundert zurückgehen, gute Sättigungseffekte zu erzielen und sie bewirken durch die Umstellung des Energiehaushalts eine starke Gewichtsreduktion durch Fettverlust. „Studien haben eine ausgeprägte Gewichtsabnahme bei Low- versus High-Carb-Diäten gezeigt“, erinnerte Prof. Dr. Udo Rabast, Internist und Gastroenterologe aus Hattingen, auf dem DGIM-Kongress. Somit spiele diese Diät in der Adipositastherapie durchaus eine Rolle.

In einer spanischen Studie aus diesem Jahr konnte mit einer sehr kohlenhydratarmen ketogenen Diät über 4 Monate bei 20 adipösen Patienten eine – vor allem durch Fettabbau bedingte – durchschnittliche Gewichtsabnahme von 20 kg erzielt werden. Muskelmasse und Muskelkraft blieben erhalten.

Weiterer Vorteil von Low Carb: Die Diät lasse sich gut Gluten- und FODMAP-frei gestalten, erklärt Rabast, was bei Patienten mit Reizdarmsyndrom erforderlich sein könnte. „Negativ ist aber sicherlich der meist stark erhöhte Fleischverzehr“, fügte er an.

Bei Diabetes-Patienten bessere sich durch den weitgehenden Verzicht auf Kohlenhydrate die nächtliche Glukosestabilität sowie das Lipidprofil. Bei manchen Patienten könne sogar die Diabetes-Medikation reduziert werden, wie eine Studie von 2015 zeige, erklärte Rabast.    

 
Ohne Genuss ist jede Diät zum Scheitern verurteilt. Prof. Dr. Olaf Adam
 

Jedoch ist die Low-Carb-Diät über einen langen Zeitraum zur Gewichtsabnahme auch in seinen Augen wenig empfehlenswert. Bei einem Verzehr von nur 20 bis 50 g Kohlehydraten pro Tag werden Fettsäuren in der Leber zu Ketonkörpern abgebaut, die als Glukoseersatz den Energiebedarf, vor allem des Gehirns, decken. Die Glukosereduktion, erklärte Rabast, verbessere auf der einen Seite die Insulinsensitivität der Zellen. Jedoch könne die Bildung von Ketonkörpern andererseits Halitosis sowie eine erhöhte Harnsäurekonzentration im Blut und auch eine Ketoazidose fördern.

Das Beste aus Low-Carb- und Low-Fat-Diät

Ideal ist es daher nach Ansicht Adams, die Vorteile der Low-Carb-Diät mit denen einer fettarmen Kost zu kombinieren und somit Gewichtsreduktion bei gleichzeitig ausgewogener Ernährung zu erreichen.

„Die Nahrungsmittelauswahl ist bei der KFZ-Diät größer als bei Low Carb. Die Ernährung besteht zu ausgewogenen Teilen aus pflanzlicher und tierischer Kosten und zudem besteht nicht wie bei Low Carb die Gefahr zu hohe Eiweißmengen zu verzehren“, erläuterte er im Gespräch mit Medscape.

Bei der KFZ-Diät werde morgens und mittags fettarm, aber kohlehydratreich gegessen, etwa Müsli, Brot oder Nudelgerichte; abends dagegen werden wenige bis keine Kohlehydrate verzehrt; etwa ein Steak mit Salat. Zwischenmahlzeiten verhindern Heißhunger-Attacken. Wird der Insulinspiegel zwischendurch erhöht, ist das Hungergefühl befriedigt“, erläuterte Adam.

 
Die Nahrungsmittelauswahl ist bei der KFZ-Diät größer als bei Low Carb. Prof. Dr. Olaf Adam
 

Der Fettverzicht am Anfang des Tages gehe mit einem hohen Insulinspiegel in der 1. Tageshälfte einher, wodurch kein Fett gespeichert werde. Am Abend dagegen sorge die Low-Carb-Phase für niedrige Insulinspiegel und damit zu einer vermehrten und langen Fettverbrennung über Nacht über etwa 16 Stunden. Die Nährstoffanteile dieser Ernährungsweise, die Patienten als ausgewogen und gesund empfinden, (30% Fett, 55% Kohlehydrate, 15% Proteine) entsprächen auch den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), so Adams.



REFERENZEN:

1. 123. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), 29. April bis 2. Mai 2017, Mannheim

Kommentar

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