Mannheim – Wann sollte eine Divertikulitis operiert werden? Prof. Dr. Ekkehard Schippers, Chefarzt der Chirurgie am Juliusspital Würzburg und Prof. Dr. Ludger Leifeld, Chefarzt der Gastroenterologie am St. Bernward Krankenhaus in Hildesheim, ordneten auf dem Internistenkongress in Mannheim ein, welcher Patient ein Fall für den Chirurgen ist und welcher nicht [1].
Die Prävalenz für eine Divertikulose in der Gesamtbevölkerung liegt in Deutschland bei 2 bis 10%, in der Gruppe der über 50-Jährigen aber bei 50-80%.
Patienten mit Komorbiditäten und vor allem immunsupprimierte Patienten profitieren von einer elektiven Operation, auch eine bessere Lebensqualität kann für die Operation sprechen. Gute Anhaltspunkte, wann die OP ratsam ist, liefert die S2k-Leitlinie mit ihren Stadien-adaptierten Therapie-Empfehlungen, erinnerte Schippers.
Bei Typ 1 und 2 in der Regel keine OP
Typ 0 ist die asymptomatische Divertikulose. Kein Fall für eine Operation ist in der Regel auch die unkomplizierte Typ-1-Divertikulitis. Patienten mit komplizierter Divertikulitis (Typ 2) aber, die Mikro- oder Makroabszesse, freie Perforation mit in der Folge eitriger oder fäkaler Peritonitis aufweisen, sind ein Fall für den Chirurgen, stellte Leifeld klar.
Der komplizierte Typ 2 mit Makroabszess wird zunächst mit Antibiotika und Drainage behandelt und dann im entzündungsfreien Intervall operiert. Bei Verdacht auf eine Divertikelblutung (Typ 4) sollte stationär eine Embolisation erfolgen.
Weniger eindeutig sind die Empfehlungen zur Therapie bei Typ 3 – der chronischen Divertikulitis, die rezidivierend oder anhaltend-symptomatisch auftreten kann.
Typ 3: Eine individuelle Entscheidung
Bei der symptomatischen unkomplizierten Divertikulitis (Typ 3a) können Entzündungszeichen (erhöhtes CRP, Leukozytose) auftreten, müssen aber nicht. Beim Typ 3b – der rezidivierenden Divertikulitis ohne Komplikationen – sind immer Entzündungszeichen vorhanden. Beim Typ 3c – der rezidivierenden Divertikulitis mit Komplikationen – lassen sich Stenosen, Fisteln und Konglomerate nachweisen. „Die Typ-3c-Patienten sind die Patienten, die wir operieren“, erklärte Schippers. Der 3a-Typ werde in der Regel konservativ behandelt (Mesalazin, Rifaximin).
Zu Typ 3b empfiehlt die Sk2-LL: „Die chronisch-rezidivierende, unkomplizierte Divertikulitis sollte nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung in Abhängigkeit vom individuellen Beschwerdebild nach Möglichkeit im entzündungsfreien Intervall operiert werden.“ Die LL sieht vor, bei diesem Typ individuell je nach Patient zu entscheiden, denn eine generelle elektive Intervall-Operation abhängig von der Zahl der vorausgegangenen Schübe sei nicht gerechtfertigt.
Spricht die höhere Lebensqualität dafür, schneller zu operieren?
Sollte beim Typ 3b doch eher operiert werden? Laut Schippers weisen neue Daten auf einen positiven Einfluss der Operation auf die Lebensqualität hin. So zeigt eine Metaanalyse aus 2016, die 21 Studien mit 1.900 Patienten ausgewertet hat, dass operierte Patienten (mit chronisch rezidivierender Divertikulitis) im Vergleich zu konservativ therapierten eine höhere Lebensqualität hatten ( 73,4 vs 58,1 auf dem Gesundheitsfragebogen SF-36), seltener unter gastrointestinalen Schmerzen und seltener an Verstopfung und Diarrhoe litten.
Auch der DIRECT-trial, der die laparoskopische Sigmaresektion mit der konservativen Therapie verglichen hat, zeigt, dass der Index für die gastrointestinale Lebensqualität (GIQLI) nach 6 Monaten bei den Operierten signifikant höher lag: 104,8 vs 100,4.
Schippers erinnerte auch daran, dass knapp ein Viertel der zunächst konservativ behandelten Patienten aufgrund ihrer Beschwerden dann doch noch (nach)-operiert werden muss. Und gerade diese Notfall-OPs weisen eine erhöhte Komplikationsrate auf, wie eine Metaanalyse, die 135 000 Operationen ausgewertet hat, bestätigt. Bei den Notfall-OPs liegt die Komplikationsrate bei 53,6%, bei einer elektiven laparoskopischen Resektion nur bei 11%.
Aus Sicht von Schippers sprechen die geringeren gastrointestinalen Symptome, die höhere Lebensqualität, die Sicherheit der gewählten Sigmaresektion im Gegensatz zur Notfall-OP mit ihrer höheren Komplikationsrate dafür, sich eher für eine Operation bei der chronisch-rezidivierenden Divertikulitis zu entscheiden.
Akute rezidivierende Divertikulitis ist nicht zwangsläufig ein OP-Grund
Leifeld erinnerte daran, dass die chronisch rezidivierende Divertikulitis – also der Typ 3b – in vielen Abteilungen eine der häufigsten Operationen ist. Ziel der OP ist, künftige Komplikationen (Perforation, Abszess) zu verhindern. Doch wie begründet ist das? Der Gastroenterologe verwies auf Daten der Charité aus 2011: Bei einer akuten Divertikulitis ist danach das Perforationsrisiko im ersten Schub beträchtlich, nimmt dann aber von Schub zu Schub ab. Eine Operation zur Vermeidung künftiger Perforation sei also nicht zwingend.
„Nicht jeder Patient mit einer akuten Divertikulitis braucht eine Operation – sondern nur dann, wenn wirkliche akute Komplikationen eintreten“, betonte Leifeld. Entstehen im chronischen Verlauf aber Fisteln und Stenosen, liegt eine OP-Indikation vor. Auch Schmerz kann Leifelds Einschätzung nach eine OP-Indikation sein. „Sprechen Sie mit dem Patienten und sagen Sie ihm, dass ein 6. und 7. Schub wahrscheinlich auftreten wird. Wenn der Patient die Schmerzen nicht mehr haben will, sollte er eine Operation in Betracht ziehen“, so Leifeld.
Derzeit gebe es kein Medikament, das die Schmerzen sicher nehme oder den Schub verhindere. Allerdings gibt auch eine OP keine Garantie, dass die Schmerzen verschwinden, wie eine Arbeit von Egger aus 2008 zeigt. Auch nach Sigmaresektion leiden 25% der Patienten an schmerzhafter Obstipation, schmerzhafter Distension, schmerzhafter Diarrhöe oder Krämpfen.
Komorbiditäten sprechen für eine OP
Eine elektive Operation ist meist angezeigt, wenn Komorbiditäten vorliegen. Das Risiko, an einer Darmperforation zu sterben ist bei komorbiden Patienten (Charlson-Index > 2) im Vergleich zu Patienten ohne Komorbiditäten um das bis zu 6-fache erhöht, erinnerte Leifeld.
Auch Rauchen, NSAR und besonders Immunsuppressiva erhöhen das Risiko für Komplikationen. Die Sterblichkeitsrate von immunsupprimierten Patienten beträgt bei einer Perforation infolge einer akuten Divertikulitis bis zu 40%, bei immunkompetenten Patienten liegt sie nur bei 2%. „Bei einer akuten Divertikulitis sollten Sie im Normalfall nicht zur Operation raten, ist der Patient aber immunsupprimiert, sollten Sie sehr wohl darüber nachdenken“, betonte Leifeld. Immunsupprimierte Patienten können schon nach dem ersten unkomplizierten Schub einer Divertikulitis für eine Operation infrage kommen.
Schlechte Treffsicherheit: Noch zu selten Sonographie oder CT
Für eine hohe Erfolgsquote der Operationen ist laut Leifeld auch eine möglichst saubere Anamnese wichtig. Aber insgesamt sehen Leifeld und Schippers bei der Diagnostik noch reichlich Luft nach oben: „Mit der körperlichen Untersuchung plus kleinem Labor werden Sie nur eine schlechte Treffsicherheit erzielen. Der Patient hat Schmerzen im linken Unterbauch und bekommt ein Antibiotikum. Ich erlebe das ständig: Es ist leider immer noch nicht die Regel, dass ein Ultraschall oder eine Computertomographie gemacht wird. In Anbetracht der Vielzahl von Differenzialdiagnosen ist das ein Problem. Deshalb: Machen Sie eine Sonografie oder ein CT“, empfahl Leifeld. Liegt die Sensitivität durch körperliche Untersuchung und Labor bei 68%, lässt sich durch eine Bauchsonographie eine Sensitivität von 90% und durch CT eine Sensitivität von 95% erreichen.
REFERENZEN:
1. 123. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, 29. April bis 2. Mai 2017, Mannheim
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: „Skalpell bitte“ – oder doch lieber nicht? Wann bei einer Divertikulitis operiert werden sollte - Medscape - 4. Mai 2017.
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