Mannheim – Augen auf bei der Praxisabgabe: Wie die verschärfte Bedarfsplanung die Abgabe der Praxis für Internisten erschwert hat, veranschaulichte Medizinrechtler Florian Hölzel bei der 123. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin [1].
Wer beispielsweise seine angiologische Praxis an einen Pneumologen abtreten möchte, sollte sich darauf einstellen, dass die Zulassungsausschüsse dem nicht mehr ohne weiteres zustimmen und möglicherweise auf einen Angiologen pochen werden. Auch der „Fortführungswillen“ eines Bewerbers ist jetzt maßgeblich.
Bislang galt die Innere Medizin in der Bedarfsplanungsrichtlinie unter den Fachgruppen als eine Art „Chamäleon“. Und zwar deshalb, weil die internistischen Schwerpunkte nicht explizit genannt und berücksichtigt, sondern unter „Innere Medizin“ subsumiert werden. Zwar wird in §16 der Richtlinie auf eine „ausgewogene Verteilung“ der Fachgebiete hingewiesen, doch „wenn ich als fachinternistisch tätiger Kardiologe keinen kardiologischen Nachfolger finde, dann kann ich meine Praxis auch an einen Pneumologen oder an einen Rheumatologen abgeben“, skizzierte Hölzel die bisherige Praxis. Die allerdings ändert sich gerade.
Den Hintergrund dafür bilden 2 Urteile des Bundessozialgerichts (BSG): zum sogenannten Fortführungswillen eines Bewerbers (BSG-Urteil vom 20.3. 2013 – B 6 KA 19/12 R) und zur Dreijahresfrist (BSG-Urteil vom 4. Mai 2016 – B 6 KA 21/15 R).
„In der Rechtsprechung zum sogenannten Fortführungswillen und zur Dreijahresfrist zeigt sich das Unbehagen der Rechtsprechung darüber, dass die Praxisabgeber natürlich versuchen, ihre Praxisabgabe möglichst optimal zu gestalten“, kommentiert Hölzel. Die enger werdenden gesetzlichen Vorgaben schlagen sich in der Rechtsprechung nieder, schließlich strebe der Gesetzgeber einen Abbau der Überversorgung an.
Wie sich der Fortführungswille auf die Vergabe auswirkt
Im Urteil des BSG zum Fortführungswillen eines Bewerbers geht es zwar um einen Gynäkologen – „doch die im Urteil enthaltenen Grundsätze gelten für sämtliche Fachgebiete“, erklärte Hölzel.
Im vorliegenden Fall war der Gynäkologe bis April 2004 selbstständig, danach Angestellter in der Praxis X. 2007 bewarb er sich auf Zulassungen innerhalb des zugehörigen Planungsbereichs. Und weil er schon über 60 war und sein Leben lang eine Praxis geführt hatte, stach er alle anderen Kandidaten aus. Die erhaltenen Zulassungen im Nachbesetzungsverfahren trat er nicht an, sondern brachte sie postwendend in die Praxis X ein, in der er als Angestellter tätig war.
Im April 2009 bewarb er sich erneut, allerdings gab es bei dem Nachbesetzungsverfahren 2 Konkurrenzbewerber. Der Zulassungsausschuss gab überraschend der jüngeren und weniger erfahrenen Dr. P. den Zuschlag. „Der Gynäkologe legte dagegen Widerspruch ein und ist vor dem BSG damit krachend gescheitert“, so Hölzel.
Schon die Vorinstanz, das Landessozialgericht Schleswig-Holstein, hatte moniert, dass der Gynäkologe ein System betreibe und die Praxis gar nicht weiterführen wolle, sondern die Zulassungen nutze, um eine Provision von X zu bekommen.
Das BSG nahm die Bedenken der Vorinstanz auf und stützte sich in seiner Urteilsbegründung auf § 103, Absatz 4. Dort heißt es, dass die Praxis von einem Nachfolger fortgeführt werden sollte. Wenn sie fortgeführt werden solle, müsse der Nachfolger das auch wollen. Daraus hat das BSG als Unterbegriff der „Versorgungskontinuität“ den so genannten „Fortführungswillen“ abgeleitet. Dieser ist damit ein klares Erfordernis einer Praxisnachbesetzung.
Zusammen mit dem Fortführungswillen ergibt die Fortführungsmöglichkeit die Versorgungskontinuität. Und zur Fortführungsmöglichkeit hat das BSG klar gestellt: Existiert kein Praxissubstrat, gibt es nichts zu übernehmen. „Wenn ich beispielsweise wegen Krankheit die Praxis 2 Jahre habe ruhen lassen, dann sind die Patienten zur Konkurrenz gegangen. Kurz vor dem Nachbesetzungsverfahren kann ich als Praxisabgeber die Praxis dann auch nicht wiederaufleben lassen“, veranschaulicht Hölzel.
Für den Fortführungswillen spielt auch die personelle Komponente eine Rolle. Das heißt: Man muss als Vertragsarzt und nicht als angestellter Arzt die Praxis fortführen wollen. Denn nur ein Vertragsarzt oder Mitinhaber einer Praxis kann auf die Fortführung der Praxis Einfluss nehmen, ein Angestellter nicht. Es muss, fordert das BSG, bei der Praxisübergabe gewährleistet sein, dass mit der Nachfolge kein Schmu getrieben werde, die Zulassung dürfe also nicht kommerzialisiert und zum Gegenstand eines Maklergeschäfts gemacht werden.
… und wie sich die Dreijahresfrist auf die Vergabe auswirkt
Auch das BSG-Urteil zur Dreijahresfrist wirkt sich direkt auf die Vergabe aus. Das BSG hatte im Mai 2016 entschieden, dass eine Arztstelle in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) erst nach dreijähriger Tätigkeit des Arztes im MVZ nachbesetzt werden kann. So soll verhindert werden, dass der Praxisabgeber, um Nachbesetzungsverfahren zu vermeiden, sich in einem MVZ anstellen lässt und nach wenigen Monaten die Praxis wieder verlässt.
Wäre diese Regelung schon 2013 gültig gewesen, dann hätte sich der Gynäkologe so schnell (2007 und 2009).gar nicht wieder um eine Praxisnachfolge bewerben können, erinnert Hölzel. Die BSG-Entscheidung bewirkt also, dass das „Einsammeln“ von Zulassungen und Einbringen in die Praxis, in der man angestellt ist (Modell Gynäkologe), nicht mehr zulässig ist.
Praxisfortführung: Nachfolger soll bisherige Patienten weiter behandeln
Der Fortführungswille weist für die Praxisübernahme noch weitere relevante Komponenten auf. Diese sehen vor:
Dass der Nachfolger die bisherigen Patienten weiterbehandelt.
Die Praxis muss außerdem mit demselben Praxispersonal weitergeführt werden.
Die Praxis muss unter der vorhandenen medizinisch-technischen Infrastruktur genutzt werden,
und dies nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer.
Wer also beispielsweise plant, seine rheumatologische Schwerpunktpraxis von einem Kardiologen übernehmen zu lassen, sollte sich jetzt darauf einstellen, dass der Zulassungsausschuss dem nicht ohne Weiteres zustimmen wird. „Auf diese Maßgabe sollten Sie bei der Auswahl Ihres Praxisnachfolgers explizit Rücksicht nehmen, denn das wird eine Hürde werden“, so Hölzel.
Aus den BSG-Vorgaben haben die Zulassungsausschüsse abgeleitet, dass die `Sekundenzulassungen´, die früher gang und gäbe waren (gerade zugelassen, umgehend auf Zulassung verzichtet, um sich woanders anstellen zu lassen), jetzt passé sind.
Ausnahmen bei der Praxisfortführung
Von den BSG-Vorgaben zu den Komponenten der Praxisfortführung gibt es ein paar wenige Ausnahmen: Wenn die Praxis im Haus des Abgebers liegt oder wenn die Ehefrau des Abgebers als MTA beschäftigt war, ist der Nachfolger nicht verpflichtet, die Praxis an dieser Stelle zu belassen oder die Ehefrau weiter zu beschäftigen. Eine Ausnahme der Anforderungen liegt auch vor, wenn die Praxis völlig überaltert oder nicht barrierefrei ist. „Dann kann man dahingehend argumentieren, dass sich in einem Zug mit der Übernahme auch die Praxis an einen anderen Ort verlegen lässt“, so Hölzel.
„Meine Erfahrung ist, dass die BSG-Urteile sukzessive bei den Zulassungsausschüssen Berücksichtigung finden. Das sollte man bei der Praxisabgabe beachten. Und mit der eingeführten `Erfordernis des Fortführungswillens´ hat die Variabilität der internistischen Zulassung – Stichwort Chamäleoncharakter – abgenommen“, bilanziert Hölzel.
REFERENZEN:
1. 123. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), 29. April bis 2. Mai 2017, Mannheim
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Diesen Artikel so zitieren: Abgabe der Praxis: Was es für Internisten aufgrund der verschärften Bedarfsplanung nun zu beachten gilt - Medscape - 3. Mai 2017.
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