Mannheim – Regelmäßiger Sport hält Typ-2-Diabetiker nicht nur (wie alle Menschen) fitter, er erleichtert es ihnen auch, ihre Krankheit besser in den Griff zu bekommen. Dies betonten Wissenschaftler der Technischen Universität (TU) München, die zum Einfluss von Sport auf verschiedene Erkrankungen forschen, auf der 123. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) in Mannheim [1].
„Wir wissen, dass regelmäßige Bewegung den Blutzuckerspiegel von Typ-2-Diabetikern senkt und auch andere kardiovaskuläre Risikofaktoren positiv beeinflusst – deshalb ist ein sportliches Training für diese Patienten, von denen wir viele an unserem Zentrum betreuen, essenziell“, sagte Dr. Katrin Esefeld vom Institut für Prävention und Sportmedizin am Klinikum rechts der Isar der TU München.
Laut bisheriger Studiendaten lassen sich mit Sport jedoch eher mikro-, denn makrovaskuläre Komplikationen beeinflussen, erklärte sie in ihrem DGIM-Vortrag zu „Körperlichem Training in der Therapie des Diabetes“. So war es zum Beispiel in der vorzeitig abgebrochenen US-amerikanischen Look AHEAD-Studie nicht gelungen, mit einem Interventionsprogramm, das – neben Gewichtskontrolle – auch vermehrte Bewegung beinhaltete, bei übergewichtigen Diabetikern nach 10 Jahren durchschnittlichem Follow-up einen kombinierten Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod, Schlaganfall, Herzinfarkt oder Hospitalisierung aufgrund einer Angina pectoris zu beeinflussen (wie Medscape berichtete).
Doch immerhin hatte die intensive Lebensstilintervention einen positiven Einfluss auf Gewicht und Fitnesszustand, erklärte Esefeld. „Aber die Studie wurde nun einmal abgebrochen aufgrund der fehlenden Wirkung auf den Endpunkt“, erklärte Esefeld im anschließenden Gespräch mit Medscape. „Danach stellte sich schon die Frage, ob Sport für Diabetes-Patienten überhaupt etwas bringt.“
Mittlerweile wisse man aber: „Je aktiver die Patienten, desto fitter sind sie und desto weniger Risikofaktoren haben sie. Zudem wird die Glukose derer, die Sport machen, besser in die Zellen aufgenommen. Daher sollten Hausärzte ihren Diabetes-Patienten in jedem Fall ein Rezept für Bewegung ausstellen“, so ihre Überzeugung. Dabei seien konkrete, individuelle Empfehlungen essenziell, um Patienten zum Training zu motivieren.
Bewegungsrezept schafft Verbindlichkeit
Besonders schwierig sei das bei Patienten, die noch nie oder über einen längeren Zeitraum nicht mehr Sport getrieben haben. Erster Schritt sollte bei solchen Patienten eine Bestandsaufnahme sein. Es wird empfohlen, dass sie zunächst einen Schrittzähler bekommen und in einem Bewegungs-Tagebuch eine Woche lang ihre täglichen Schritte notieren.
„Zweitens muss das Training verbindlich und mit einer klaren, individuell auf den Patienten zugeschnittenen Empfehlung verordnet werden – genau wie eine Medizin, rät Esefeld. „Lassen Sie den Patienten nicht allein, das heißt, sagen Sie ihm nicht einfach: Treiben Sie Sport! Sondern erarbeiten Sie gemeinsam mit ihm einen Trainingsplan, damit er das Programm längerfristig durchhält.“
Das bedeute: Die Sportarten, aber auch für jede Woche die Belastungsdauer und -intensität festzulegen. So lerne der Diabetiker auch durch ein „Kopf-Training“, wie wichtig regelmäßige Bewegung sei.
Um die Hemmschwelle zu Trainingsbeginn nicht zu hoch zu setzen, solle das Training in den ersten Wochen einem „Start low, go slow“-Prinzip folgen, sprich, zu Beginn sind 5-10 Minuten täglicher moderater Ausdauersport, etwa Walking oder Nordic Walking angebracht. Dauer und Intensität sollte dann langsam von Woche zu Woche gesteigert werden. In den Wochen 3 bis 6 könne schon 10-20 Minuten täglich trainiert werden, mit einem Pausentag.
Bessere Anpassung durch Intervalltraining
Hinsichtlich der Intensität hat eine dänische Studie von Dr. Kristian Karstoft 2012 ergeben, dass wenn moderates Walking mit Intervallen höherer Intensität kombiniert wird, dies hinsichtlich VO2max und Blutzuckerkontrolle für Typ-2-Diabetiker besser ist als reines moderates Dauertraining. Esefeld empfiehlt daher für stabile Patienten ein Intervalltraining, bei dem mit bis zu 80% der maximalen Pulsfrequenz trainiert wird.
Esefeld, die selbst als Triathletin mehrmals erfolgreich am Ironman auf Hawaii teilgenommen hat, empfahl als Intervalle beim Walking zwischendurch Läufe im „Tripp-Trapp“-Stil oder flottes Walking. Joggen sei dagegen für die meisten Typ-2-Diabetiker zu anstrengend.
„Den Tripp-Trapp-Lauf zeigen Sie Ihren Patienten am besten – er kommt sehr gut an, weil das Training dadurch abwechslungsreicher wird“, so die Erfahrung der Sportmedizinerin. „Zudem kommt, wenn man nur spazieren geht, der Stoffwechsel nicht richtig in Gang.“ Kurze Reize mit höherer Intensität und anschließende Erholung im Training stellten dagegen eine gute Möglichkeit dar, den Stoffwechsel anzukurbeln.
„Das Intervalltraining wird von vielen Patienten besser toleriert als die dauerhafte Belastung“, so Esefelds Erfahrung. Oft jedoch seien besonders übergewichtige Diabetiker anfangs nicht in der Lage mehr als 200 bis 300 Meter am Stück zurückzulegen. Um auch diese Patienten an ein Training zu binden, sei der langsame, durch den Arzt begleitete Trainingsbeginn wichtig.
Trainiert werden solle nach der Anfangsphase mindestens 150 Minuten pro Woche. Ideal sei eine Kombination aus Ausdauer- und Krafttraining; letzteres am besten zweimal pro Woche. „Zum einen steigt durch Krafttraining der Grundumsatz, wodurch sich die Patienten sportlicher und fitter fühlen, zum anderen ist der Aufbau von Muskelmasse besonders für ältere Patienten entscheidend, um den Körper zu stabilisieren.“
Sie empfiehlt Diabetes-Patienten eher ein Kraftausdauertraining mit vielen Wiederholungen und wenig Gewicht als hohe Gewichtsbelastungen. „Bei Bluthochdruck verhindert das Blutdruckspitzen.“
Aktuell betreut Esefeld am von Prof. Dr. Martin Halle geleiteten Zentrum für Prävention und Sportmedizin in München in einem Projekt mit der Techniker Krankenkasse ein 6-monatiges Trainingsprogramm von Typ-2-Diabetikern in einem Reha-Studio. „Bei vielen, auch bei denjenigen, die anfangs nicht so offen für das Training waren, sieht man nach 3Monaten deutliche Verbesserungen. Sie haben Gewicht verloren und brauchen teilweise kein Insulin mehr“, schildert sie ihre Erfahrungen gegenüber Medscape. Nach den 6 Monaten setzten viele Patienten das Training fort, ergänzt sie.
REFERENZEN:
1. 123. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), 29. April bis 2. Mai 2017, Mannheim
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Typ-2-Diabetes: Sportmedizinerin gibt Tipps, wie Sie einen Couch-Potato doch zum Intervalltraining motivieren können - Medscape - 2. Mai 2017.
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