Stuttgart – Die Prävention chronischer Atemwegserkrankungen sollte in der Kindheit beginnen – eine Binsenweisheit in Bezug auf Asthma bronchiale, aber ein fast revolutionärer Ansatz bei COPD. Der Grundstock für eine gute Lungenfunktion werde in der Kindheit gelegt, betonte Prof. Dr. Klaus Rabe beim Deutschen Pneumologenkongress [1].
Bereits seit einiger Zeit wankt das Dogma, dass COPD-Patienten grundsätzlich selbst schuld sind an ihrer schweren chronischen Erkrankung. 80 bis 90% der Patienten sind bekanntlich langjährige Raucher, aber was ist mit den übrigen? Die genetische Disposition könnte eine Erklärung sein, das Mikrobiom eine andere, erläuterte Rabe.
Schlechtere Startbedingungen
Aber deutlich interessanter für die Prävention sind ganz andere neue Erkenntnisse. Demnach entsteht eine COPD nicht immer infolge des beschleunigten Abfalls der Lungenfunktion durch Nikotinabusus. Bei manchen Patienten, und das können auch Nichtraucher sein, verschlechtert sich die Lungenfunktion nur langsam, aber stetig, wie in einem natürlichen Verlauf. Wenn aber der Ausgangswert ihrer Lungenfunktion, beurteilt üblicherweise nach dem Ein-Sekunden-Wert (FEV1), schon zu Beginn ihres Lebens deutlich unter dem Durchschnitt lag, entwickelt sich dann eben deutlich früher eine starke Beeinträchtigung der Lungenfunktion mit Symptomen einer COPD.
„Ich frage meine neuen COPD-Patienten jetzt immer nach dem Geburtsgewicht“, berichtete Rabe, Pneumologe an der Lungenklinik Großhansdorf. Er löse damit zwar häufig etwas Verwunderung aus, sagte er – so auch bei seinen Zuhörern auf der pädiatrisch orientierten Sitzung zu den frühen Ursachen chronischer Lungenerkrankungen.
Viele COPD-Patienten würden dann angeben, dass sie ein „mickriges“ Kind gewesen seien, so Rabe. Das lege nahe, dass sie mit einer beeinträchtigten Lungenfunktion ins Leben gestartet seien und dies häufig nicht mehr aufholen konnten.
Bis zum 20. Lebensjahr werde die maximale Lungenfunktion erreicht, betonte Rabe. Je schlechter der FEV1-Wert in der Jugend ist, desto schlechter auch im Erwachsenenalter. „Es scheint sehr sinnvoll zu sein, bei jungen Patienten eine gute Lungenfunktion zu erhalten“, betonte Rabe und appellierte an Kinderärzte und Pneumologen hier enger zusammenzuarbeiten.
Präventionsmöglichkeiten noch vage
Welche Möglichkeiten der Prävention gibt es aber? Evidenzen für die beste Vorgehensweise seien bisher nicht verfügbar, räumte der Lungen-Experte ein, „wir brauchen große Kohortenstudien“. Aber es gebe durchaus logische Ansätze. Einer davon: Frühgeburten zu verhindern, ermögliche auch einer schlechten Lungenfunktion in der Kindheit vorzubeugen.
Ansonsten müsse das vorhandene therapeutische Arsenal ausgeschöpft werden, um eine weitere Beeinträchtigung der Lungenfunktion in der Kindheit zu verhindern. Zu erwägen sei z.B. bei infektanfälligen Kindern mit auffälligen Entzündungsparametern auch eine probatorische Anti-IgE-Therapie, so Rabe. Ob das aber bei Risikokindern tatsächlich im weiteren Verlauf etwas bringe, sei unklar.
REFERENZEN:
1. 58. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, 22. bis 25. März 2017, Stuttgart
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Diesen Artikel so zitieren: COPD-Prävention ist mehr als Nikotin-Verzicht: Wer als Kind mit schlechter Lungenfunktion startet, holt das selten auf - Medscape - 24. Apr 2017.
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