Trotz angeborener hypertropher Kardiomyopathie: Moderates Training ist günstig – und bringt das Herz nicht in Gefahr

Marlene Busko

Interessenkonflikte

19. April 2017

Washington, D.C. – Die erste randomisierte und kontrollierte Studie, die sich mit der Wirkung von moderatem Training, wie etwa zügigem Gehen, auf Patienten mit familiärer hypertropher Kardiomyopathie befasst hat, zeigt erneut, dass diese Trainingsform sich positiv auswirkt, was die kardiovaskuläre Fitness angeht. Es gab keine unerwünschten Effekte, doch weisen die Untersucher vorsichtshalber darauf hin, dass die Studie nicht die langfristige Sicherheit getestet hat.

Dr. Sara Saberi von der University of Michigan in Ann Arbor, USA, stellte ihre Ergebnisse auf der aktuellen Jahrestagung des American College of Cardiology (ACC) vor [1]. Zeitgleich wurden sie auch im Journal of the American Medical Association veröffentlicht [2].

An der RESET-HCM-Studie (Randomized Exploratory Study of Exercise Training in Hypertrophic Cardiomyopathy) nahmen 136 Patienten mit dieser Erbkrankheit teil. Nach einem 4-monatigen strukturierten, aber nicht supervidierten Übungsprogramm von mittlerer Intensität zeigte sich ein leichter, jedoch signifikanter Anstieg der Trainingsleistung im Vergleich zu einer Gruppe, die ihr bisheriges Übungsprogramm beibehalten hatte. Unter dem regelmäßigen moderaten Training kam es zu keinen ventrikulären Arrhythmien und plötzlichen Herzstillständen oder Defibrillatoreinsätzen und kein Patient starb.

„Es ist faszinierend und stimmt auch hoffnungsvoll, dass eine so simple Intervention wie ein Trainingsprogramm den Verlauf bestimmter angeborener Herzerkrankungen positiv zu beeinflussen vermag“, schreiben Dr. Anjali T. Owens und Dr. Thomas P. Cappola von der University of Pennsylvania Perelman School of Medicine in Philadelphia, USA, in ihrem begleitenden Editorial [3].

Ergebnisse können Patienten die Angst vor Sport nehmen

Die Ergebnisse „sprechen für ein Trainingsprogramm von mindestens 30 Minuten an 4 bis 7 Tagen pro Woche als zielgerichtete Intervention bei Patienten mit familiärer hypertropher Kardiomyopathie“, erklären die Untersucher.

„Es geht dabei nicht um die Olympiateilnahme, sondern um ein regelmäßiges Trainingsprogramm“, um das Gewicht im Griff zu behalten und um Diabetes, Hypertonie, KHK und einer Schlafapnoe vorzubeugen, da Kardiomyopathie-Patienten auch nicht vor den negativen Folgen einer sitzenden Lebensweise gefeit seien, sagte Saberi gegenüber Medscape.

„In der Klinik ermuntere ich meine Patienten immer zum regelmäßigen Training“, so Saberi. „Viele fürchten sich, wenn sie vom plötzlichen Herztod junger Sportler hören, was auch verständlich ist, doch sollte diese Studie einige dieser Sorgen zerstreuen können.“

„Letztlich muss man den Patienten versichern, dass ein moderates Training für sie und ihr Herz keine Gefahr darstellt“, was diese Studie belege, wie Dr. Martin S. Maron vom Tufts Medical Center in Boston als Diskussionsteilnehmer gegenüber Medscape äußerte.

 
Es ist faszinierend und stimmt auch hoffnungsvoll, dass eine so simple Intervention wie ein Trainingsprogramm den Verlauf bestimmter angeborener Herzerkrankungen positiv zu beeinflussen vermag. Dr. Anjali T. Owens und Dr. Thomas P. Cappola
 

Owens und Cappola stoßen in ihrem Editorial in das gleiche Horn: „Die Resultate stellen einen bedeutenden Beginn für Daten aus randomisierten klinischen Studien im Hinblick auf die Trainingsempfehlungen für Patienten mit familiärer hypertropher Kardiomyopathie dar. Die Übungsanleitung … war simpel, praktisch und einfach umzusetzen.“

Entscheidungshilfen für Ärzte fehlten bisher

Da bisher keine randomisierten Studien als Entscheidungshilfen zur Verfügung standen, hielten sich Ärzte bei Patienten mit familiärer hypertropher Kardiomyopathie mit Empfehlungen für körperliche Aktivitäten sehr zurück und viele der Patienten selbst fürchten sich ohnehin vor einem Training. Daher prüften Saberi und Kollegen, ob ein moderates aerobes Training bei Patienten mit familiärer hypertropher Kardiomyopathie zu einer risikolosen Verbesserung der Trainingsleistung führen könnte.

Zwischen 2010 und 2015 randomisierten sie 136 Patienten mit einer solchen Kardiomyopathie. Das Alter der Patienten lag zwischen 18 und 80 Jahren mit einem Durchschnittswert von 50 Jahren. Der Anteil der Frauen betrug 42%.

Viele Patienten hatten ein hohes Risiko für unerwünschte Ereignisse: 17% hatten eine obstruktive hypertrophe Kardiomyopathie, 34% waren Träger eines implantierbaren Kardioverter/Defibrillators und 4% wiesen in der Vorgeschichte fortwährende ventrikuläre Arrhythmien oder überstandene plötzliche Herzstillstände auf.

Bis auf einen Patienten unterzogen sich alle einer genetischen Testung: 43% wiesen keine Variationen in 9 Sarkomergenen auf, 10% hatten eine Variante mit unklarer Relevanz und 43% mindestens eine krankheitsauslösende Mutation auf einem dieser Gene.

Der primäre Endpunkt war die Veränderung der maximalen Sauerstoffaufnahme in der 16. Woche gegenüber dem Ausgangswert (als Maß für die Trainingsleistung). Sekundäre Endpunkte waren die Lebensqualität und die Bestimmung der Trainingsleistung. Alle Patienten hatten einen Schrittzähler und einen Pulsmesser erhalten.

Strukturiertes, nicht supervidiertes Trainingsprogramm

Die Patienten aus der Trainingsgruppe erhielten eine 1-stündige Einführung von einem Sportmediziner. Es wurde für sie ein individuelles Programm zusammengestellt, das Radfahren, Gehen/Joggen, Schwimmen oder Übungen auf dem Crosstrainer vorsah, aber Kraft- oder Intervalltrainings ausschloss.

Die Vorgabe war es, in der ersten Woche 3-mal für 20 min bei bis zu 60% der persönlichen Herzfrequenzreserve (ausgehend von einem Ausgangswert aus einem kardiopulmonalen Trainingstest) und mittlerer Intensität zu trainieren.

In der 2. bis 4. Woche sollte die Trainingsdauer um 5 bis 10 min pro Woche (bis maximal 60 min) erhöht und die Trainingsfrequenz auf 4- bis 7-mal bei bis zu 70% der persönlichen Herzfrequenzreserve und mittlerer Intensität angehoben werden. Dieses Schema sollte dann bis zum Ende der 16 Wochen eingehalten werden. Die Patienten in der herkömmlichen Trainingsgruppe wurden angehalten, ihr gewohntes Training fortzusetzen. Die Aktivität der Patienten ermittelten die Forscher mithilfe eines Pulsmessers, eines Schrittzählers, eines Aktivitätentagebuches und durch wöchentliche Telefonate.

Etwa 40% jeder Gruppe gaben an, dass sie vor der Studie keine regelmäßigen sportlichen Aktivitäten unternommen hätten. Während der 16 Wochen hatten 28% der Patienten in der Kontrollgruppe und 93% der Personen in der Trainingsgruppe regelmäßig trainiert. Die häufigsten Trainingsformen waren Gehen, Joggen/Laufen, Schwimmen, Crosstrainer und Radfahren.

Keine morphologische Veränderungen des Herzens durch das Training

Die mittlere maximale Sauerstoffaufnahme betrug zu Studienbeginn 22 ml/kg/min. Dieser Wert steigerte sich in der Trainingsgruppe um im Mittel 1,35 ml/kg/min und in der Kontrollgruppe um 0,08 ml/kg/min. Die Differenz zwischen den Gruppen betrug somit 1,27 ml/kg/min, was einer Zunahme von 6% entspricht.

Die Steigerung der maximalen Sauerstoffaufnahme entsprach etwa der 4%igen Zunahme dieses Wertes für Patienten mit Herzinsuffizienz in der HF-ACTION-Studie.

 
Die Ergebnisse sprechen für ein Trainingsprogramm von mindestens 30 Minuten an 4 bis 7 Tagen pro Woche als zielgerichtete Intervention bei Patienten mit familiärer hypertropher Kardiomyopathie. Dr. Sara Saberi
 

Im Hinblick auf morphologische Veränderungen des Herzens (cardiac remodeling) oder die Lebensqualität (basierend auf einem Fragebogen zur Selbsteinschätzung) fanden sich keine Unterschiede, abgesehen von verbesserten physiologischen Funktionen, doch wurden hierzu keine weiteren Analysen durchgeführt.

„Die Teilnehmer in der Trainingsgruppe hatten häufiger und zielgerichteter trainiert als die Personen aus der Kontrollgruppe, was dafür spricht, dass eine individuelle Trainingsberatung zur Etablierung eines persönlichen Programms bei Patienten mit familiärer hypertropher Kardiomyopathie in der Praxis zu einem gesünderen und aktiveren Lebensstil beiträgt“, fassen Sabari und Mitarbeiter die Resultate zusammen.

Einfache Trainingsvorgaben

„Das Ziel der Studie war nicht die Bestimmung der Sicherheit und angesichts des seltenen und unregelmäßigen Auftretens von schweren unerwünschten Ereignissen bei Patienten mit familiärer hypertropher Kardiomyopathie im Vergleich zu Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz würde dies eine weitaus größer angelegte Studie erforderlich machen“, betonen Saberi und ihr Team.

Somit ist also die Etablierung eines Sicherheitslevels für das Trainingsniveau bei solchen Kardiomyopathiepatienten eine „noch unbeantwortete Frage“, wie Owens und Cappola schreiben. „Die Behandlungsstrategien zur direkten Beeinflussung der Sarkomere entwickeln sich weiter und halten bisher, was sie versprachen.


Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.



REFERENZEN:

1. 66. American College of Cardiology Scientific Sessions, 17. bis 19. März 2017, Washington/USA 

2. Saberi S, et al: JAMA 2017;317(13):1349-1357

3. Owens AT, et al: JAMA 2017; 317(13):1319-1320

Kommentar

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