Aktuelle Therapie-Empfehlungen: Bei ambulant erworbener Pneumonie ist der ältere Risikopatient fast der Normalfall

Roland Fath

Interessenkonflikte

12. April 2017

Stuttgart – Eine ambulant erworbene Pneumonie (community aquired pneumonia, CAP) betrifft bekanntlich in den meisten Fällen Senioren. Das bedeutet: Es handelt sich in der Regel um Risikopatienten, denn die Mortalität von CAP-Patienten steigt mit dem Alter an. Wie sich die Prognose der Patienten abschätzen lässt, wer ambulant behandelt werden kann und wer stationär aufgenommen werden muss, wurde bei einem Symposium während des Kongresses der deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin in Stuttgart erläutert [1].

„Eine CAP bei Senioren ist der Normalfall“, sagte Prof. Dr. Santiago Ewig vom Thoraxzentrum Ruhrgebiet in Bochum, federführender Autor der im letzten Jahr aktualisierten S3-Leitlinie Pneumologie. Rund 80% der CAP-Patienten seien mindestens 60 Jahre alt. Die Letalität liege in dieser Altersklasse bei rund 14%, bei Patienten aus Pflegeheimen sogar bei 24%, im Vergleich zu einer Sterberate von nur rund 5% bei unter 65-jährigen Patienten. Die schlechteste Prognose haben bettlägerige Patienten mit einer Letalität von rund 35%.

Kriterien zur Prognoseabschätzung

Abhängig vom Schweregrad der Erkrankung sowie Funktionalität und Prognose sollte darüber entschieden werden, ob die Patienten ambulant behandelt werden können oder stationär aufgenommen werden müssen. Ersteres ist bei älteren Patienten eher selten möglich und kommt laut Ewig nur bei Patienten mit einem niedrigen CRB-65-Index sowie einem stabilen sozialen Umfeld infrage.

Der CRB-65-Index mit nur 4 Kriterien ist nach Angaben des Pneumologen ein „gutes Tool“ zur Prognoseabschätzung, wenn auch die Datenlage gerade bei älteren Patienten als unzureichend gilt. Neben dem Alter über 65 Jahre zählen

  • hohe Atemfrequenz (≥ 30/min),

  • niedriger Blutdruck (diastolisch ≤ 60 mmHg, systolisch < 90 mmHg)

  • und Bewusstseinstrübung

zu den Indexkriterien, die ein erhöhtes Letalitätsrisiko anzeigen.

Bei älteren Patienten können Verwirrtheit und Durchfall die einzigen Symptome einer CAP sein, betonte Ewig, Fieber oder Husten mit Auswurf treten deutlich seltener als bei jüngeren Patienten auf.

 
Eine CAP bei Senioren ist der Normalfall. Prof. Dr. Santiago Ewig
 

Neben den klinischen Kriterien zählen gerade bei älteren Patienten Begleiterkrankungen, Oxygenierung sowie Funktionalität zu den wichtigen Zusatzkriterien zur Prognoseabschätzung. Zu beachten: Bei älteren Patienten besteht bei jeder Hospitalisierung die Gefahr einer funktionalen Verschlechterung, die auch irreversibel sein kann, warnte Ewig. Dies sollte bei einer Entscheidung über die eventuelle Möglichkeit einer ambulanten Therapie mit berücksichtigt werden. Häufig wird der Verlauf der Erkrankung bei stationär behandelten Patienten auch durch kardiale Komplikationen wie Herzinsuffizienz beeinträchtigt. Dies trifft auf etwa jeden vierten Patienten zu.

Auch das Erregerspektrum unterscheidet sich bei älteren und jüngeren CAP-Patienten, abhängig auch von Komorbiditäten: Legionellen und Mykoplasmen, die bei jüngeren Patienten etwas häufiger Auslöser einer CAP sein können, sind im Alter eine Rarität. Häufiger sind dagegen bei Älteren multiresistente Staphylokokken (MRSA) und Enterobakterien.

Hämophilus-Spezies und Klebsiellen finden sich gehäuft bei Patienten mit Komborbiditäten wie COPD, ergänzte PD Dr. Martin Kolditz aus Dresden. Dies ändere allerdings nichts daran, dass Pneumokokken weiterhin mit großem Abstand die häufigsten Auslöser einer CAP seien. Ein weiteres Problem bei älteren Pneumonie-Patienten: Wegen einer Aspiration bei der Diagnostik werden nicht selten gar keine Erreger gefunden.

Was ist bei der Therapie zu beachten?

Nicht mehr empfohlen werden orale Cephalosporine, erinnerte Ewig, da sie in der ambulanten Therapie mit einer erhöhten Versagerquote einhergehen. I.v.-Cephalosporine wurden zudem mit einer Selektion von ESBL-Bildnern und C.-difficile-Infektionen assoziiert.

Mittel der Wahl bei leichter CAP ist Amoxicillin. Alternativen sind Doxycyclin und Makrolide (Azithromycin, Clarithromycin, Roxithromycin). Beim Einsatz von Makroliden sollte auf eine Beeinträchtigung des Hörvermögens, auf die QT-Zeit-Verlängerung und auf Interaktionen mit Statinen und Psychopharmaka geachtet werden, bei Chinolonen auf ZNS-Wirkungen und bei Aminoglykosiden auf die Nierenfunktion, sagte Ewig.  

Chinolone gehören in der ambulanten Therapie in die zweite Reihe, wie Kolditz betonte. Bei leichter Pneumonie mit Komorbidität (Herzinsuffizienz, COPD, ZNS-Erkrankungen) wird Amoxicillin/Clavulansäure empfohlen, alternativ Moxifloxacin, Levofloxacin, bei mittelschwerer Pneumonie ein i.v.-Betalaktam (Amoxicillin/Clavulansäure, Ampicillin/Sulbactam, Cefuroxim, Ceftriaxon, Cefotaxim), eventuell zusätzlich ein Makrolid für 3 Tage.

Bei schwerer Pneumonie wird immer zusätzlich zum i.v.-Betalaktam das Makrolid gegeben. Die Antibiotikatherapie sollte nicht zu lange erfolgen, so Kolditz, in der Regel reichen 5 Tage aus (48 Stunden nach Entfieberung). Steroide sollten nicht routinemäßig gegeben werden, sondern nur bei Patienten mit schwerer Pneumonie mit zunehmender Obstruktion oder im septischen Schock, so seine Empfehlung.   



REFERENZEN:

1. 58. Kongress der deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, 22. bis 25. März 2017, Stuttgart

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....