Eine kausale Therapie des Morbus Parkinson steht nach wie vor aus. Dennoch lassen neue Medikamente, jüngste Forschungserfolge bei der Diagnose und innovative Therapieansätze hoffen, die Krankheit künftig besser und nicht wie bisher nur symptomatisch behandeln zu können.

Prof. Dr. Georg Ebersbach
Das berichteten Experten der mit der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) assoziierten Deutschen Parkinson Gesellschaft (DPG) auf einer Pressekonferenz in Berlin anlässlich des Welt-Parkinson-Tags am 11. April [1]. In diesem Jahr jährt sich zum 200. Mal die Erstbeschreibung der Krankheit durch den Londoner Arzt James Parkinson.
Herausforderung Dopaminersatz
Wichtigstes Standbein der medikamentösen Behandlung ist nach wie vor der Dopaminersatz – mit dem Goldstandard L-Dopa oder ähnlichen Präparaten. „Die therapeutische Herausforderung besteht hier darin, eine gleichmäßige Medikamentenwirkung zu erhalten und überschießende motorische Reaktionen zu vermeiden“, erklärte DPG-Vorstandsmitglied Prof. Dr. Georg Ebersbach.
Zu diesem Zweck wurden als Begleittherapie zum Dopaminersatz in den vergangenen beiden Jahren 2 neue Medikamente zugelassen: Safinamid (2015), das als Dopamin- und Glutamat-Modulator wirkt, und Opicapon (2016), das die L-Dopa-Wirkung verlängert. Beide Mittel dienen der Verstetigung der dopaminergen Stimulation.
„Es hat sich gezeigt“, so der Neurologe im Gespräch mit Medscape, „dass sich Wirkungsschwankungen damit reduzieren lassen.“ Weitere Medikamente mit der gleichen Zielrichtung befänden sich derzeit in klinischer Erprobung.
Für Patienten in fortgeschrittenen Krankheitsstadien bzw. mit starken Wirkungsfluktuationen beim Dopaminersatz kann eine Medikamentenzufuhr via Pumpe in Frage kommen. Technologische Weiterentwicklungen gehen Ebersbach zufolge dahin, den Patienten zunehmend kleine Pumpen anzubieten, die z.B. als Patch auf die Haut aufgeklebt werden und das Medikament subkutan abgeben.
Aktivierende Trainingstherapien
Selbst bei optimaler Pharmakotherapie oder zusätzlicher Tiefer Hirnstimulation entwickeln Parkinson-Patienten langfristig oft schwerwiegende motorische Behinderungen. Um dem entgegenzuwirken, haben bereits frühzeitig aktivierende Trainingstherapien wie Physiotherapie, Ergotherapie, Logotherapie, Musiktherapie oder sportliches Training einen hohen Stellenwert, wie Ebersbach betonte: „So konnte z.B. eine Studie zum Einsatz von Tai Chi bei Parkinson-Patienten nachweisen, dass sich damit ihr Gleichgewicht verbessern und die Sturzhäufigkeit vermindern lässt.“ Auch Sprech- oder Schluckstörungen könnten mit solchen aktivierenden Therapien günstig beeinflusst werden.
Neue – nicht rein symptomatische – Therapieansätze
Über neue Therapieansätze, die über eine symptomatische Behandlung hinausgehen, berichtete DPG-Vorstandsmitglied Prof. Dr. Daniela Berg. Wie sie sagte, leiden ca. 7% der Patienten unter einem familiären, auf krankheitsauslösende Gene zurückzuführenden Parkinsonsyndrom und ca. 93% unter einem sogenannten sporadischen Parkinsonsyndrom, bei dem es sich um einen multifaktoriellen Prozess handelt: „Dabei gibt es eine Vielzahl genetischer Veränderungen, aber auch Umwelt- und Lebensstilfaktoren, die das Entstehen einer Parkinsonerkrankung begünstigen.“
Spezifische Therapieansätze für Patienten mit erblichen Formen des Syndroms, bei denen die genetische Ursache bekannt ist, werden derzeit in klinischen Studien untersucht. So ist der Kieler Neurologin zufolge bekannt, dass bestimmte genetische Veränderungen zur Störung des Energiestoffwechsels in Mitochondrien und damit zu Parkinson führen können. Dies trifft vor allem auf Patienten zu, bei denen es schon in jüngerem Alter zu Bewegungsauffälligkeiten kommt.
Durch die Analyse des Erbmaterials der Patienten können solche Mutationen aufgedeckt werden. Man kann dann die Patienten, bei denen genau diese Stoffwechselveränderungen ursächlich sind, gezielt mit Substanzen behandeln, die die Stoffwechselstörung beheben.
Um den Nutzen einer Therapie mit Coenzym Q10 und Vitamin K2 bei Patienten mit derartigen Formen der Parkinsonerkrankung zu prüfen, läuft derzeit an mehreren deutschen Zentren eine klinische Studie. Auch für Parkinsonpatienten mit anderen Genmutationen – z.B. im GBA-Gen (Glucocerebrosidase-Gen) – würden aktuell Therapiestudien durchgeführt.
Doch auch bei Parkinson ohne genetische Ursache werden mögliche kausale Therapien erforscht. So wurde bei Parkinson-Patienten ein erhöhter Eisengehalt in der Substantia nigra nachgewiesen, der über vermehrten oxidativen Stress zu vermehrtem Zelluntergang beitragen kann. Hier setzen neue Therapieformen an, die das vermehrte Eisen binden sollen – auch dieser Therapieansatz wird aktuell im Rahmen von Studien an mehreren deutschen Zentren angeboten.
Antikörper sollen Progredienz verhindern
Ein Schlüssel zur Verminderung der Krankheitsprogredienz – bevor schwere Symptome auftreten – könnte darin liegen, wie sich Parkinson im Gehirn verbreitet. „Wir wissen heute“, so Berg, „dass von Parkinson betroffene Neuronen – erkennbar u.a. durch die Ablagerung von Alpha-Synuclein – ähnlich wie Prionen-Erkrankungen andere Zellen ‘anstecken‘ können. Mit einem Antikörper gegen Alpha-Synuclein könnte es gelingen, die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern.“ Dazu seien derzeit in Deutschland 2 Studien mit passiven Antikörpern gegen Alpha-Synuclein in Vorbereitung.
Hautbiopsie zur Frühdiagnose
Besonders problematisch beim Parkinson-Syndrom ist, dass typische Symptome wie Tremor, Rigor oder Akinese erst auftreten, wenn es zum Verlust dopaminerger Neuronen in der Substantia nigra kommt und damit die Krankheit bereits sehr weit fortgeschritten ist.

Prof. Dr. Jens Volkmann
„Der Erkrankungsprozess läuft dann geschätzt bereits 10 Jahre – mit relativ unspezifischen nicht-motorischen Symptomen wie einer Riechstörung, Depression, chronischer Obstipation oder einer REM-Schlaf-Verhaltensstörung, bei der Träume ausagiert werden und Patienten dabei um sich schlagen können“, erklärte Prof. Dr. Jens Volkmann, Würzburg, 1. Vorsitzender der Deutschen Parkinson Gesellschaft. Die Forscher suchen deshalb nach einer möglichst spezifischen Frühdiagnose – insbesondere auch, um damit Optionen für eine frühzeitige Therapie prüfen zu können.
Eine vor kurzem von Würzburger und Marburger Wissenschaftlern publizierte Studie konnte zeigen, dass eine Hautbiopsie zu einer solchen Frühdiagnose beitragen kann (wie Medscape berichtete). Dabei ließen sich pathologische Eiweißablagerungen von phosphoryliertem Alpha-Synuclein in dermalen Nervenfasern von Patienten spezifisch nachweisen, die unter REM-Schlafverhaltensstörungen – und damit einem deutlich bzw. Jahre früher als die typischen Krankheitszeichen auftretenden „Parkinson-Vorboten“ – leiden.
REFERENZEN:
1. Deutschen Parkinson Gesellschaft: Pressekonferenz, 3. April 2017
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: 200 Jahre nach der Erstbeschreibung: Neue Therapien bei Parkinson – Ansätze, in den Pathomechanismus einzugreifen - Medscape - 11. Apr 2017.
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