Der neue Masterplan Medizinstudium 2020 sei eine „kleine Revolution im positiven Sinn“, meinte Bundesforschungsministerin Prof. Dr. Johanna Wanka bei der Vorstellung des Plans Ende März in Berlin [1]. In 37 Punkten legt er dar, wie sich in Zukunft die Schwerpunkte des Medizinstudiums verschieben sollen. Gefordert werden unter anderem ein erweiterter Studienzugang, mehr Allgemeinmedizin, mehr kommunikatives Know-how, mehr Praxisbezug.
Wer das Ganze bezahlen soll, ist indessen unklar. Nach Auskunft der Kultusministerkonferenz (KMK), braucht es in den ersten 3 Jahren 88 Millionen Euro Anlaufkosten, um die Umsetzung des Masterplanes zu bezahlen, „und nach Einschätzung der Finanzministerkonferenz darüber hinaus jährliche Mehrkosten in 3-stelliger Millionenhöhe“, wie Torsten Heil, Sprecher der KMK zu Medscape sagt.
Der Masterplan selber macht zum Thema Finanzierung keine Vorschläge. Heyo K. Kroemer, Präsident des Medizinischen Fakultätentages (MFT), vermisst denn auch ein belastbares Finanzierungskonzept. Er bedauere, „dass die Hängepartie für den weiteren Reformprozess, was die Finanzierung betrifft“, weitergehe, teilt der MFT mit.
Dafür nimmt der Masterplan Medizinstudium 2020 umso ausführlicher zu neuen Studieninhalten Stellung: Auf Basis des Nationalen kompetenzbasierten Lernzielkatalogs Medizin (NKLM) formuliert er „kompetenzorientierte Ausbildungsinhalte“. Reine Wissensvermittlung indessen greife zu kurz, heißt es im Text. Die Examenskandidaten der Medizin wissen also künftig nicht nur Bescheid, sie können als angehende Ärzte auch schon früher ärztlich handeln. Eine eigene Kommission soll nun den NKLM weiterentwickeln und zum verbindlichen Bestandteil der Approbationsordnung für Ärzte machen.
Längsschnittfach Allgemeinmedizin
Bisher lernten die Studierenden anhand hoch spezialisierter Fälle in den Universitätskliniken. In Zukunft werden sie auch ganz alltägliche Erkrankungen in der ambulanten und stationären Praxis kennenlernen und zwar in enger Zusammenarbeit mit Lehrpraxen.
Besonderes Augenmerk gelte der Arzt-Patienten-Kommunikation. Die ärztliche Gesprächsführung sei „zentrales Element ärztlicher Tätigkeit“, die möglichst früh ausgebildet und laufend weiterentwickelt werden soll.
Bei diesem Ansatz liegt es auf der Hand, dass auch die Allgemeinmedizin in den Curricula stärker berücksichtigt wird. „Aufbauend auf der positiven Entwicklung der letzten Jahre werden wir die Allgemeinmedizin an den Hochschulen weiter stärken“, heißt es in dem Plan. Die allgemeinmedizinische Perspektive soll sich wie ein Längsschnitt durch die ganze medizinische Lehre ziehen.
Der Plan fordert von den Fakultäten hinsichtlich der Allgemeinmedizin mehr Fantasie, z.B. „regelmäßig wiederkehrende Hospitationen in allgemeinmedizinischen Praxen von Beginn des Medizinstudiums an, und durch die Ableistung eines Praktikums in der hausärztlichen Versorgung – bevorzugt in ländlichen Regionen“.
Zusätzlich soll das Praktische Jahr (PJ) verändert werden. Es wird auf 4 Ausbildungsabschnitte zu je 12 Wochen umgestellt. Innere Medizin und Chirurgie bleiben als Pflichtquartale erhalten. Hinzu kommen 2 Wahlfächer, von denen mindestens eins im ambulanten Bereich absolviert wird. Weil die Allgemeinmedizin zugleich zum 3. Pflichtprüfungsfach wird, dürfte eines der beiden Wahlfächer im PJ für die Studierenden feststehen: die Allgemeinmedizin.
Keine weiteren Studienplätze
Zwar fordert der Plan keine weiteren Studienplätze. Aber allein eine gute Abitur-Note soll zukünftig nicht mehr ausreichen, um Medizin studieren zu dürfen. Für die Autoren des Plans sagt die Note zu wenig darüber aus, ob die Kandidaten das Studium stemmen können und einmal gute Ärzte werden oder nicht. Deshalb sollen die Hochschulen neben der Abitur-Note wenigstens 2 weitere Kriterien anlegen, um ihre Bewerber zu prüfen, z.B. die Tätigkeit in einem anderen medizinischen Beruf oder soziale Kompetenzen.
Den Hochschulen wird zudem ein weiteres Werkzeug zur Auswahl ihrer Bewerber an die Hand gegeben: Die Landarztquote. Das heißt, die Fakultäten können vorab 10% ihrer Studienplätze an Bewerber vergeben, die sich schon vor der ersten Vorlesung verpflichten, nach dem Studium bis zu 10 Jahre als Hausarzt in schlecht versorgten Gebieten zu arbeiten.
Wer trägt die Kosten?
Victor Banas, Vorsitzender des Sprecherrats der Medizinstudierenden im Marburger Bund (MB), fordert im Zuge der Kostendiskussion mindestens 10% mehr Studienplätze und damit natürlich mehr Geld. Nur so könne dem Ärztemangel entgegengetreten werden. „Hier hat die Politik eine große Chance vertan. Jetzt rächt sich auch, dass Finanzierungsfragen bei der Beratung des Masterplans ausgeklammert wurden und nun erst noch geklärt werden müssen“, so Banas. „Dies ist aber absolut notwendig, um ausreichend finanzielle Ressourcen für gute Lehre zur Verfügung zu haben.“
Klar ist, dass die Hochschulen die Millionen für das neu geformte Studium nicht zahlen wollen. Prof. Dr. Ingo Just, Studiendekan der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), z.B. hat für die Bezahlung klare Vorstellungen. Allein die Quartalisierung des PJ mit einem neuen ambulanten Quartal dürfte eine Menge Geld kosten, so Just. „Denn die Niedergelassenen möchten eine Aufwandsentschädigung und die Studierenden möchten auch etwas bekommen." Im Falle der Lehrkrankenhäuser stammt das Geld aus dem eigenen krankenhauseigenen Budget, bei den Praxen bezahlt die Fakultät. In Hannover gehen pro Jahr 30 PJler auch in die Allgemeinmedizin. Bei der Bezahlung unterstützt das Sozialministerium des Landes, sagt Just.
„Aber wenn zukünftig ganz Jahrgänge ins ambulante Quartal gehen, wären das 270 PJler“, sagt Just, dann werde es teuer. „Für eine durchschnittliche Fakultät sind das Kosten von 1 bis 1,3 Millionen Euro, die jedes Jahr dazukommen.“ Dass die Fakultäten das nicht zahlen können, ist für Just klar: „Die Ausbildung ist hoheitliche Aufgabe“, betont er. „Deshalb wird sie der Steuerzahler tragen müssen.“
REFERENZEN:
1. Bundesgesundheitsministerium: Pressemitteilung, 31. März 2017
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Diesen Artikel so zitieren: Masterplan Medizinstudium 2020: Mehr Arbeit für Niedergelassene durch Längsschnittfach Allgemeinmedizin – Finanzierung offen - Medscape - 10. Apr 2017.
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