Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) warnt erneut davor, dass Brustimplantate das Risiko eines anaplastischen großzelligen Lymphoms (ALCL) erhöhen könnten [1; 2]. Dabei handelt es sich um eine seltene Form des Non-Hodgkin-Lymphoms – mit einem Anteil von etwa 3% aller Lymphome. Erstmalig hatte die US-Behörde im Jahr 2011 auf einen möglichen Zusammenhang von Brustimplantaten und ALCL hingewiesen.
In Deutschland wurde bisher kein Fall von ALCL infolge eines Implantats bekannt

Prof. Dr. Jens-Uwe Blohmer
Auch hierzulande ist man auf das Problem bereits aufmerksam geworden. „Zwar wurde dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bislang noch kein einziger Fall aus Deutschland gemeldet“, sagt Prof. Dr. Jens-Uwe Blohmer, Direktor der Klinik für Gynäkologie und Leiter des Brustzentrums an der Charité - Universitätsmedizin Berlin, im Gespräch mit Medscape. Doch das Thema werde auch innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe diskutiert.
„Klar ist, dass die Ärzte ihre Patientinnen vor dem Einsetzen eines Brustimplantats über das möglicherweise erhöhte Risiko eines ALCL informieren sollten“, sagt Blohmer. Gleichzeitig sieht der Mediziner aber auch die Gefahr einer übertriebenen Panikmache, bei der die Frauen unnötig verunsichert werden könnten.
Pro Jahr erkranken weniger als eine von 100.000 Frauen mit Brustimplantaten
„Das Brustimplantat-assoziierte ALCL, kurz BIA-ALCL, ist eine sehr seltene Erkrankung“, betont Blohmer. Aufgrund der weltweit vorliegenden Daten gehe man von einer jährlichen Inzidenz von weniger als einer von 100.000 Frauen mit Brustimplantaten aus – wobei das Risiko offenbar vorrangig durch texturierte Implantate erhöht werde. Diese Implantate würden gerade in Europa zur Brustrekonstruktion nach einer Mastektomie häufig verwendet, da sie weniger leicht verrutschen.
„Bewiesen ist der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Auftreten eines ALCL und dem Tragen eines Brustimplantats bislang allerdings nicht“, sagt Blohmer. Dazu sei die Datenlage noch zu gering. Am häufigsten wird ein BIA-ALCL nach Informationen der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) 8 Jahre nach Einsetzen eines Implantats diagnostiziert. Das mittlere Alter der Frauen beträgt zum Zeitpunkt der Diagnose 54 Jahre. Die Gesamtüberlebensrate nach 5 Jahren wird mit 89% angegeben.
Weltweit sind bisher 9 Frauen am BIA-ALCL gestorben
Nach Angaben der FDA wurden bis einschließlich Januar 2017 weltweit 359 Fälle eines BIA-ALCL bekannt. 9 Frauen starben an der Erkrankung. Von 231 Frauen liegen Informationen über die Oberfläche der Brustimplantate vor. Demnach trugen 203 dieser Frauen ein Implantat mit texturierter und 28 Frauen eines mit glatter Oberfläche. Darüber hinaus ist bei 312 der erkrankten Frauen das Füllmaterial der Brustimplantate bekannt: 186 Frauen trugen ein Implantat, das mit Silikon gefüllt war; 126 eines, das Kochsalzlösung enthielt.
„Anhand dieser Zahlen Aussagen über die Gefährlichkeit einer bestimmten Oberfläche oder des Füllmaterials zu machen, ist nahezu unmöglich“, sagt Blohmer. Auch die FDA ist sich der Limitationen der bisher vorliegenden Informationen bewusst. Dennoch warnt die Behörde aufgrund der bislang gemachten Beobachtungen insbesondere vor texturierten Implantaten – die in den USA anders als in Europa deutlich seltener als solche mit glatter Oberfläche zum Einsatz kommen. Hierzulande werden Implantate mit glatter Oberfläche Blohmer zufolge vor allem bei Brustvergrößerungen, seltener bei Rekonstruktionen verwendet.
Eine einseitige Schwellung der Brust kann auf die Erkrankung hindeuten
Es sei allerdings nicht nötig, ein Brustimplantat vorbeugend zu entfernen, solange die Frau keine Beschwerden habe, schreibt die FDA. Bemerkbar macht sich die Erkrankung in der Regel durch eine einseitige Schwellung der Brust. „Dabei kann es sich um eine harmlose Kapselfibrose handeln“, sagt Blohmer. Eine Flüssigkeitsansammlung um das Implantat, die im Ultraschall erkennbar sei, könne jedoch auf ein BIA-ALCL hindeuten. In diesem Fall sei eine Punktion und eine zytologische Untersuchung in einem pathologischen Institut angebracht, um zu einer eindeutigen Diagnose zu kommen. Eine jährliche Kontrolle der Implantate per Ultraschall werde den Frauen hierzulande ohnehin empfohlen.
Nach Angaben der AGO geht ein BIA-ALCL in 60% der Fälle mit einer Schwellung und einem Serom einher, in 17% der Fälle mit einer tumorösen Raumforderung und in 20% der Fälle mit Raumforderung und einem Serom. Für Ärzte hierzulande ist es wichtig zu wissen, dass das BIA-ALCL nach §3 MPSV (Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung) als „schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis“ (Serious Adverse Event, kurz SAE) beim BfArM meldepflichtig ist.
Eine erneute Rekonstruktion der Brust nach einem BIA-ALCL ist möglich
Gemäß der vorliegenden Leitlinien, die ebenfalls über die Internetseiten der AGO abrufbar sind, werden nach der Diagnose eines BIA-ALCL das Implantat, der Tumor und gegebenenfalls auffällige Lymphknoten entfernt. „Unter Umständen, etwa bei einer extrakapsulären Tumorausbreitung, schließt sich dann noch eine Chemotherapie an“, erläutert Blohmer. Eine erneute Rekonstruktion der Brust ist möglich; die AGO empfiehlt sie allerdings nach frühestens einem Jahr erscheinungsfreiem Intervall.
REFERENZEN:
1. FDA-Meldung vom 21. März 2017
2. FDA-Update vom 23. März 2017
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Brustimplantate: FDA warnt erneut vor dem Risiko seltener Lymphome – das Thema wird auch in Deutschland diskutiert - Medscape - 10. Apr 2017.
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