Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hat ihr Risikobewertungsverfahren zu Uptravi® (Selexipag, Actelion) abgeschlossen, einem Medikament zur Behandlung der pulmonalen arteriellen Hypertonie (PAH). Es war eingeleitet worden, nachdem in Frankreich 5 damit behandelte Patienten gestorben waren. Die Behörde kommt aber zu dem Schluss, dass das Medikament sicher ist und weiterhin eingesetzt werden kann. Die bisherige Verschreibungsinformation behält ihre Gültigkeit; Änderungen sind basierend auf der Überprüfung nicht notwendig.
Todesfälle und Postmarketing-Daten unter der Lupe
Das Risikobewertungskomitee der EMA (Pharmacovigilance Risk Assessment Committee, PRAC) habe im Rahmen des Verfahrens nicht nur die 5 Todesfälle genauestens untersucht, heißt es in einer Mitteilung der Behörde [1]. Auch Sicherheitsdaten, die nach der Markteinführung von Selexipag gesammelt wurden, sowie Daten aus klinischen Studien und Daten aus Vergleichsuntersuchungen mit anderen PAH-Medikamenten kamen auf den Prüfstand.
Zu den 5 Todesfällen macht die Behörde keine weiteren Angaben. Das PRAC kommt aber zu dem Fazit, dass die untersuchten Daten nicht für einen mit Selexipag assoziierten Anstieg der Mortalität sprächen. Die Todesraten von Patienten, die Selexipag nehmen, entsprächen denjenigen mit anderen PAH-Medikamenten.
PRAC: Kein Anlass für behördliche Maßnahmen
Aus diesem Grund bestehe zum jetzigen Zeitpunkt kein Anlass für spezifische behördliche Maßnahmen. Die Sicherheit von Selexipag soll aber weiterhin überwacht werden. Daten, die sich aus noch laufenden und geplanten Studien ergeben, will das PRAC „sorgfältig auswerten und beurteilen“.
Selexipag ist ein oraler Prostacyclin-Rezeptor-Agonist – das erste Medikament dieser Klasse – und wird zur Langzeittherapie der PAH eingesetzt. Er ist seit Mai 2016 zugelassen in Kombination mit Endothelin-Rezeptor-Antagonisten (ERA) und/oder Phosphodiesterase-Typ-5 (PDE-5)-Inhibitoren, wenn diese Medikamente nicht ausreichend wirken. Bei Patienten, die für eine Therapie mit ERA oder PDE-5-Inhibitoren nicht in Frage kommen, kann Selexipag auch als Monotherapie verordnet werden.
Uneinigkeit über Zusatznutzen
In Deutschland hat das Medikament unabhängig von den in Frankreich aufgetretenen Todesfällen keinen leichten Stand, denn das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat Selexipag in einer frühen Nutzenbewertung keinen Zusatznutzen bescheinigt. Diese Entscheidung wird von Fachleuten kontrovers diskutiert: Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie sieht zumindest bei Patienten unter vorbestehender Kombinationstherapie aus ERA und PDE-5-Inhibitoren mit weiterhin intermediärem Risiko einen deutlichen Zusatznutzen für Selexipag.
Erneute und laufende Risikobewertungsverfahren
Im März hatte das PRAC empfohlen, die Zulassung bestimmter gadoliniumhaltiger Kontrastmittel auszusetzen. Den Herstellern der Kontrastmittel stand jedoch die Möglichkeit offen, eine erneute Untersuchung ihres Produktes zu beantragen. Dies haben mittlerweile einige Unternehmen getan. Der Abschlussbericht des PRAC zu den erneuten Untersuchungsverfahren wird im Juli 2017 erwartet.
Des Weiteren befinden sich beim PRAC derzeit Paracetamol-Tabletten mit verzögerter Wirkstofffreisetzung auf dem Prüfstand. Es geht um die Frage, ob zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden müssen, um Überdosierungen dieser neuen Darreichungsform zu vermeiden.
Ein weiteres Verfahren befasst sich mit dem Risiko für allergische Reaktionen bei Medizinprodukten, die Laktose bovinen Ursprungs für den intravenösen oder intramuskulären Gebrauch enthalten.
Einen bei Hämophilie A eingesetzten, gentechnisch hergestellten Gerinnungsfaktor VIII überprüft das PRAC derzeit auf das Risiko für die Entstehung inhibierender Proteine.
Ebenfalls noch in der Risikobewertung befinden sich Retinoide. Das PRAC überprüft zum einen, ob die Maßnahmen zur Schwangerschaftsverhütung unter der Therapie ausreichen, zum anderen das Risiko für die Entstehung psychischer Störungen.
Zu guter Letzt läuft derzeit auch noch das Risikobewertungsverfahren zu den systemischen und inhalativen Chinolonen und Fluorchinolonen.
REFERENZEN:
1. Meeting Highlights vom Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC) der EMA, 3. bis 6. April 2017
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Nach Todesfällen in Frankreich: EMA gibt Entwarnung zu Selexipag bei pulmonaler Hypertonie – „Medikament ist sicher“ - Medscape - 7. Apr 2017.
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