Washington, D.C. – Nach herzchirurgischen Eingriffen haben Patienten mit geringerer Pumpleistung des Herzens ein erhöhtes Risiko für Organversagen und Tod. Bei niedriger linksventrikulärer Ejektionsfraktion wird oft das Inotropikum Levosimendan gegeben, um die Herzfunktion zu stärken. Doch: In 2 Studien, die auf den American College of Cardiology (ACC) 2017 Scientific Sessions in Washington vorgestellt worden sind, zeigte sich kein protektiver Effekt von Levosimendan im Hinblick auf die Sterblichkeit von Patienten nach Kardiochirurgie. Beide Studien sind im New England Journal of Medicine publiziert.

Prof. Dr. Andreas Markewitz
„Dass die Levosimendan-Infusion die Sterblichkeit nicht verringert hat, ist überraschend“, kommentiert Prof. Dr. Andreas Markewitz, Sekretär der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie e.V. (DGTHG), im Gespräch mit Medscape. Denn aus Reviews und Metaanalysen früherer Studien habe es Hinweise darauf gegeben, dass der Wirkstoff durchaus einen Effekt auf die Sterblichkeit haben könne. „Doch prospektiv randomisierte Studien sind immer besser, so dass die Ergebnisse ernst zu nehmen sind“, ergänzt er.
Prophylaxe kurz vor der Operation
In der 1. Studie (LEVO-CTS) wurde bei Patienten mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion unter 35% kurz vor der herzchirurgischen Operation eine Infusion mit Levosimendan oder Placebo begonnen und 24 Stunden lang fortgeführt [2].
Erstautor Prof. Dr. Rajendra H. Mehta von der Duke University School of Medicine in Durham, USA, und seine Kollegen berichten, dass von 849 Patienten, die entweder Levosimendan oder Placebo erhalten hatten, gleich viele – jeweils 24,5% – den primären Endpunkt der Studie erreichten. Dies war eine Kombination aus Tod innerhalb von 30 Tagen, Nierenersatztherapie, perioperativem Herzinfarkt und mechanischer Herzunterstützung.
Als zweiter primärer Endpunkt wurde eine Kombination aus 30-Tages-Mortalität und mechanischer Herzunterstützung untersucht. Auch dieser Endpunkt unterschied sich nicht signifikant zwischen den beiden Gruppen: 13,1% unter Levosimendan und 11,4% unter Placebo erreichten ihn. Die Rate an Nebenwirkungen war in beiden Gruppen gleich.
Behandlung erst bei hämodynamischer Verschlechterung
In der 2. Studie (CHEETAH), die unter Leitung von Prof. Dr. Giovanni Landoni von der Universität Vita-Salute San Raffaele in Mailand, Italien, stattfand, erhielten die Patienten Levosimendan nicht prophylaktisch [3]. Behandelt wurde erst, wenn sich die Pumpleistung des Herzens nach dem herzchirurgischen Eingriff verschlechterte. In diesem Fall wurde für 48 Stunden oder bis zur Entlassung aus der Intensivstation Levosimendan oder Placebo infundiert. Der primäre Endpunkt war hier die 30-Tages-Mortalität.
Nach Aufnahme von 506 Patienten wurde die Studie abgebrochen, da der fehlende Nutzen der Behandlung abzusehen war. Zu diesem Zeitpunkt hatten 248 Patienten Levosimendan und 258 Placebo erhalten. Die 30-Tages-Mortalität unterschied sich nicht zwischen den beiden Gruppen: 12,9 vs. 12,8%. Auch sekundäre Endpunkte wie die Dauer der Beatmung, des Aufenthaltes auf der Intensivstation und des Krankenhausaufenthaltes waren ähnlich.
„Die CHEETAH-Studie zeigt: Wenn sich der Patient perioperativ hämodynamisch verschlechtert und in einen kritischen Zustand kommt, hat die Gabe von Levosimendan offenbar keinen Nutzen mehr, kommentiert Markewitz. „Ein prophylaktisches Vorgehen ist immer besser“, meint er.
Doch hatte das bei Narkoseeinleitung gegebene Levosimendan für die Patienten in der LVEO-CTS-Studie ja auch keinen Vorteil. „Auch der Ansatz der LEVO-CTS-Studie entspricht nicht vollständig dem, was man heute in der Praxis häufig macht und von Experten empfohlen wird“, erklärt Markewitz, der am Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz die Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie leitet.
Expertenempfehlung – nicht evidenzbasiert
Schon 2015 entwickelten Experten aus Anästhesiologie und Herzchirurgie Empfehlungen zum Umgang mit Levosimendan. Demnach soll bei Patienten mit schlechter Herzfunktion, insbesondere wenn der linke Ventrikel kompromittiert ist, mit der Levosimendan-Behandlung bereits 24 Stunden vor dem operativen Eingriff begonnen werden.
Allerdings: „Diese Empfehlung war und ist nicht durch Evidenz abgedeckt, hat sich aber in der Klinik bewährt“, betont Markewitz. Es gebe allerdings zudem eine nennenswerte Anzahl von Patienten, bei denen Levosimendan wie in den beiden Studien beschrieben eingesetzt werde.
Um klare Verhältnisse hinsichtlich des Nutzens von Levosimendan zu erhalten, sind weitere Studien notwendig, meint er. „Es muss in einer randomisierten Studie untersucht werden, welchen Effekt eine Levosimendan-Gabe hat, mit der schon am Tag vor der Operation begonnen wird.“
Eine Subgruppenanalyse der LEVO-CTS-Studie liefert außerdem Hinweise darauf, dass Patienten mit besonders schlechter Pumpfunktion bis 25% doch von Levosimendan profitieren könnten. Eine weitere Studie, die laut Markewitz sinnvoll wäre, würde deshalb Patienten mit einer Ejektionsfraktion unter 25% – schwerste Herzinsuffizienz – umfassen, denen Levosimendan wie in LEVO-CTS kurz vor dem Eingriff verabreicht wird.
REFERENZEN:
1. 66. American College of Cardiology Scientific Sessions, 17. bis 19. März 2017, Washington/USA
2. Mehta RH, et al: NEJM (online) 19. März 2017
3. Landoni G, et al: NEJM (online) 21. März 2017
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Herzchirurgie: Levosimendan schützt (überraschend) bei Pumpschwäche doch nicht – oder muss es anders eingesetzt werden? - Medscape - 6. Apr 2017.
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