Köln – In Kliniken und Arztpraxen droht in den kommenden Jahrzehnten ein Fachkräftemangel, dem man nur durch innovative Lösungen, etwa neue Berufsgruppen, die Ärzte unterstützen, entgegentreten kann. Wie solche Lösungen in die Praxis umgesetzt werden könnten, erklärten Experten auf dem Gesundheitskongress des Westens in Köln [1].

Karl Ferdinand von Thurn und Taxis
„Vor dem Hintergrund der Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, der Demografie und der Änderungen der Arbeitsanforderungen müssen sich die Gesundheitseinrichtungen auf einen Skill Mix einstellen“, sagte Karl Ferdinand von Thurn und Taxis, der eine Unternehmensberatung mit Schwerpunkt Gesundheitswesen führt. Er moderierte die Veranstaltung „Fachkräftemangel im Gesundheitswesen – neue Berufe als Lösungsansätze“.
Bald 200.000 Ärzte zu wenig
„Skill Mix heißt in der Klinik, dass unterschiedliche Leistungen von unterschiedlich qualifizierten Mitarbeitern erbracht werden“, erklärte Nicolas von Oppen, Geschäftsführer des Klinikums Landshut. Von der Aufhebung der ursprünglichen Klinikstruktur– Ärzte, Pflege und Verwaltung – hin zu neuen Berufsbildern in seinem Klinikum verspricht er sich eine bessere Kooperation zwischen Ärzten und Pflegepersonal, wirtschaftliche Vorteile und eine Entlastung von Ärzten und Pflegepersonal.
„In der Praxis heißt das z.B.: Examinierte Pflegekräfte sind nicht mehr für das Austeilen von Essen zuständig und Gefäßassistenten führen nicht-invasive Untersuchungen durch“, erklärte er die neuen Tätigkeitsfelder unter seinen 1.409 Mitarbeitern, die etwa ein Bachelor-Studium in der Pflege absolviert haben.
Solche Qualifizierungen tun not, denn im Jahr 2035 könnten laut einer im Februar veröffentlichten Analyse des Bundesinstituts für Berufsbildung im deutschen Gesundheitswesen rund 270.000 Fachkräfte fehlen. Da die Gesundheitsbranche jährlich um 2,2% wachse, stelle sich die Frage: „Wo kommen die Leute her, die das Bedarfswachstum an Arbeitskräften decken?“ so von Thurn und Taxis. „Bis 2030 werden uns 200.000 Ärzte fehlen“, so seine größte Befürchtung, auch, da zahlreiche Absolventen statt in der Niederlassung oder im Klinikbetrieb zu arbeiten, lieber Jobs in Wirtschaft, Verwaltung oder Forschung annehmen.
Zudem finde eine „Feminisierung der Branche“ statt. In Spezialisierungen wie Anästhesie und Kinderpsychiatrie sei der Anteil der Frauen besonders hoch. Ärztinnen, sagte er, wünschen sich häufig eine Anstellung in Teilzeit. „Daher muss die Branche dringend Maßnahmen ergreifen, die die Lücke zwischen Bedarf und Angebot schließen“, forderte er. Eine Maßnahme sei Zusatzqualifikation, etwa in Form einer akademischen Ausbildung oder eines Curriculums für Mitarbeiter in Kliniken oder Arztpraxen – oder auch für Branchenfremde, um Ärzte speziell bei ihren administrativen Tätigkeiten zu entlasten.
Entlastung für Neurologen
Auf diese Möglichkeit greifen neuerdings auch die niedergelassenen Neurologen und Psychiater in Nordrhein-Westfalen zurück, die eine Spezialisierungsqualifikation zur „Entlastenden Versorgungsassistentin für Medizinische Fachangestellte (MFA) aus neurologischen und nervenärztlichen Praxen (EVA-NP)“ auf den Weg gebracht haben. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Westfalen-Lippe bietet in ihren Praxen diese Weiterbildung bereits an; die KV Nordrhein zieht jetzt nach.
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Diesen Artikel so zitieren: EVAs und Physician Assistants: Neue Berufsgruppen sollen in Zukunft Mediziner und Pflegende entlasten - Medscape - 4. Apr 2017.
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