Mukoviszidose, COPD oder Asthma früher erkennen: Gasauswasch-Verfahren bereichern die Lungenfunktions-Diagnostik

Dr. Thomas Meißner

Interessenkonflikte

4. April 2017

Stuttgart – Gasauswasch-Verfahren könnten die Spirometrie künftig ergänzen. Denn sie erweisen sich zunehmend als sensitive diagnostische Methoden, um frühzeitig schwere Lungenveränderungen erkennen und deren Verlauf beurteilen zu können, so das Fazit des Symposiums „Frühdiagnostik von Atemwegserkrankungen“ beim 58. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) in Stuttgart [1].

Die meisten Erfahrungen für das Kindesalter liegen derzeit bei der Mukoviszidose vor (Cystische Fibrose, CF), für Erwachsene könnten Methoden wie der Mehrfache Stickstoffauswasch-Test zum Beispiel bei Chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD), eventuell bei Asthma bronchiale sowie bei Bronchiektasen bedeutsam werden.

„Der Lung Clearance Index ist ein altersunabhängiger, stabiler und reproduzierbarer Parameter. Ein Lung Clearance Index (LCI)-Normalwert von 8,0 gilt für den 9-Jährigen ebenso wie für den 50-Jährigen“, erklärte Prof. Dr. Martin Kohlhäufl von der Klinik Schillerhöhe, Stuttgart-Gerlingen, beim DGP-Kongress. Ein Vorteil des Mehrfachen Stickstoffauswasch-Tests sei, dass die Messungen in Ruheatmung erfolgten – forcierte Atemmanöver erübrigen sich.

Spirometrie erfasst Gewebeumbau bei chronischen Lungenerkrankungen erst spät

Notwendig sind neue, nicht-invasive und praktikable Lungenfunktionstests, weil die übliche Spirometrie Gewebeumbauprozesse chronischer Lungenerkrankungen erst spät erfasst – und persistierende Entzündungsprozesse wie bei manchen Asthmaformen unzureichend. Die kleinen Atemwege machen 95% des gesamten Lungenvolumens aus, lassen sich aber mit den konventionellen Methoden kaum abbilden: Spirometrie-Werte lassen vor allem Schlussfolgerungen auf den Zustand der zentralen Atemwege zu.

 
Der Lung Clearance Index ist ein altersunabhängiger, stabiler und reproduzierbarer Parameter. Prof. Dr. Martin Kohlhäufl
 

Daher laufen Pneumologen mit ihren therapeutischen Möglichkeiten den pathophysiologischen Ereignissen hinterher. Bessere Therapieerfolge werden künftig nur mit besseren diagnostischen Instrumenten zu erzielen sein, die die pathologischen Prozesse frühzeitig erkennen lassen.

Die bereits seit über 60 Jahren bekannten Gasauswasch-Tests könnten ein solches Instrument sein, zumal mit Gassensoren und Computern heute eine differenzierte und praktikable Diagnostik möglich geworden ist.

Beim Mehrfachen Stickstoffauswaschtest (MBW – Multiple Breath Gas Washout) wird zum Beispiel gemessen, wie viele Atemzüge und wie lange man braucht, bis unter 100%-iger Sauerstoffinhalation der vorhandende Stickstoff (N2) aus der Lunge weitgehend ausgewaschen ist (2,5% des Ausgangswerts). Aus dem Atemmuster lässt sich der Lung Clearance Index ermitteln. Differenzieren lassen sich zudem Ventilations-Inhomogenitäten in den konduktiven Atemwegsabschnitten sowie solche im Alveolar-Bereich.

Mukoviszidose-Ambulanz ohne MBW „nicht mehr up-to-date“

„Wir wissen schon lange, dass bei CF-Patienten mit völlig normaler Spirometrie in CT-Aufnahmen sehr deutliche strukturelle Veränderungen vorliegen können“, sagte Prof. Dr. Monika Gappa vom Marien-Hospital in Wesel. Dies sei teilweise bereits im Alter von unter einem Jahr der Fall, so die Kinderpneumologin.

Sie verwies auf eine britische Studie, wonach mit der Kombination aus Bodyplethysmografie, forcierter Expiration (RVRTC – Raised Volume Rapid Thoraco-abdominal Pressure) und der Bestimmung des LCI bei einem Drittel der Mukoviszidose-Patienten im Alter von nur 3 Monaten eindeutig krankhafte Veränderungen feststellbar waren. Aus anderen Studien geht hervor, dass sich mit dem LCI frühzeitig Kinder mit voraussichtlich schwerem Verlauf einer CF identifizieren lassen.

Allerdings ist die Funktionsdiagnostik im Säuglingsalter – unter anderem wegen der notwendigen Sedierung – technisch aufwändig und zeitaufwändig und daher Studien vorbehalten. Ab dem Vorschulalter gewinnt der LCI-Wert an klinischer Bedeutung, wenngleich die Untersuchung noch nicht kooperativer Kinder großer Erfahrung bedarf.

Bei Kindern und Erwachsenen mit Mukoviszidose lassen sich die Effekte intravenöser Antibiotika-Therapien sowie Behandlungen mit den neuen kausal ansetzenden Therapien (CFTR [Cystic Fibrosis Transmembrane conductance Regulator]-Modulatoren) sensitiver abbilden als mit der üblichen Ein-Sekunden-Kapazität (FEV1). Gappa: „Eine CF-Ambulanz ohne Multiple Breath Washout ist heute nicht mehr up to date.“

Für Kinder mit Asthma, Alpha-1-Antitrypsinmangel oder auch mit beginnender chronisch obstruktiver Lungenerkrankung ist der Stellenwert der Gasauswaschverfahren noch nicht gesichert.

COPD-Risikopatienten frühzeitig erkennen

Bei Erwachsenen lassen sich nach Angaben von Dr. Kim Husemann raucherinduzierte Erkrankungen der kleinen Atemwege frühzeitig erfassen. Husemann ist Fachärztin für Innere Medizin und Pneumologie in einer internistischen Facharztpraxis des MVZ Klinikums Kempten. Bei Emphysem-Patienten hat sich der LCI als sensitiver erwiesen als die FEV1. „36% der aktiven Raucher und 48% der Ex-Raucher mit normaler Spirometrie zeigen Auffälligkeiten beim LCI“, sagte Husemann mit Verweis auf eine Studie bei 73 asymptomatischen Rauchern.

 
Eine CF-Ambulanz ohne Multiple Breath Washout ist heute nicht mehr up to date. Prof. Dr. Monika Gappa
 

Fast 90% der Raucher mit späterer COPD weisen bereits zuvor pathologische MBW-Werte auf. Besonders unter Rauchern mit über 10 Packungsjahren (Anzahl der täglich gerauchten Zigarettenpackungen multipliziert mit Raucherjahren) lassen sich Risikopatienten identifizieren.

Ähnliche Erfahrungen sind bei nicht-raucherbedingten Emphysemen oder bei Alpha-1-Antitrypsin-Mangel sowie nach Lungentransplantationen mit chronischen Abstoßungsreaktionen gemacht worden. Husemann: „Schäden lassen sich erkennen, die womöglich bereits in der Lungen-Computertomografie erkennbar sind.“ Auch nicht-CF-bedingte Bronchiektasen ließen sich eher feststellen als mit der herkömmlichen Spirometrie.

Studien zur klinischen Anwendung von Gasauswaschverfahren laufen

Noch ist es allerdings nicht soweit, dass sich aus bestimmten MBW-Messwerten bei individuellen Patienten konkrete klinische Konsequenzen ableiten lassen. Entsprechende Studien laufen.

Dr. Sylvia Nyilas vom Universitätsspital Bern wies darauf hin, dass die derzeit auf dem Markt befindlichen Geräte, darunter ein stationäres und 2 portable Geräte, nicht für alle Altersgruppen gleichermaßen geeignet sind. Außerdem seien die Messwerte aus verschiedenen Geräten nicht miteinander vergleichbar, zudem würden unterschiedliche Tracer-Gase verwendet. Die Messdauer beim MBW liegt zwischen 20 und 30 Minuten, Single-Breath-Washout (SBW)-Tests erfordern lediglich eine Minute.

Und eines machten die Pneumologen in Stuttgart ebenfalls klar: Ohne klinischen Kontext sind MBW-Befunde nur begrenzt aussagekräftig.



REFERENZEN:

1. 58. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, 22. bis 25. März 2017, Stuttgart

Kommentar

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