Studie bestätigt höheres Risiko für Klappenthrombosen nach TAVI – orale Antikoagulation schützt, DAPT aber nicht

Patrice Wendling

Interessenkonflikte

3. April 2017

Washington, D.C. – Bei Transkatheter-Aortenklappen-Implantationen (TAVI) bilden sich häufiger und auch schwerere subklinische Thromben an den Segeln der implantierten Aortenklappen als bei der chirurgischen Aortenklappen-Implantation (SAVI). Darauf weisen Beobachtungsdaten hin, die beim 66. Jahreskongress des American College of Cardiology (ACC) in Washington vorgestellt worden sind [1]. Die Daten lassen auch den Schluss zu, dass eine orale Antikoagulation einen gewissen Schutz vermittelt, die duale Plättchenhemmung (Dual Anti-Platelet Therapy, DAPT) jedoch nicht.

Von 890 Patienten aus den Registern RESOLVE und SAVORY mit interpretierbaren Scans der zeitaufgelösten Computertomographie, kurz 4D-CT, hatten 3,6% der 138 SAVI-Patienten und 13,4% der 752 TAVI-Patienten eine subklinische Aortenklappen-Thrombose (p < 0,0001). Warfarin und neue orale Antikoagulanzien (NOAK) erwiesen sich als gleichermaßen protektiv. Nur 8 von 224 Patienten (4%), die Antikoagulanzien erhielten, hatten eine subklinische Thrombose, unter 208 Patienten mit dualer Antiplättchentherapie waren es dagegen 31 (15%) (p < 0,0001).

„Was wir daraus lernen können, ist, dass die duale Plättchenhemmung nicht viel bringt. Wenn Sie also einem alten, gebrechlichen Patienten, dessen Blutungsrisiko erhöht ist, keine duale Plättchenhemmung geben können, brauchen Sie sich deswegen nicht allzu schlecht zu fühlen. Das ist die erste praktische Konsequenz, die ich aus unseren Ergebnissen ziehen würde“, sagte Seniorautor Dr. Raj Makkar vom Cedars-Sinai Medical Center, Los Angeles, USA, gegenüber Medscape. Bei jüngeren Patienten dagegen, die weniger Begleiterkrankungen hätten und auch immer häufiger eine TAVI erhielten, könnte die Verordnung einer oralen Antikoagulation eine wichtigere Überlegung sein, ergänzte er.

 
Was wir daraus lernen können, ist, dass die duale Plättchenhemmung nicht viel bringt. Dr. Raj Makkar
 

Antikoagulanzien können Thromben auflösen

Für 58 Patienten mit Aortenklappen-Thrombosen standen Follow-up-CT-Scans zur Verfügung: Bei allen Patienten, die 3 Monate lang Warfarin oder ein NOAK erhielten, lösten sich die Thromben auf. Dagegen blieben sie bei 20 von 22 Patienten, bei denen nicht antikoaguliert worden war, bestehen oder wurden sogar schlimmer (p < 0,0001). Außerdem kam es bei 4 von 8 Patienten, bei denen die Antikoagulation abgesetzt worden war, erneut zu Bewegungsstörungen in den Segeln der implantierten Aortenklappe. Dies war bei keinem der 15 Patienten der Fall, die weiter eine Antikoagulation bekamen (p = 0,008).

„Diese Daten werfen die Frage auf, ob wir die Antikoagulationsdauer nach einem Aortenklappenersatz verlängern sollten“, sagte einer der Diskussionsteilnehmer beim Kongress, Dr. David H. Adams vom Mount-Sinai Hospital, New York, USA, gegenüber Medscape. „Sicher ist, dass wir mehr Daten brauchen.“

Eine weitere Diskussionsteilnehmerin, Dr. Alexandra Lansky von der Yale University, New Haven, USA, sagte gegenüber Medscape, dass die Studie „sehr wichtig und sehr beeindruckend“ sei. Sie merkte außerdem an, dass die subklinische Aortenklappen-Thrombose erst vor wenigen Jahren per Zufall entdeckt worden sei. Die Daten reichten noch nicht aus, um die Antikoagulationspraxis im klinischen Alltag zu verändern. „Wir müssen die klinischen Studien abwarten. Derzeit laufen viele, viele klinische Studien, die Antikoagulation, NOAK, Warfarin usw. untersuchen. Wir müssen abwarten, um zu sehen, ob das wichtig ist und wie wir damit umgehen sollen“, fügte sie hinzu.

Auswirkungen der reduzierten Segelbewegung auf die Haltbarkeit der Aortenklappen noch unbekannt

Die Late-Breaking-Studie, die zeitgleich online in Lancet erschienen ist, umfasst 657 Patienten aus dem RESOLVE-Register des Cedars-Sinai Heart Institute und 274 Patienten aus dem SAVORY-Register des Ringshospitalet in Kopenhagen [2]. Insgesamt wurden 16 Klappendesigns untersucht, darunter Edwards-Sapien™/Sapien XT™/Sapien 3™ (Edwards Lifesciences) Evolut™/CoreValve™ (Medtronic), Lotus™ (Boston Scientific), Portico™ (Abbott), Perimount™ und Magna™ (Carpentier-Edwards). Zwischen SAVI und 4D-CT-Scan lagen median 163 Tage, zwischen TAVI und 4D-CT-Scan dagegen 58 Tage.

 
Diese Daten werfen die Frage auf, ob wir die Antikoagulations- dauer nach einem Aortenklappenersatz verlängern sollten. Dr. David H. Adams
 

Die Gesamtinzidenz subklinischer Aortenklappen-Thrombosen (Reduktion der Segelbewegung im CT um 50% oder mehr) betrug 11,9%. Im Vergleich dazu war eine frühere Untersuchung von Makkar zu Raten von 13% (im Register) und 40% (klinische Studie) gelangt.

Abhängig von der Art des TAVI-Devices variierte die Häufigkeit reduzierter Segelbewegungen zwischen 0 und 30% und variierte auch über die Zeit. Als dies bei einer Pressekonferenz angesprochen wurde, setzte Makkar Spekulationen schnell ein Ende und wies darauf hin, dass die Studie nicht darauf ausgelegt gewesen sei, Unterschiede zwischen den einzelnen Klappen-Typen aufzuzeigen. Außerdem sei die Zahl der Klappen zu gering gewesen, um aussagekräftige Schlussfolgerungen zu ziehen.

Ebenfalls unbekannt sind die Auswirkungen der reduzierten Segelbewegung auf die Haltbarkeit der Aortenklappen über mehrere Jahre. Patienten mit reduzierter Segelbewegung hätten häufiger eine Erhöhung des Druckgradienten um mehr als 20 mmHg aufgewiesen, oder es sei bei ihnen zu einem neuen Anstieg des Gradienten um 10 mmHg gekommen, berichtete Makkar. Gleichzeitig hatten aber 86% der Patienten mit reduzierter Segelbewegung keine Erhöhung des Druckgradienten. „Wir können spekulieren, dass dies einen Effekt auf die langfristige Haltbarkeit haben könnte, aber ich denke, es wird sehr schwierig sein, das zu beweisen“, sagte Makkar gegenüber Journalisten.

Ein weiterer wichtiger Befund: Die Schlaganfallraten unterschieden sich zwar nicht nur signifikant zwischen den Patienten mit und ohne Thromben (5,7 vs. 2,8%; p = 0,10), doch die Raten an transienten ischämischen Attacken (TIA; 5,7 vs. 0,9%; p = 0,0005) und der Kombination aus Schlaganfall und TIA (10,4 vs. 3,4%; p = 0,001) waren bei Patienten mit Segelthrombosen signifikant höher. Makkar betonte, dass die Ergebnisse keinen Beweis für eine Kausalität lieferten. Sie zeigten nur eine Assoziation auf, die in randomisiert-kontrollierten Studien wie GALILEO und ATLANTIS weiter untersucht werde.

Diskussionsteilnehmer Dr . Robert O . Bonow von der Northwestern University, Chicago, USA, sagte: „Es herrscht großes Interesse, was dies klinisch bedeutet“, doch, „ich wäre vorsichtig zu sagen, dass es einen echten Unterschied zwischen SAVI und TAVI gibt, angesichts der kleinen Patientenzahl. Und auch wenn die Zeit offenbar kein signifikanter Faktor war, wurde der CT-Scan doch bei den SAVI-Patienten viel später durchgeführt.“

 
Wir sind weit davon entfernt zu sagen, dass jeder Patient, bei dem eine TAVI durchgeführt wird, gescreent werden sollte. Dr. Raj Makkar
 

Bonow fragte, ob die Leitlinien geändert werden sollten, und Makkar antwortete: „Ich denke, unsere Ergebnisse können die Diskussion anregen, doch Veränderungen müssen letztlich aus klinischen Studien kommen.“ Die aktuellen europäischen und US-amerikanischen Leitlinien empfehlen die duale Plättchenhemmung als Standardtherapie nach TAVI, aber keine routinemäßige Antikoagulation nach dem Eingriff.

Fragen von praktischer Bedeutung: Wie lange antikoagulieren?

Auf die Frage, welche Patienten auf eine subklinische Aortenklappen-Thrombose gescreent werden sollten, sagte Makkar: „Wir sind weit davon entfernt zu sagen, dass jeder Patient, bei dem eine TAVI durchgeführt wird, gescreent werden sollte“, doch die Grenze für einen Verdacht „sollte etwas herabgesetzt werden, da immer mehr jüngere Patienten damit behandelt werden.“ Er ergänzte: „Wenn Sie eine neue TIA oder einen Schlaganfall haben, wenn es zu einer neuen Herzinsuffizienz kommt oder der Druckgradient ansteigt, selbst bei einem kleinen Anstieg, sollten Sie die Schwelle für einen CT-Scan niedrig ansetzen.“

Zur Frage, wie lange antikoaguliert werden sollte, sagte Makkar: „Was wir in unserer Studie gezeigt haben, ist, dass 3 Monate Behandlung nicht ausreichend sind, denn bei mindestens der Hälfte der Patienten kam es zu einem Rezidiv“, doch weitere Antworten könnten nur die derzeit laufenden Studien liefern, die eine 1-jährige Antikoagulation mit NOAK untersuchen.

Ganz in diesem Sinne schreiben Dr. Jeroen J. Bax vom Universitätsklinikum Leiden, Niederlande, und Dr. Gregg W . Stone vom Columbia University Medical Center, New York, USA, in einem Editorial in Lancet [3]: „Unserer Einschätzung nach wären Veränderungen der Leitlinien zu Art und Timing der Bildgebung und Therapie nach SAVI und TAVI basierend auf dem derzeitigen Wissensstand verfrüht. Nichtsdestotrotz hat die Studie wichtige neue Informationen geliefert, die die künftige Forschung leiten werden.“


Dieser Artikel wurde von Nadine Eckert von www.medscape.com übersetzt und angepasst.



REFERENZEN:

1. American College of Cardiology Scientific Sessions, 17. bis 19. März 2017, Washington, D.C./USA

2. Chakravarty T, et al: Lancet (online) 19. März 2017

3. Bax J, Stone G: Lancet (online) 19. März 2017

Kommentar

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