Die regelmäßige, ärztlich überwachte Einnahme von Fischöl-Kapseln kann sich durchaus lebensverlängernd auswirken – allerdings nur für 2 Patientengruppen. Zu diesem Ergebnis kommt ein aktuell im Fachblatt Circulation veröffentlichter Report der American Heart Association (AHA) [1].
So kann nach Auswertung der aktuellen Studienlage zum einen bei Patienten mit bereits bestehender koronarer Herzerkrankung durch die Supplementierung mit Omega-3-Fettsäuren die Mortalität um etwa 10% gesenkt werden. Die auf dieser Grundlage ausgesprochene Einnahmeempfehlung der AHA-Autorengruppe entspricht damit weiterhin der Empfehlung des vorangegangenen Reports der American Heart Association aus dem Jahr 2002.
„Neu ist, dass Menschen mit Herzinsuffizienz ebenfalls von den Omega-3-Fettsäure-Supplementen profitieren können“, wird Prof. Dr. David S. Siscovick, Leiter des AHA-Autorenteams von der New York Academy of Medicine, in einer Pressemitteilung zitiert. Tatsächlich finden sich mittlerweile Hinweise darauf, dass durch die Einnahme der Nahrungsergänzungsmittel sowohl die Sterblichkeit als auch die Hospitalisierungsrate bei Herzinsuffizienzpatienten mit reduzierter Ejektionsfraktion um rund 9% vermindert werden können. Auch für diese Patientengruppe sprechen Siscovick und seine Kollegen deshalb eine Empfehlung zur regelmäßigen Einnahme aus.

Prof. Dr. Clemens von Schacky
Prof. Dr. Clemens von Schacky, Leiter der Präventiven Kardiologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Geschäftsführer der Omegametrix GmbH, hofft nun, dass die Empfehlungen der US-amerikanischen Autoren auch ins Bewusstsein der europäischen Ärzte gelangen. „Die Einnahmeempfehlung von Omega-3-Fettsäuren für Herzinsuffizienzpatienten beruht auf einer bereits mehrere Jahre alten Studie. Trotzdem sind die Vorteile für die Patienten unter europäischen Medizinern noch weitgehend unbekannt“, so von Schacky gegenüber Medscape.
Die Vorgehensweise der AHA-Gruppe wird von ihm zudem gelobt: „Die Autoren betrachten verschiedene Patientenpopulationen und geben überdies an, wenn sich kein einstimmiges Votum für eine bestimmte Empfehlung in der Autorengruppe fand“, sagt von Schacky. Auf diese Weise ließe sich die Entscheidungsfindung besser nachvollziehen als es bei vielen Leitlinien der Fall sei.
15 randomisierte klinische Studien wurden ausgewertet
Die US-amerikanischen Verfasser begutachteten für ihre aktuelle Bewertung alle randomisierten klinischen Studien, die einen möglichen präventiven Effekt von Omega-3-Fettsäure-Supplementen auf kardiovaskuläre Erkrankungen untersuchten. 2 dieser Studien waren vor 2002 – also dem Erscheinungsjahr des ersten AHA-Reports zum Thema – publiziert worden, 13 weitere danach. Alle Studien bewerteten den klinischen Nutzen der Fischöl-Kapseln hinsichtlich kardiovaskulärer Endpunkte wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Vorhofflimmern oder Herzinsuffizienz.
Die Autoren konzentrierten sich für ihre Auswertung überdies auf verschiedene Populationen (Allgemeinbevölkerung sowie Patienten mit Vorhofflimmern, einem vorangegangenen Schlaganfall oder Herzinfarkt u.a.), die im Rahmen der jeweiligen Studien im Schnitt rund 1.000 mg Omega-3-Fettsäuren pro Tag eingenommen hatten.
Fischöl senkt Mortalität nach einem Herzinfarkt und bei Herzinsuffizienz
Siscovick und seine Kollegen hoffen nun, dass Ärzte bei der Frage, für welche Patienten sich die Supplementierung lohnen könnte, den vorliegenden Report als Entscheidungsgrundlage heranziehen. Und lohnen, schreiben sie, könnte sich nach Auswertung der derzeitigen Studienlage die Nahrungsergänzung mit Fischöl-Kapseln bei Patienten mit spezifischen, klinischen kardiovaskulären Indikationen, inklusive Patienten mit einem vorangegangenen Herzinfarkt (Mortalität: -10%) oder bei Herzinsuffizienzpatienten (Mortalität und Hospitalisierungsrate: -9%).
Keine Empfehlung dagegen können die Autoren für eine kardiovaskuläre Primärprävention mit Fischöl-Kapseln aussprechen – hier fehlten schlicht entsprechende Studien. „Da es keine veröffentlichten randomisierten klinischen Studien zur Primärprävention chronischer Herzerkrankungen, Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern gibt, können wir keine Empfehlungen für diese Indikationen aussprechen“, schreibt das Autorenteam. Ein vorerst vermutlich enttäuschendes Ergebnis für die knapp 19 Millionen US-Amerikaner (7,8% der erwachsenen US-amerikanischen Bevölkerung), die im Jahr 2012 laut Schätzungen bereits Omega-3-Fettsäure-Supplemente einnahmen.
Geringerer Effekte durch bessere Versorgung von Herzpatienten und mehr Fischkonsum
Als erwähnenswert erachteten die Autoren in ihrem Report aber auch, dass die neueren für den Bericht herangezogenen Studien eher geringere Effekte durch Omega-3-Fettsäuren belegen konnten als die weiter zurückliegenden. Das könne ihrer Ansicht nach mehrere Gründe haben. Zum einen seien Omega-3-Fettsäuren zunehmend in die öffentliche Aufmerksamkeit gerückt, und damit habe sich auch der Fischkonsum in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gesteigert. Eine zusätzliche Einnahme von Fischöl-Kapseln habe deshalb vermutlich nur noch kleinere messbare Wirkungen erzielen können.
Aber auch die bessere Versorgung herzkranker Menschen mit Statinen, Beta-Blockern, ACE-Hemmern u.a. könnte die Nutzenspanne der zusätzlichen Einnahme von Omega-3-Fettsäuren eingeschränkt haben. Für einen solchen Effekt spreche auch, dass in den neueren Studien die Zahl der auftretenden kardiovaskulären Events regelmäßig zunächst überschätzt wurde und die Statistik im Studienverlauf angepasst werden musste.
Kritik am Design der Studien
Von Schacky stimmt den vorgebrachten Argumenten der AHA-Autoren zu. Er bemängelt aber auch verschiedene Details an den Studien selbst. „In keiner der herangezogenen Studien wurden eingangs die Omega-3-Fettsäurespiegel bei den Patienten überprüft“, erklärt er. Er selbst hat gemeinsam mit Prof. Dr. William S. Harris von der Sanford University, USA, den Omega-3-Index entwickelt. Der Index erfasst den Gehalt eines Menschen an den beiden Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaen- und Docosahexaensäure und wird als Prozentanteil der gesamten n-3-Fettsäuren ausgedrückt. Optimalerweise liegt der Omega-3-Index zwischen 8% und 11%. Patienten mit bereits optimalen Ausgangswerten profitierten nicht mehr von einer Supplementierung, so von Schacky.
Kein Wert sei in den Studien zudem auf den Tageszeitpunkt der Einnahme der Fischöl-Kapseln gelegt worden, ergänzt er. Vor dem Frühstück eingenommen sei die Aufnahme der Omega-3-Fettsäuren aber schlechter als nach der Nahrungsaufnahme, erklärt von Schacky.
In derzeit laufenden Studien sei man mittlerweile dazu übergegangen, höhere Dosierungen einzusetzen (in der REDUCE IT-Studie beispielsweise 4 g Eicosapentaensäure/Tag) und eine Einnahme der Kapseln mit den Mahlzeiten zu empfehlen, sagt er. Möglicherweise zeichneten sich Effekte der Supplementierung dadurch wieder deutlicher ab.
Bis die neuen Erkenntnisse vorliegen empfehlen die AHA-Autoren, ruhig auch die Präferenzen der Patienten in die Entscheidung pro oder contra Fischöl-Kapseln mit einzubeziehen. Denn auch wenn der Nutzen in vielen Fällen noch unsicher sei, hätten sich zugleich keine Hinweise auf erhebliche Risiken durch die Omega-3-Fettsäuren-Supplementierungen ergeben.
REFERENZEN:
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: AHA empfiehlt Fischöl bei Herzinsuffizienz und KHK – 10 Prozent geringere Sterblichkeit und Hospitalisierungen - Medscape - 31. Mär 2017.
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