Borderline-Störung: Schluss mit dem therapeutischen Pessimismus – spezielle Psychotherapien sind effektiv und wirksam

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

30. März 2017

Spezialisierte Psychotherapien, allen voran dialektisch-behaviorale Therapien sowie psychodynamische Ansätze, sind bei Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) effektiv. Zu diesem Fazit kommt eine Metaanalyse von 33 Studien, die jüngst in JAMA Psychiatry veröffentlicht worden ist [1].

Jutta Winterling

„Die Metaanalyse zeigt, dass Borderline-Patienten unbedingt eine Psychotherapie angeboten werden sollte“, betont Jutta Winterling, Psychologische Psychotherapeutin (Verhaltenstherapie), Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz. „Lange herrschte bei der Borderline-Störung ein gewisser therapeutischer Pessimismus. Die Patienten galten als therapeutisch schwer erreichbar und vor allem schwer in einer Behandlung zu halten“, berichtet die Psychologin, die selbst die Therapie der Erkrankung seit Jahren erforscht.

Neue Therapieansätze wecken Hoffnung

Diese Auffassung hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten gewandelt, denn es gab immer mehr Evidenz für die Wirksamkeit neu entwickelter spezialisierter Behandlungsansätze für BPS-Patienten. „Die erste Therapie, die entwickelt wurde, war die Transference-Focused-Psychotherapy (TFP), die übertragungsfokussierte Psychotherapie“, berichtet Winterling. „Kurz darauf folgten etwa zeitgleich die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) und die Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT). „Heute ist das Feld sehr lebendig und es werden jedes Jahr neue Behandlungsansätze unterschiedlicher Provenienz entwickelt und untersucht.“

Die Metaanalyse von Dr. Ioana A. Cristea von der Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Babeş-Bolyai-Universität im rumänischen Cluj-Napoca und ihren Koautoren umfasst insgesamt 2.256 erwachsene Patienten mit BPS.

„Alle untersuchten Psychotherapien waren im Hinblick auf Borderline-Symptome, selbstverletzendes und suizidales Verhalten, Inanspruchnahme medizinischer Leistungen und die allgemeine Psychopathologie moderat effektiver als Kontrollinterventionen“, berichten Cristea und ihre Kollegen.

 
Die Metaanalyse zeigt, dass Borderline-Patienten unbedingt eine Psychotherapie angeboten werden sollte. Jutta Winterling
 

Als typische Borderline-Symptome gelten z.B. affektive Instabilität, eine ausgeprägte Instabilität des Selbstbildes oder auch das verzweifelte Bemühen, reales oder imaginäres Verlassenwerden zu vermeiden.

Patienten in der Therapie halten

Welche Effekte mit einer Psychotherapie erzielt werden, hängt außerdem davon ab, wie gut es gelingt, den Patienten für eine längere Zeit in der Behandlung zu halten. „Das ist bei Borderline-Patienten eine der größten Herausforderungen und das ist, was alle neuen Therapieansätze als wesentliches Ziel verfolgen“, sagt Winterling.

 
Alle untersuchten Psychotherapien waren … moderat effektiver als Kontrollinterventionen. Dr. Ioana A. Cristea
 

Dieses Ziel erreichen sie offenbar auch, denn Unterschiede bei den Therapieabbrüchen gab es zwischen den Gruppen nicht.

Die richtige Therapie für das richtige Symptom

Interessant wäre nun zu schauen, wie sich die unterschiedlichen Therapieansätze auf verschiedene Ergebnismaße auswirken, sagte Winterling, denn: „Die Outcome-Kategorien sind in der Metanalyse von Cristea und Kollegen sehr breit gefasst für eine Erkrankung wie die Borderline-Störung, die ein sehr heterogenes Erscheinungsbild aufweist.“

Nach DSM-5 müssen für die Diagnose einer BPS 5 von 9 Diagnosekriterien erfüllt sein, so ergeben sich sehr unterschiedliche Symptomkonstellationen. „Der eine Patient ist möglicherweise mehr daran interessiert, dass sich impulsivitätsassoziierte Symptome wie selbstverletzendes Verhalten verbessern, der andere hat viel mehr mit chronischer Dysphorie zu kämpfen“, erklärt Winterling.

Die DBT fokussiere sich z. B. eher auf impulsive Symptome, während die für die BPS weiterentwickelten psychodynamischen Ansätze eher auf die interpersonelle Ebene schauten. „Ich denke, dann wären auch größere Effekte sichtbar.“



REFERENZEN:

1. Cristea IA, et al. JAMA Psychiatry (online) 1. März 2017

Kommentar

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