Noch unpubliziert – Pneumologen geben bei ihrem Kongress Ausblick auf die neue deutsche Leitlinie zur COPD

Manuela Arand

Interessenkonflikte

29. März 2017

Stuttgart – Die lang erwartete  Neufassung der Leitlinie zur chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD)  nähert sich offenbar der Vollendung. Erste Hinweise, wo sich Überschneidungen  mit dem Report der Global Initiative for COPD (GOLD) finden und wo die Deutschen davon abweichen, gab es beim Kongress der  Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin in Stuttgart [1].

Diskrepanzen schon bei der COPD-Definition

Die Diskrepanzen beginnen  bereits bei der Definition der COPD: Während in den internationalen  Empfehlungen die Inflammation komplett gestrichen wurde, hält die deutsche  Leitlinie daran fest. Die COPD sei „assoziiert mit einer gesteigerten  Entzündungsreaktion in den Atemwegen“ infolge einer langjährigen Inhalation von  Partikeln oder Gasen, heißt es in der – noch nicht publizierten – Version des  Leitlinientextes, die Prof. Dr. Heinrich  Worth, Fürth, in Stuttgart vorstellte.

           

Prof. Dr. Claus F. Vogelmeier

           

Eine wichtige Erkenntnis der  letzten Jahre liegt in der Tatsache, dass es offenbar Menschen gibt, die mit  schlechteren Chance an den Start ins Erwachsenenleben gehen: Ihre  Lungenwachstum erfolgt verzögert, ihre FEV1 liegt schon mit 20 deutlich unter  der Norm, sodass sie schneller in eine manifeste COPD abrutschen, selbst wenn  sie nie im Leben rauchen.

„Auf diese Menschen müssen wir  künftig stärker achten“, so Worth. Der Ansicht ist auch Prof. Dr. Claus F. Vogelmeier, Chef der Pneumologie am  Universitätsklinikum Marburg. Denn diese Patienten haben nicht nur eine  schlechtere Lungen-, sondern auch eine schlechtere Herzfunktion. „Das ist ein  Multiorganproblem“, so Vogelmeier. Wenn die Daten stimmen, trifft das auf jeden  zweiten COPD-Patienten zu.

Was es bei der Anamnese zu beachten gilt

Zur Anamnese gehört natürlich  trotzdem die Frage nach dem Rauchen, aber auch nach beruflicher  Schadstoffexposition. „Ein  großer Vorteil der deutschen Leitlinie ist, dass es ein ausführliches Kapitel  zur Arbeitsmedizin geben wird“, kommentierte Vogelmeier. Darin findet  sich auch eine lange Liste potenziell gefährdeter Berufsgruppen.

Außerdem muss nach Asthma und  Allergien gefragt werden – schließlich gibt es Menschen, die an Asthma und COPD  leiden, ob man das nun Asthma-COPD-Overlap nennen mag oder nicht. Schon GOLD  2017 hat übrigens das S am Ende fallen lassen und spricht nur noch von ACO, um  klar zu machen, dass es sich eben nicht um ein Syndrom handelt, sondern um 2 nebeneinander  bestehende Krankheiten.

 
Ein großer Vorteil der deutschen Leitlinie ist, dass es ein ausführliches Kapitel zur Arbeitsmedizin geben wird. Prof. Dr. Claus F. Vogelmeier
 

Weitere wichtige Aspekte  betreffen Exazerbationen, Begleiterkrankungen, aktuelle Medikation und  körperliche Aktivität, die ja auch im therapeutischen Herangehen eine zentrale  Rolle spielt.

Diagnostik: Spirometrie bleibt Basis

Basis der Diagnostik bleibt  die Spirometrie, die hilft, Schweregrad und Prognose abzuschätzen und den  Verlauf der Erkrankung zu beurteilen. Ganz klar heißt es aber auch: Zur  Beurteilung der Wirksamkeit der Pharmakotherapie sind Symptome, Lebensqualität,  physische Aktivität und Exazerbationen besser geeignet.

Die deutsche Leitlinie empfiehlt  auch die Bodyplethysmografie, mit der sich Obstruktion und Überblähung messen  lassen. In GOLD wird sie nicht einmal erwähnt. Hier zeigt sich der Unterschied  zwischen internationalen Empfehlungen, die von Rio bis Peking gelten sollen,  und einer nationalen Leitlinie.

Die Therapie: Nicht-medikamentös ist hoch effektiv

Im Management nehmen wie bei  GOLD nicht-medikamentöse Maßnahmen breiten Raum ein, beginnend mit der  Rauchentwöhnung über Schutzimpfungen und Schulung bis hin zu Lungensport und  Rehabilitation. Das mag banal erscheinen, ist es aber nicht, denn viele dieser  Optionen könnten hoch effektiv sein, würden sie richtig genutzt.

Klar positioniert sich die  Leitlinie zur endoskopischen  Lungenvolumenreduktion, die hierzulande „fast an mehr Kliniken praktiziert  wird, als es pneumologische Zentren gibt“, wie Vogelmeier anmerkte. Sie  sollte nur bei Patienten mit schwerem Emphysem erwogen werden, bei denen alle  anderen Maßnahmen ausgeschöpft sind.

Die medikamentöse Therapie  wird in der deutschen Leitlinie ähnlich aussehen wie in GOLD und das Primat der  Bronchodilatation festlegen. Auch hier ist eine Initialtherapie mit einem  inhalativen Kortikosteroid (ICS) für keine Patientengruppe vorgesehen. Ein ICS  kommen erst infrage, wenn ein Patient unter 2 lang wirksamen Bronchodilatatoren  immer noch exazerbiert.

 
Die endoskopische Lungenvolumenreduktion wird hierzulande fast an mehr Kliniken praktiziert, als es pneumologische Zentren gibt. Prof. Dr. Claus F. Vogelmeier
 

Das ICS kann mit einem oder 2 lang  wirksamen Bronchodilatatoren kombiniert werden. Verbessert sich der Patient  unter dieser Therapie nicht, sieht die Leitlinie die Rückkehr zur  Zweifach-Bronchodilatation vor, „weil wir das Pneumonie-Risiko unter ICS doch  etwas fürchten“, sagte Worth. Für Patienten mit einem eher bronchitisch  geprägten Symptombild kommt auch der PDE4-Inhibitor Roflumilast als Add-on  infrage.

Eindeutige Empfehlungen zur Antibiotika-Therapie

Erfreulich klar stellt die  Leitlinie klar, wann im Falle einer akuten Exazerbation die Indikation zur  antibiotischen Therapie gestellt werden soll – nämlich nur dann, wenn das  Sputum sich purulent verfärbt. Einzige Ausnahme sind schwere Exazerbationen, bei  denen unabhängig von der Purulenz ein Antibiotikum verordnet werden kann. „Wenn  sich alle an diese Regeln hielten, würde der Antibiotika-Verbrauch in  Deutschland deutlich zurückgehen“, meinte Vogelmeier.

Wie in GOLD werden  Komorbiditäten in der deutschen Leitlinie einen breiten Raum einnehmen. So wird  empfohlen, proaktiv nach kardiovaskulären Erkrankungen zu suchen, wenn die  Diagnose einer COPD gestellt wird. Denn die Mehrzahl der Patienten stirbt nicht  an der COPD, sondern an einer kardiovaskulären Komplikation.

Wie GOLD empfiehlt auch die  deutsche Leitlinie, schwerwiegende Begleiterkrankungen gemäß den entsprechenden  Leitlinien zu therapieren. Neben Herzkreislaufkrankheiten werden vor allem  Osteoporose, Diabetes, gastroösophagealer Reflux, Angst und Depression genannt.



REFERENZEN:

1. 58. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin,  22. bis 25. März 2017, Stuttgart

Kommentar

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