Stuttgart – Die lang erwartete Neufassung der Leitlinie zur chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) nähert sich offenbar der Vollendung. Erste Hinweise, wo sich Überschneidungen mit dem Report der Global Initiative for COPD (GOLD) finden und wo die Deutschen davon abweichen, gab es beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin in Stuttgart [1].
Diskrepanzen schon bei der COPD-Definition
Die Diskrepanzen beginnen bereits bei der Definition der COPD: Während in den internationalen Empfehlungen die Inflammation komplett gestrichen wurde, hält die deutsche Leitlinie daran fest. Die COPD sei „assoziiert mit einer gesteigerten Entzündungsreaktion in den Atemwegen“ infolge einer langjährigen Inhalation von Partikeln oder Gasen, heißt es in der – noch nicht publizierten – Version des Leitlinientextes, die Prof. Dr. Heinrich Worth, Fürth, in Stuttgart vorstellte.

Prof. Dr. Claus F. Vogelmeier
Eine wichtige Erkenntnis der letzten Jahre liegt in der Tatsache, dass es offenbar Menschen gibt, die mit schlechteren Chance an den Start ins Erwachsenenleben gehen: Ihre Lungenwachstum erfolgt verzögert, ihre FEV1 liegt schon mit 20 deutlich unter der Norm, sodass sie schneller in eine manifeste COPD abrutschen, selbst wenn sie nie im Leben rauchen.
„Auf diese Menschen müssen wir künftig stärker achten“, so Worth. Der Ansicht ist auch Prof. Dr. Claus F. Vogelmeier, Chef der Pneumologie am Universitätsklinikum Marburg. Denn diese Patienten haben nicht nur eine schlechtere Lungen-, sondern auch eine schlechtere Herzfunktion. „Das ist ein Multiorganproblem“, so Vogelmeier. Wenn die Daten stimmen, trifft das auf jeden zweiten COPD-Patienten zu.
Was es bei der Anamnese zu beachten gilt
Zur Anamnese gehört natürlich trotzdem die Frage nach dem Rauchen, aber auch nach beruflicher Schadstoffexposition. „Ein großer Vorteil der deutschen Leitlinie ist, dass es ein ausführliches Kapitel zur Arbeitsmedizin geben wird“, kommentierte Vogelmeier. Darin findet sich auch eine lange Liste potenziell gefährdeter Berufsgruppen.
Außerdem muss nach Asthma und Allergien gefragt werden – schließlich gibt es Menschen, die an Asthma und COPD leiden, ob man das nun Asthma-COPD-Overlap nennen mag oder nicht. Schon GOLD 2017 hat übrigens das S am Ende fallen lassen und spricht nur noch von ACO, um klar zu machen, dass es sich eben nicht um ein Syndrom handelt, sondern um 2 nebeneinander bestehende Krankheiten.
Weitere wichtige Aspekte betreffen Exazerbationen, Begleiterkrankungen, aktuelle Medikation und körperliche Aktivität, die ja auch im therapeutischen Herangehen eine zentrale Rolle spielt.
Diagnostik: Spirometrie bleibt Basis
Basis der Diagnostik bleibt die Spirometrie, die hilft, Schweregrad und Prognose abzuschätzen und den Verlauf der Erkrankung zu beurteilen. Ganz klar heißt es aber auch: Zur Beurteilung der Wirksamkeit der Pharmakotherapie sind Symptome, Lebensqualität, physische Aktivität und Exazerbationen besser geeignet.
Die deutsche Leitlinie empfiehlt auch die Bodyplethysmografie, mit der sich Obstruktion und Überblähung messen lassen. In GOLD wird sie nicht einmal erwähnt. Hier zeigt sich der Unterschied zwischen internationalen Empfehlungen, die von Rio bis Peking gelten sollen, und einer nationalen Leitlinie.
Die Therapie: Nicht-medikamentös ist hoch effektiv
Im Management nehmen wie bei GOLD nicht-medikamentöse Maßnahmen breiten Raum ein, beginnend mit der Rauchentwöhnung über Schutzimpfungen und Schulung bis hin zu Lungensport und Rehabilitation. Das mag banal erscheinen, ist es aber nicht, denn viele dieser Optionen könnten hoch effektiv sein, würden sie richtig genutzt.
Klar positioniert sich die Leitlinie zur endoskopischen Lungenvolumenreduktion, die hierzulande „fast an mehr Kliniken praktiziert wird, als es pneumologische Zentren gibt“, wie Vogelmeier anmerkte. Sie sollte nur bei Patienten mit schwerem Emphysem erwogen werden, bei denen alle anderen Maßnahmen ausgeschöpft sind.
Die medikamentöse Therapie wird in der deutschen Leitlinie ähnlich aussehen wie in GOLD und das Primat der Bronchodilatation festlegen. Auch hier ist eine Initialtherapie mit einem inhalativen Kortikosteroid (ICS) für keine Patientengruppe vorgesehen. Ein ICS kommen erst infrage, wenn ein Patient unter 2 lang wirksamen Bronchodilatatoren immer noch exazerbiert.
Das ICS kann mit einem oder 2 lang wirksamen Bronchodilatatoren kombiniert werden. Verbessert sich der Patient unter dieser Therapie nicht, sieht die Leitlinie die Rückkehr zur Zweifach-Bronchodilatation vor, „weil wir das Pneumonie-Risiko unter ICS doch etwas fürchten“, sagte Worth. Für Patienten mit einem eher bronchitisch geprägten Symptombild kommt auch der PDE4-Inhibitor Roflumilast als Add-on infrage.
Eindeutige Empfehlungen zur Antibiotika-Therapie
Erfreulich klar stellt die Leitlinie klar, wann im Falle einer akuten Exazerbation die Indikation zur antibiotischen Therapie gestellt werden soll – nämlich nur dann, wenn das Sputum sich purulent verfärbt. Einzige Ausnahme sind schwere Exazerbationen, bei denen unabhängig von der Purulenz ein Antibiotikum verordnet werden kann. „Wenn sich alle an diese Regeln hielten, würde der Antibiotika-Verbrauch in Deutschland deutlich zurückgehen“, meinte Vogelmeier.
Wie in GOLD werden Komorbiditäten in der deutschen Leitlinie einen breiten Raum einnehmen. So wird empfohlen, proaktiv nach kardiovaskulären Erkrankungen zu suchen, wenn die Diagnose einer COPD gestellt wird. Denn die Mehrzahl der Patienten stirbt nicht an der COPD, sondern an einer kardiovaskulären Komplikation.
Wie GOLD empfiehlt auch die deutsche Leitlinie, schwerwiegende Begleiterkrankungen gemäß den entsprechenden Leitlinien zu therapieren. Neben Herzkreislaufkrankheiten werden vor allem Osteoporose, Diabetes, gastroösophagealer Reflux, Angst und Depression genannt.
REFERENZEN:
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Noch unpubliziert – Pneumologen geben bei ihrem Kongress Ausblick auf die neue deutsche Leitlinie zur COPD - Medscape - 29. Mär 2017.
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