Selbst bis zu einem LDL von unter 25 mg/dl: PCSK9-Hemmung beeinträchtigt laut EBBINGHAUS-Studie nicht die Hirnfunktion

Deborah Brauser

Interessenkonflikte

28. März 2017

Washington, D.C. – Die Einnahme des PCSK9-Hemmers Evolocumab (Repatha®, Amgen) zusätzlich zu einer Statintherapie hat keine negativen  Auswirkungen auf das Gedächtnis oder andere kognitive Probleme – zumindest über  eine Anwendungsdauer von bis zu 2 Jahren. Dies zeigt die beim 66.  Jahreskongress des American College of Cardiology (ACC) vorgestellte EBBINGHAUS-Studie – eine Unterstudie der jüngst veröffentlichten  Outcome-Studie FOURIER [1].

FOURIER war wohl die bedeutendste Präsentation beim diesjährigen Kongress  des ACC. Nachdem er am ersten Kongresstag berichtet hatte, dass Evolocumab das  Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse signifikant senkt, hatte Dr. Marc Sabatine vom Brigham and Women's Hospital,  Boston, USA, schon angedeutet, dass  die Daten zur Kognition Teil eines positiven Sicherheitsprofils gewesen sind.

Dies bestätigte sich am nächsten Tag, als Dr. Robert P. Giugliano vom  Brigham and Women's Hospital, Boston, USA, die primären Ergebnisse der  EBBINGHAUS-Studie präsentierte.

 
Diese Ergebnisse sollten einige der Bedenken ausräumen, die Patienten zum Ausdruck gebracht haben, nachdem sie ‚Dr. Google‘ konsultiert haben. Dr. Robert P. Giugliano
 

Sehr beruhigende Ergebnisse

Die Unterstudie umfasste fast 2.000 FOURIER-Teilnehmer. Sie zeigte über bis  zu 19 Monate keinen Unterschied zwischen Patienten, die zusätzlich zur  Statintherapie Evolocumab (140 mg wöchentlich oder 420 mg monatlich, jeweils  als subkutane Injektion) oder ein Placebo erhalten hatten. Gemessen wurden 4 Parameter der kognitiven Funktion, außerdem werteten die Autoren Patientenfragebögen  und Arztberichte aus.

Laut einer exploratorischen Analyse wurde die kognitive Funktion auch nicht  durch die Höhe des LDL-Cholesterinspiegels per se beeinflusst, selbst bei  denjenigen, die zum Ende der Studie Werte unter 25 mg/dl hatten. „Diese Ergebnisse sollten einige  der Bedenken ausräumen, die Patienten zum Ausdruck gebracht haben, nachdem sie  ‚Dr. Google‘ konsultiert haben“, sagte Giugliano gegenüber Medscape.

Könnte hinsichtlich der Sicherheit niedrigerer Cholesterinwerte eventuell  eine J-Kurve bestehen? „Das weiß ich nicht, aber wir haben hinunter bis zu  einem Cholesterinwert von 19 mg/dl keine Probleme beobachtet“, sagte er.

Um einen Kommentar gebeten, sagte einer der Tagungspräsidenten des  ACC-Kongresses 2017, Dr. Jeffrey Kuvin vom Dartmouth-Hitchcock Medical Center, Lebanon, USA, dass sich die Studie mit einigen drängenden  Fragen beschäftigt habe.

„Wir haben uns 2 Dinge gefragt: Gibt es ein substanzspezifisches Problem  mit PCSK9-Hemmern was die kognitive Funktion anbelangt? Und gibt es eine  LDL-Cholesterinschwelle, ab der kognitive Veränderungen zu beobachten sind? Es  ist nur eine Studie, aber sie scheint gut validiert zu sein und zeigt,  dass  kein signifikantes Signal für  Veränderungen da ist, zumindest in der Testbatterie, die verwendet wurde“,  sagte Kuvin, der an der Studie nicht beteiligt war.

„Ich würde sagen, dass  die Ergebnisse sehr beruhigend sind“, fügte er hinzu. „Als Ärzte ist es  unsere wichtigste Ausgabe, den Patienten nicht zu schaden. Zwar gab es einige  potenzielle Signale (für negative kognitive Effekte) in anderen Untersuchungen,  doch diese neuen Daten bekräftigen nach genauer Prüfung, das kein signifikantes  Risiko zu erkennen ist.“

 
Ich würde sagen, dass die Ergebnisse sehr beruhigend sind. Dr. Jeffrey Kuvin
 

Kognitive Bedenken der  Vergangenheit

Die US-Arzneimittelbehörde FDA hatte der Packungsbeilage von Statinen im  Jahr 2012 einen Sicherheitshinweis hinzugefügt, da sich aus „Fallserien und 2 kleinen,  6-monatigen randomisiert-kontrollierten Studien“ Bedenken hinsichtlich der kognitiven  Funktion ergeben hatten. Doch die Statin Cognitive Safety Task Force verkündete 2 Jahre später, dass Analysen aus  großen randomisierten Studien diese Befunde nicht stützten.

Trotzdem weiteten sich die Bedenken hinsichtlich Statinen und  Gedächtnisproblemen auf PCSK9-Hemmer aus, „obwohl monoklonale Antikörper wie Evolocumab viel zu groß sind,  um die intakte Blut-Hirn-Schranke zu überqueren“, sagte Giugliano.

Nichtsdestotrotz, 2016 lieferte eine Metaanalyse Hinweise darauf, dass  Patienten, die mit der neuen Medikamentenklasse behandelt werden, ein höheres  Risiko für ungünstige kognitive Ereignisse haben. Doch die Ereignisraten lagen  unter 1% und „die Ergebnisse korrelierten nicht mit dem Ausmaß der  LDL-Cholesterinsenkung“, berichtete Giugliano.

Die FOURIER-Studie umfasst 27.564 Patienten aus 30 Ländern, die eine  klinische Gefäßerkrankung aufwiesen. Die Unterstudie EBBINGHAUS ist die erste  randomisierte Studie, deren Fokus auf dem Vergleich der kognitiven Outcomes  nach Behandlung mit einem PCSK9-Hemmer oder Placebo lag.

 
Monoklonale Antikörper wie Evolocumab sind viel zu groß, um die intakte Blut-Hirn-Schranke zu durchqueren. Dr. Robert P. Giugliano
 

In die Analyse wurden 1.974 Patienten (72% Männer, durchschnittlich 63 Jahre alt) eingeschlossen. Sie erhielten bereits eine Statintherapie von  mittlerer bis hoher Intensität. Vor Studienbeginn hatten 75% bereits einen  Myokardinfarkt und 20% einen ischämischen Schlaganfall gehabt. Die Patienten  wurden durchschnittlich 19 Monate nachbeobachtet.

„Ziemlich gute  Erfolgsbilanz"

Die validierte Cambridge Neuropsychological Test Automated Battery (CANTAB) wurde verwendet, um die exekutive Funktion (z. B.  Aufmerksamkeit, Erinnern und Organisieren von Details) und die Reaktionszeit zu  untersuchen – zu Studienbeginn, nach 24 und 48 Wochen und danach alle weiteren  48 Wochen.

Auf einem Tablet-Computer mussten die Patienten nach blauen Kästchen  suchen, die in einer Reihe roter Kästchen versteckt waren. Dabei waren sie  angewiesen, nicht zu einem Bereich zurückzukehren, nachdem sie dort ein blaues  Kästchen gefunden hatten. Niedrigere Scores standen bei dieser Aufgabe für  bessere Zeiten oder Verbesserungen.

Der primäre Endpunkt der Studie war die Veränderung des Spatial Working Memory  Strategy Index (SWM-SI) der exekutiven Funktion. Das SWM zwischen Fehlern, das Abschneiden beim  Paired Associates Learning und die Reaktionszeit waren sekundäre Endpunkte.

Die SWM-SI-Scores unterschieden sich weder ausgangs (beide 17,8) noch zum  Ende der Studie (17,5 vs 17,6) zwischen der Evolocumab- und der Placebogruppe.  „Die Unterschiede lagen deutlich unterhalb der Obergrenzen für  Nichtunterlegenheit“, sagte Giugliano.

Auch bei den 3 anderen SWM-Tests sowie bei den Patienten-Fragebögen zu  Gedächtnis und exekutiver Funktion (Alltagskognition) gab es bei Studienende  keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. Die von den an der  Studie beteiligten Wissenschaftlern gemeldeten negativen kognitiven Ereignisse  unterschieden sich ebenfalls nicht.

„Bis jetzt spricht die Evidenz dafür, dass diese Medikation – zumindest in  dieser Kombination – wirksam das LDL-Cholesterin senkt und dabei sicher im  Hinblick auf das Nebenwirkungsprofil ist, auch was die Kognition anbelangt. Und  besonders wichtig: Sie verbessert kardiovaskuläre Endpunkte“, sagte Kuvin  gegenüber Medscape.

„Das ist bisher eine ziemlich gute Erfolgsbilanz. Es muss natürlich noch  weiter erforscht werden, aber ich denke, wir können nach Hause zu unseren  Patienten fahren und sagen, dass wir ein paar neue Tricks auf Lager haben.“

Mehr Forschung, weitere  Antworten notwendig

Nach der Vorstellung der EBBINGHAUS-Studie sagte Diskussionsteilnehmer Dr. Deepak L. Bhatt vom Brigham and Women's Hospital, Boston, USA,  dass dies eine mit Spannung erwartete Präsentation beim ACC-Kongress gewesen  sei und „ein fehlendes Teil für das LDL-Puzzle“ geliefert habe. „Sie haben das  Feld vorangebracht, indem Sie uns versichern, dass die medikamentöse Absenkung  des LDL-Cholesterinspiegels sicher zu sein scheint“, sagte Bhatt.

„In dieser Sekundärpräventionspopulation mit durchschnittlich 63 Jahren  waren die Outcomes aus kognitiver Perspektive sehr sicher. Doch was wäre, wenn  wir diese Strategie der extremen LDL-Cholesterinsenkung auf die  Primärprävention übertragen würden, sagen wir auf eine 40-jährige Frau für die  nächsten 40 Jahre? Was lässt sich aus dieser Studie im Hinblick auf den  langfristigen neurokognitiven Verlauf extrapolieren?“
Giugliano räumte daraufhin ein, dass der Nachbeobachtungszeitraum von nur 20 Monaten  eine Limitation der Studie sei, denn „natürlich behandeln wir Patienten mit  erhöhten Cholesterinwerten über Jahrzehnte, wenn nicht ein Leben lang“.

Sabatine hatte zuvor berichtet, dass eine Open-Label-Extensionsstudie das  Thema Sicherheit bei 6.000 FOURIER-Teilnehmern weiter verfolgen werde. Giugliano ergänzte, dass alle EBBINGHAUS-Teilnehmer in  diese Analyse eingeschlossen würden, diese werde fortgeführt „solange wir genug  Unterstützung dafür haben. Ich denke wir sollten für mindestens ein Jahrzehnt  nachbeobachten.“

Zum potenziellen Einsatz in der Primärprävention sagte er nur, dass dies  zunächst in weiteren Studien untersucht werden müsse.


Dieser Artikel wurde von Nadine Eckert von www.medscape.com übersetzt und adaptiert.



REFERENZEN:

1. 66th American  College of Cardiology (ACC) Scientific Sessions, 17. bis 19. März 2017,  Washington, D.C./USA

Kommentar

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