Herzinsuffizienz-Patienten profitieren deutlich weniger als bisher angenommen von hochintensivem Intervalltraining (HIT), so das Ergebnis von SMARTEX-HF. Sie ist die erste Langzeitstudie, die die Auswirkungen von Intervall- und herkömmlichem Ausdauertraining bei diesen Patienten getestet hat. Nach einem Jahr hochintensiven Intervalltrainings zeigten sich keine signifikanten Verbesserungen bei maximaler Sauerstoffaufnahme und Pumpfunktion im Vergleich zum Ausdauertraining mit geringen und mittleren Intensitäten [1].
Hype um HIT ist passé
„HIT war weniger effektiv als wir annahmen – und als es eine vorherige Studie angedeutet hatte“, musste das internationale Autorenkollektiv um Prof. Dr. Øyvind Ellingsen vom Trondheim Universitäts-Hospital in Norwegen am Ende der Studie feststellen. „Ich hatte mir mehr vom HIT versprochen – für mich ist der Hype des HIT bei systolischer Herzinsuffizienz erst einmal vorbei.”, sagt auch Co-Autor Prof. Dr. Martin Halle, von der Technischen Universität München gegenüber Medscape. Sowohl der Trainingseffekt als auch die Verbesserung der Pumpfunktion fielen geringer aus als es sich die Forschergruppe erhofft hatte, sagt er.
HIT sei im Grunde „alter Wein in neuen Schläuchen”, erklärt Prof. Dr. Wilfried Kindermann vom Institut für Sport- und Präventivmedizin an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken. Seit jeher gehöre intensives Intervalltraining zur Trainingsmethodik im Leistungssport. „Neu ist, dass wissenschaftlich diskutiert wird, ob HIT – synonym HIIT genannt – auch für den Patientensport geeignet ist”, erklärt der langjährige Arzt der deutschen Olympiamannschaft gegenüber Medscape.
Aktuell empfehlen die Leitlinien zur Behandlung der Herzinsuffizienz Sport als ergänzende Therapie. Jedoch sei immer noch unklar, wie genau Herzinsuffizienz-Patienten trainieren sollen, schreiben die Autoren. Sicherheit und Wirksamkeit von moderatem Ausdauertraining seien bisher am besten erforscht – daher werde den Patienten oft zu einem solchen Training geraten.
Jedoch hat eine 2007 veröffentlichte Pilotstudie von Prof. Dr. Ulrik Wisløff , Norwegische Universität für Technik und Wissenschaft, Trondheim, Norwegen, und Kollegen mit 27 Herzinsuffizienz-Patienten mit reduzierter Ejektionsfraktion gezeigt, dass hochintensives aerobes Intervalltraining mit submaximalen Pulsfrequenzen und Trainingsintervallen von 1 bis 4 Minuten bei maximaler Sauerstoffaufnahme (VO2max) wirksam ist: Pumpfunktion, endotheliale Funktion und Lebensqualität der Patienten verbesserten sich im Vergleich zum herkömmlichen Ausdauertraining signifikant.
In Norwegen werde seither auch bei Herzpatienten hoch-intensives Training propagiert, von Experten in den USA jedoch klar abgelehnt, sagt Halle. Hierzulande werde Herzinsuffizienzpatienten „moderat intensives Training empfohlen”.
Es stellte sich also die Frage, ob HIT generell Teil der Standard-Therapie für Herzinsuffizienz-Patienten werden solle. Daher waren die Langzeitresultate von SMARTEX-HF, der ersten Multicenter-Studie, die HIT bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz mit eingeschränkter Ejektionsfraktion über ein Jahr untersuchte, mit Spannung erwartet worden. „Wir wollten herausfinden, ob die Effektgröße in einem Setting, das mehr der Realität im klinischen Alltag entspricht, beibehalten werden kann“, erklären die Autoren in Circulation.
„Ich war durchaus zuversichtlich, weil die Patienten das Training gut absolvieren konnten”, erklärt Halle. „Aber es zeigte sich, dass man größere Fallzahlen braucht, um wirklich valide Ergebnisse zu bekommen. Ein grundsätzliches Problem bei den Lebensstil-Interventionen”, so sein Fazit.
Intervalltraining nicht besser als herkömmliches moderates Ausdauertraining
In 9 europäischen Zentren, unter anderem in München und Leipzig, absolvierten 261 Herzinsuffizienz-Patienten (Durchschnittsalter 60 Jahre; 19% Frauen) mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion von weniger als 35% und im NYHA-Stadium 2 (71%) bis 3 folgende Trainingsprogramme: Entweder sie nahmen über 12 Wochen hinweg pro Woche an 3 begleiteten HIT-Einheiten – Laufband oder Fahrradergometer – teil (Ziel: 90-95% der maximalen Herzfrequenz) oder sie machten ein moderates Ausdauertraining (Ziel: 60-70% der maximalen Herzfrequenz).
Die Kontrollgruppe trainierte ohne Begleitung zu Hause und traf sich alle 3 Wochen zu einer gemeinsamen Trainingseinheit, in der mit 50 bis 70% der maximalen Pulsfrequenz trainiert wurde. Um festzustellen, inwieweit die vorgegebenen Intensitäten eingehalten wurden, führten die Forscher Pulsmessungen während des Trainings durch.
Nach dem Interventionszeitraum wurde allen Patienten empfohlen auf diese Weise weiter zu trainieren, jedoch ohne Begleitung. Nach 12 sowie nach 52 Wochen wurde die Veränderung des linksventrikulären enddiastolischen Durchmessers (LVEDD) und der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max) gemessen.
Nach 12 Wochen zeigten sich bei diesen Messungen keine signifikanten Unterschiede zwischen Intervall- und Dauertrainingsgruppe. Beide begleiteten Trainingsgruppen schnitten signifikant besser ab als die Kontrollgruppe, die ausschließlich alleine trainierte. Jedoch hielt dieser Effekt nicht über die gesamte Studiendauer von einem Jahr an – nach 52 Wochen bestanden keine signifikanten Unterschiede mehr zwischen den Gruppen.
„Obwohl wir unmittelbar nach der 12-wöchigen Intervention eine statistisch signifikante Differenz zwischen HIT und Dauertraining hinsichtlich Remodeling feststellten, ist unklar, ob dieser Unterschied klinisch relevant ist“, räumen Ellingsen und Kollegen ein. Vermutet hatten sie beim LVEDD einen Unterschied von -4,5 mm zwischen HIT und regulärem Training zu Hause, der aber tatsächlich in SMARTEX-HF nur -2,8 mm betrug. In der Wisloff-Pilotstudie lag er bei -7,7 mm. Der durch Dauertraining erzielte Rückgang belief sich auf -1,6 mm, was der Hypothese entsprach (-1,5 mm). Auch die Verbesserung der VO2max entsprach nicht den Erwartungen und war nach dem HIT „deutlich geringer“ als in der Wisloff-Studie.
Herzpatienten schaffen submaximale Intensitäten nicht
Auf die Ergebnisse der HIT-Gruppe dürfte sich besonders ausgewirkt haben, dass nur knapp die Hälfte der Teilnehmer die Ziel-Pulsfrequenz von 90 bis 95% des Maximalwerts erreicht hatte. 51% der Gruppe trainierte unter diesen Zielwerten, während 80% der Patienten, die Dauertraining absolvierten, über den empfohlenen Pulswerten von 60 bis 70% des Maximums blieben. In der HIT-Gruppe erreichten die Patienten im Schnitt eine Herzfrequenz von 90% des Maximums; in der Dauertrainingsgruppe 77%.
„Also betrug der Unterschied nur 10%, im Gegensatz zu den im Studienprotokoll angestrebten 27,5%“, resümieren die Autoren. Trotz der Erfahrung, die die Studienzentren in der kardialen Rehabilitation aufwiesen, scheint eine Pulsfrequenz von 90 bis 95% des Maximums in einer solchen Patientenkohorte schwer zu erreichen“, führen die Autoren an. Eine Intensität von 60-70% dagegen sei vermutlich zu niedrig.
„Was für Sportler üblich ist, fällt Herzpatienten meist schwer”, kommentiert Kindermann.
Trainingseinheiten nahe der maximalen Sauerstoffaufnahme seien für Sportler nicht ungewöhnlich, werden aber auch von diesen nur punktuell durchgeführt, erklärt er. „Wenn Herzpatienten mit über 90% der maximalen Herzfrequenz ständig trainieren, ist das ein erheblicher Stress und stellt entsprechende Anforderungen an die Motivation. Folglich wird die Compliance nachlassen”, vermutet der Kardiologe und Sportmediziner. „Deshalb bleibt die Smartex-HF-Studie hinter den Protokollvorgaben zurück.”
Zudem hatten 60% aller Patienten in SMARTEX-HF bereits eine Revaskularisierung hinter sich, führen die Studienleiter an. In der vorherigen Studie traf das nur auf ein Drittel der Teilnehmer zu. Auch waren die Patienten, die Wisloff und Kollegen untersuchten, im Schnitt 15 Jahre älter und wiesen zu Studienbeginn eine deutlich geringere VO2max auf.
Bei 39% der Patienten in der HIT-Gruppe, 25% in der Dauertrainingsgruppe und 34% in der Kontrollgruppe kam es während des Studienjahres zu Komplikationen. In der Interventionsperiode traten in der HIT-Gruppe 9, in der moderaten Trainingsgruppe 6 und in der Kontrollgruppe 5 kardiovaskuläre Ereignisse auf. Insgesamt, so die Autoren, war die Komplikationsrate niedrig und nur wenige Patienten schieden aus dem Training aus. Moderates Dauertraining habe demnach die niedrigste Komplikationsrate, stellt Halle fest. Bei HIT war sie dagegen ebenso hoch wie bei Patienten, die keinen Sport trieben.
Trainingsformen mischen
„Das konventionelle moderate Ausdauertraining wird für Herzpatienten auch zukünftig die Trainingsmethode der Wahl bleiben”, sagt Kindermann. Denkbar sei aber ein gemischtes Training, bei dem einzelne moderate Einheiten durch eine HIT-Einheit ersetzt werden. Er empfiehlt diese Einheiten zu überwachen, aufgrund der Tendenz zu häufigeren Komplikationen in SMARTEX-HF.
Wichtig sei am Ende, schreiben Ellingsen und Kollegen, dass keine der Interventions-Trainingsformen die Herzleistung verschlechtert habe. Vielmehr konnten beide die aerobe Kapazität, einen wichtigen prognostischen Faktor bei Herzinsuffizienz, gleichermaßen verbessern. Halle empfiehlt Herzpatienten „ein fast tägliches Training“, das idealerweise telemedizinisch überwacht werde.
Die OPTIMEX-Studie zu HIT bei diastolischer Herzinsuffizienz, laufe noch. Ergebnisse seien 2018 zu erwarten, bemerkt Halle. Kindermann wünscht sich eine „kontrollierte und gut überwachte Studie mit Herzinsuffizienzpatienten, in der die Effekte des konventionellen Ausdauertrainings mit denen eines kombinierten Ausdauertrainings, etwa wöchentlich eine Trainingseinheit konventionelles Training ersetzen durch HIT, verglichen werden.“
REFERENZEN:
1. Ellingsen Ø, et al: Circulation. 2017;135:839-849
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Diesen Artikel so zitieren: HIT bei Herzinsuffizienz: Hochintensives Intervalltraining enttäuscht in Studie – ist der HIT-Hype nun passé? - Medscape - 28. Mär 2017.
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