Stuttgart – Angekündigt war sie schon für Ende 2016, nun steht sie wohl wirklich in den Startlöchern: die neue Leitlinie zum Asthma bronchiale, die gemeinsam von deutschen und österreichischen Pneumologen erarbeitet worden ist: Ziel der Therapie bleibt eine optimale Kontrolle der Asthmaerkrankung. Dem Arzt bleibt dabei überlassen, ob er eine Step-up-Strategie wählt, also mit geringer Therapieintensität startet und bei unzureichender Wirkung eskaliert oder mit stärkerer Therapieintensität eine schnelle Kontrolle anpeilt, um gegebenenfalls zu deeskalieren, wenn der Patient einige Zeit gut kontrolliert ist.

Prof. Dr. Marek Lommatzsch
Ein Herzstück der Leitlinie wird das Stufenschema zur medikamentösen Asthmatherapie sein, auf das sich Prof. Dr. Marek Lommatzsch, Universität Rostock, in seinem Vortrag beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie konzentrierte [1]. Es ist zwar noch nicht final abgesegnet, aber einschneidende Änderungen sind wohl nicht mehr zu erwarten.
Stufe 1: SABA und bedarfsweise ICS
Vorgesehen sind 5 Stufen mit steigender Therapieintensität. Auf Stufe 1 kann auf eine Dauertherapie verzichtet und der Patient nur mit einem kurz wirksamen Beta2-Mimetikum (SABA) zur bedarfsweisen Anwendung versorgt werden. Auch hier wird aber schon der Einsatz eines niedrig dosierten inhalativen Kortikosteroids (ICS) freigestellt.
„Wir wollen nicht, dass jeder Asthmapatient automatisch ein ICS bekommt“, kommentierte Lommatzsch diese Empfehlung. „Die Evidenz geht aber dahin, dass auch Patienten, die selten Symptome haben, von einem ICS profitieren können.“ Ein klarer Grenzwert für den Start der ICS-Dauertherapie, wie ihn frühere Leitlinien vorgesehen haben, wird es in der neuen Leitlinie nicht geben.
Stufe 2: ICS Pflicht, Theophyllin ist raus
Ab Stufe 2 wird das ICS Pflicht. Als bei Erwachsenen weniger wirksame Alternative wird noch der Leukotrien-Rezeptorantagonist (LTRA) Montelukast genannt. Theophyllin wurde aus dem Stufenschema komplett gestrichen und findet nur noch Erwähnung im Text, dass es – niedrig dosiert! – „in begründeten Fällen“ zum Einsatz kommen kann.

Prof. Dr. Roland Buhl
Das deutsche Leitlinien-Gremium war sich in diesem Punkt absolut einig, berichtete Prof. Dr. Roland Buhl: Unter allen Medikamenten in der Asthmatherapie ist Theophyllin das mit der schlechtesten Wirkungs-Nebenwirkungs-Relation. „Auch ich habe noch ein paar Patienten, von meinem Vorgänger geerbt, die mit ein bisschen Theophyllin seit 20 Jahren gut laufen und gerne auch noch 20 Jahre gut damit laufen sollen“, so der Chef der Pneumologie am Universitätsklinikum Mainz. „Aber ich stelle keine Patienten mehr neu auf Theophyllin ein.“
Stufe 3: ICS plus LABA
Niedrig dosierte ICS, kombiniert mit einem lang wirksamen Beta2-Agonisten (LABA), sind erste Wahl auf Stufe 3. Als 2. Wahl gilt ein ICS allein in mittlerer oder hoher Dosierung, „aber die Evidenz ist klar, dass eine niedrig dosierte Kombinationstherapie überlegen ist“, so Lommatzsch.
Ein anderer möglicher Partner für das ICS ist der LTRA. Neu ist, dass auch das lang wirksame Anticholinergikum (LAMA) Tiotropium als Alternative zum LABA aufgeführt wird, allerdings nur im Text und nicht im Stufenschema selbst. Tiotropium ist in der EU noch nicht für diese Stufe zugelassen, wohl aber in vielen anderen Ländern, und es bietet eine Option etwa für Patienten, die den LABA nicht vertragen.
Ab Stufe 3 kann zudem als Bedarfsmedikation auch ein Kombipräparat aus ICS (Beclomethason oder Budesonid) und Formoterol verordnet werden, sofern dasselbe Präparat auch in der Dauertherapie zum Einsatz kommt – Stichwort: SMART-Konzept (Single Inhaler Maintenance And Reliever Therapy).
Stufe 4: Hochtitration und Tiotropium
In Stufe 4 wird ICS/LABA hoch titriert auf mittlere bis hohe ICS-Dosen. Infrage kommt auch die die Hinzunahme von Tiotropium – hier mit EU-Zulassung für Patienten, die mindestens 800 µg Budesonid-Äquivalent nehmen und im zurückliegenden Jahr mindestens eine Exazerbation erlitten haben, die einen Prednisolon-Stoß nötig machte.
„Wir sind uns einig in der Kommission: Bevor wir die ICS-Dosis auf Maximum hochdrehen, sollte Tiotropium dazu gegeben werden“, betonte Buhl. Er begründete das mit der flachen Dosis-Wirkungs-Kurve der ICS, bei denen die Nebenwirkungen stärker zunehmen als der Effekt: „Der Gewinn ist deutlich geringer, als wenn man einen weiteren Bronchodilatator hinzunimmt.“
Stufe 5: Biologika
Wenn all das nicht ausreicht, das Asthma zu kontrollieren, kommen auf Stufe 5 Biologika zum Zug. Das Leitlinien-Komitee positioniert sich hier sehr klar: Anti-IgE- und Anti-IL-5-Antikörper haben aufgrund ihrer geringeren Nebenwirkungsrate und bei korrekter Indikation besserer Wirksamkeit auf jeden Fall Vorrang vor oralen Steroiden (OCS). OCS sollten nur eingesetzt werden, wenn Biologika oder Tiotropium nicht infrage kommen oder nicht anschlagen.
Ähnlichkeiten und Unterschiede zu den GINA-Empfehlungen
Wem das alles bekannt vorkommt, der hat völlig recht: Das Stufenschema sieht dem der 2017 aktualisierten internationalen GINA-Empfehlungen (Global Initiative for Asthma) sehr ähnlich. Ein paar Diskrepanzen gibt es aber doch, geschuldet der Tatsache, dass GINA nicht nur für Deutschland und Österreich erarbeitet wurde, sondern weltweit anwendbar sein soll.
So enthält das GINA-Schema immer noch Theophyllin als Alternative auf Stufe 2 bis 4, auf Stufe 3 und 4 allerdings in Klammern, was wohl als „Alternative zweiter Wahl“ zu verstehen ist.
Ein weiterer Unterschied besteht in der Definition der Hochdosis-ICS-Therapie. In der deutschen Leitlinie gelten 800 bis 1600 µg Budesonid (oder äquivalente Dosen eines anderen ICS) als Hochdosis, doppelt so viel wie in GINA. Der Grund liegt darin, dass in den USA, die diesen Teil von GINA entscheidend mitgeprägt haben, Sicherheit absolute Priorität hat. „Ein Kollege meinte einmal, den FDA-Leuten sei es völlig egal, wenn ein Medikament nicht wirkt, Hauptsache es macht keine Nebenwirkungen“, frotzelte Buhl. Er hält die deutsche Empfehlung auch auf Basis seiner eigenen Erfahrungen mit ICS bei Asthma für gerechtfertigt, jedenfalls bei erwachsenen Patienten.
„Fast alle nationalen Leitlinien orientieren sich an GINA, aus gutem Grund: GINA betreibt einen großen logistischen Aufwand, um jedes Jahr die neue Evidenz einzuarbeiten“, so Buhl. Wer ausschert aus dem internationalen Konsens, sind die Briten. Deren Leitlinie ist unübersehbar unter pekuniären Aspekten gestrickt.
Für die Bedarfsmedikation ist nur ein SABA vorgesehen – die (teurere) Therapie nach dem SMART-Konzept wird nicht empfohlen. Der entscheidende Unterschied findet sich aber auf Stufe 5, also bei Patienten mit schwerem und schwer behandelbarem Asthma: In der britischen Leitlinie rangieren OCS hier an erster Stelle.
Für Buhl orientiert sich diese Empfehlung nicht am Patientenwohl: „Wenn ich selbst in der Situation dieser Patienten wäre, würde ich hundertmal lieber einen Antikörper mit einem wirklich günstigen Nebenwirkungsprofil spritzen, bevor ich jahrelang ein OCS nehme.“
Biologika kommen im britischen Stufenschema übrigens nicht explizit vor, auch im Begleittext wird als erste Alternative Methotrexat genannt. Eine Anti-IgE-Therapie mit Omalizumab „kann erwogen werden bei Patienten mit einer hohen Steroid-Last“, soll aber auch dann nur in spezialisierten Zentren initiiert werden.
REFERENZEN:
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Das wird die neue deutsche Asthma-Leitlinie: 5 Stufen und Theophyllin ist praktisch raus - Medscape - 27. Mär 2017.
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