Das wird die neue deutsche Asthma-Leitlinie: 5 Stufen und Theophyllin ist praktisch raus

Manuela Arand

Interessenkonflikte

27. März 2017

Stuttgart – Angekündigt war sie schon für Ende 2016, nun steht sie wohl wirklich  in den Startlöchern: die neue Leitlinie zum Asthma bronchiale, die gemeinsam  von deutschen und österreichischen Pneumologen erarbeitet worden ist: Ziel der  Therapie bleibt eine optimale Kontrolle der Asthmaerkrankung. Dem Arzt bleibt  dabei überlassen, ob er eine Step-up-Strategie wählt, also mit geringer  Therapieintensität startet und bei unzureichender Wirkung eskaliert oder mit  stärkerer Therapieintensität eine schnelle Kontrolle anpeilt, um gegebenenfalls  zu deeskalieren, wenn der Patient einige Zeit gut kontrolliert ist.

           

Prof. Dr. Marek Lommatzsch

           

Ein Herzstück der Leitlinie wird das Stufenschema zur medikamentösen Asthmatherapie  sein, auf das sich Prof. Dr. Marek  Lommatzsch, Universität Rostock, in seinem Vortrag beim Kongress der  Deutschen Gesellschaft für Pneumologie konzentrierte [1]. Es ist zwar noch nicht final  abgesegnet, aber einschneidende Änderungen sind wohl nicht mehr zu erwarten.

Stufe 1: SABA und bedarfsweise ICS

Vorgesehen sind 5 Stufen mit steigender Therapieintensität. Auf Stufe 1  kann auf eine Dauertherapie verzichtet und der Patient nur mit einem kurz  wirksamen Beta2-Mimetikum (SABA) zur bedarfsweisen Anwendung versorgt werden.  Auch hier wird aber schon der Einsatz eines niedrig dosierten inhalativen  Kortikosteroids (ICS) freigestellt.

„Wir wollen nicht,  dass jeder Asthmapatient automatisch ein ICS bekommt“, kommentierte Lommatzsch  diese Empfehlung. „Die Evidenz geht aber dahin, dass auch Patienten, die selten  Symptome haben, von einem ICS profitieren können.“ Ein klarer Grenzwert für den  Start der ICS-Dauertherapie, wie ihn frühere Leitlinien vorgesehen haben, wird  es in der neuen Leitlinie nicht geben.

Stufe 2: ICS Pflicht, Theophyllin ist raus

Ab Stufe 2 wird das ICS Pflicht. Als bei Erwachsenen weniger wirksame  Alternative wird noch der Leukotrien-Rezeptorantagonist (LTRA) Montelukast  genannt. Theophyllin wurde aus dem Stufenschema komplett gestrichen und findet  nur noch Erwähnung im Text, dass es – niedrig dosiert! – „in begründeten  Fällen“ zum Einsatz kommen kann.

           

Prof. Dr. Roland Buhl

           

Das deutsche Leitlinien-Gremium war sich in diesem Punkt absolut einig,  berichtete Prof. Dr. Roland Buhl:  Unter allen Medikamenten in der Asthmatherapie ist Theophyllin das mit der  schlechtesten Wirkungs-Nebenwirkungs-Relation. „Auch ich habe noch ein paar  Patienten, von meinem Vorgänger geerbt, die mit ein bisschen Theophyllin seit  20 Jahren gut laufen und gerne auch noch 20 Jahre gut damit laufen sollen“, so  der Chef der Pneumologie am Universitätsklinikum Mainz. „Aber ich stelle keine  Patienten mehr neu auf Theophyllin ein.“

Stufe 3: ICS plus LABA

Niedrig dosierte ICS, kombiniert mit einem lang wirksamen  Beta2-Agonisten (LABA), sind erste Wahl auf Stufe 3. Als 2. Wahl gilt ein ICS  allein in mittlerer oder hoher Dosierung, „aber die Evidenz ist klar, dass eine  niedrig dosierte Kombinationstherapie überlegen ist“, so Lommatzsch.

Ein anderer möglicher Partner für das ICS ist der LTRA. Neu ist, dass  auch das lang wirksame Anticholinergikum (LAMA) Tiotropium als Alternative zum  LABA aufgeführt wird, allerdings nur im Text und nicht im Stufenschema selbst. Tiotropium  ist in der EU noch nicht für diese Stufe zugelassen, wohl aber in vielen  anderen Ländern, und es bietet eine Option etwa für Patienten, die den LABA  nicht vertragen.

 
Wir wollen nicht, dass jeder Asthmapatient automatisch ein ICS bekommt. Prof. Dr. Marek Lommatzsch
 

Ab Stufe 3 kann zudem als Bedarfsmedikation auch ein Kombipräparat aus  ICS (Beclomethason oder Budesonid) und Formoterol verordnet werden, sofern  dasselbe Präparat auch in der Dauertherapie zum Einsatz kommt – Stichwort:  SMART-Konzept (Single Inhaler Maintenance And Reliever Therapy).

Stufe 4: Hochtitration und Tiotropium

In Stufe 4 wird ICS/LABA hoch titriert auf mittlere bis hohe ICS-Dosen.  Infrage kommt auch die die Hinzunahme von Tiotropium – hier mit EU-Zulassung für  Patienten, die mindestens 800 µg Budesonid-Äquivalent nehmen und im  zurückliegenden Jahr mindestens eine Exazerbation erlitten haben, die einen  Prednisolon-Stoß nötig machte.

 
Wir sind uns einig in der Kommission: Bevor wir die ICS-Dosis auf Maximum hochdrehen, sollte Tiotropium dazu gegeben werden. Prof. Dr. Roland Buhl
 

„Wir sind uns  einig in der Kommission: Bevor wir die ICS-Dosis auf Maximum hochdrehen, sollte  Tiotropium dazu gegeben werden“, betonte Buhl. Er begründete das mit der  flachen Dosis-Wirkungs-Kurve der ICS, bei denen die Nebenwirkungen stärker  zunehmen als der Effekt: „Der Gewinn ist deutlich geringer, als wenn man einen  weiteren Bronchodilatator hinzunimmt.“

Stufe 5: Biologika

Wenn all das nicht ausreicht, das Asthma zu kontrollieren, kommen auf  Stufe 5 Biologika zum Zug. Das Leitlinien-Komitee positioniert sich hier sehr  klar: Anti-IgE- und Anti-IL-5-Antikörper haben aufgrund ihrer geringeren  Nebenwirkungsrate und bei korrekter Indikation besserer Wirksamkeit auf jeden  Fall Vorrang vor oralen Steroiden (OCS). OCS sollten nur eingesetzt werden,  wenn Biologika oder Tiotropium nicht infrage kommen oder nicht anschlagen. 

Ähnlichkeiten und Unterschiede zu den  GINA-Empfehlungen

Wem das alles bekannt vorkommt, der hat völlig recht: Das Stufenschema  sieht dem der 2017 aktualisierten internationalen GINA-Empfehlungen (Global Initiative for  Asthma) sehr ähnlich. Ein paar Diskrepanzen gibt es aber doch, geschuldet der  Tatsache, dass GINA nicht nur für Deutschland und Österreich erarbeitet wurde,  sondern weltweit anwendbar sein soll.

So enthält das GINA-Schema immer noch Theophyllin als Alternative auf  Stufe 2 bis 4, auf Stufe 3 und 4 allerdings in Klammern, was wohl als  „Alternative zweiter Wahl“ zu verstehen ist.

 
Fast alle nationalen Leitlinien orientieren sich an GINA, aus gutem Grund: GINA betreibt einen großen logistischen Aufwand, um jedes Jahr die neue Evidenz einzuarbeiten. Prof. Dr. Roland Buhl
 

Ein weiterer Unterschied besteht in der Definition der  Hochdosis-ICS-Therapie. In der deutschen Leitlinie gelten 800 bis 1600 µg  Budesonid (oder äquivalente Dosen eines anderen ICS) als Hochdosis, doppelt so  viel wie in GINA. Der Grund liegt darin, dass in den USA, die diesen Teil von  GINA entscheidend mitgeprägt haben, Sicherheit absolute Priorität hat. „Ein  Kollege meinte einmal, den FDA-Leuten sei es völlig egal, wenn ein Medikament  nicht wirkt, Hauptsache es macht keine Nebenwirkungen“, frotzelte Buhl. Er hält  die deutsche Empfehlung auch auf Basis seiner eigenen Erfahrungen mit ICS bei  Asthma für gerechtfertigt, jedenfalls bei erwachsenen Patienten.

„Fast alle  nationalen Leitlinien orientieren sich an GINA, aus gutem Grund: GINA betreibt  einen großen logistischen Aufwand, um jedes Jahr die neue Evidenz einzuarbeiten“,  so Buhl. Wer ausschert aus dem internationalen Konsens, sind die Briten. Deren  Leitlinie ist unübersehbar unter pekuniären Aspekten gestrickt.

Für die Bedarfsmedikation ist nur ein SABA vorgesehen – die (teurere)  Therapie nach dem SMART-Konzept wird nicht empfohlen. Der entscheidende  Unterschied findet sich aber auf Stufe 5, also bei Patienten mit schwerem und  schwer behandelbarem Asthma: In der britischen Leitlinie rangieren OCS hier an  erster Stelle.

Für Buhl orientiert sich diese Empfehlung nicht am Patientenwohl: „Wenn  ich selbst in der Situation dieser Patienten wäre, würde ich hundertmal lieber  einen Antikörper mit einem wirklich günstigen Nebenwirkungsprofil spritzen,  bevor ich jahrelang ein OCS nehme.“

Biologika kommen im britischen Stufenschema übrigens nicht explizit  vor, auch im Begleittext wird als erste Alternative Methotrexat genannt. Eine  Anti-IgE-Therapie mit Omalizumab „kann erwogen werden bei Patienten mit einer  hohen Steroid-Last“, soll aber auch dann nur in spezialisierten Zentren  initiiert werden.



REFERENZEN:

1. 58. Kongress der Deutschen Gesellschaft  für Pneumologie und Beatmungsmedizin, 22. bis 25. März 2017, Stuttgart

Kommentar

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