Generation Y: Wie junge Ärzte in Zukunft arbeiten wollen – generationengerechte Führung gefordert

Christian Beneker

Interessenkonflikte

24. März 2017

Köln – Schöne neue Ärztewelt. Wenn es nach vielen Klinikleitungen geht, dann bieten Krankenhäuser ihren jungen Medizinern künftig idealerweise eine bestens funktionierende digitalisierte Medizin an und gute Führung. Nur so könne der heraufziehende Ärztemangel ebenso bewältigt werden wie das neue Erwartungsspektrum der „Generation Y“.

Das meint jedenfalls Prof. Dr. Christian Schmidt, ärztlicher Vorstand der Universitätsmedizin Rostock, auf der Veranstaltung „Wie werden Ärzte in Zukunft arbeiten?“ beim Gesundheitskongress des Westens in Köln [1].

Doch die jungen Ärztinnen und Ärzte fordern mehr, wie die Veranstaltung zeigte. „Wir haben keine Lust, uns für den Status Quo anzustrengen“, sagte etwa Dr. Kevin Schulte, Sprecher des Bündnisses Junge Ärzte (BJÄ) und Assistenzarzt am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Will sagen: Junge Mediziner wollen zum Beispiel mehr Leistungen delegieren oder flachere Hierarchien in den Krankenhäusern schaffen.

„Wie können wir innovativ sein, wenn wir in 50 Jahre alten Strukturen arbeiten?“, sekundierte Jana Aulenkamp, Koordinatorin für Gesundheitspolitik des Bundesverbandes der Medizinstudierenden (bvmd).

„Generation Y“ will nicht, dass Arbeit ihr Leben bestimmt

Sie sind jung und smart, sie tragen Flip Flops auf Station, sie sind zwar leistungsbereit – aber wollen nicht, dass die Arbeit ihr Leben bestimmt, „sie fordern viel und sind wissbegierig“, so Schmidt. Der Mitarbeiter von morgen hat 2 Kinder, ist weiblich, will eine 70%-Stelle, ist digital vernetzt und fordert mehr Führung ein.

Diese „Generation Y“, die jetzt nach und nach die Arbeitsplätze in den Krankenhäusern übernimmt, stelle die Klinikleitungen vor neue Herausforderungen: Wie funktioniert der Wissenstransfer im demographischen Wandel? Wie kann Kompetenz erworben werden, wenn 30% der Männer und 75% der Frauen in Teilzeit arbeiten möchten, wie eine Studie des Bundesfamilienministeriums festhält, fragte Schmidt.

 
Wir haben keine Lust, uns für den Status Quo anzustrengen. Dr. Kevin Schulte
 

Die Frage stellt sich umso dringlicher, da immer weniger Arbeitnehmer immer mehr Rentner werden versorgen müssen. Zieht die Generation Y mit? „Werden die Erwerbstätigen bereit sein, kostenlos mehr zu arbeiten – vor dem Hintergrund, dass sie am Arbeitsmarkt Mangelware sein werden?“, fragte Schmidt. Wohl kaum.

Eine Frage der – generationengerechten – Führung

Armin Ehl, Hauptgeschäftsführer des Marburger Bundes (MB), erklärte: Folge man den Umfragen des MB, dann wollen junge Ärzte durchschnittlich maximal 48 Wochen-Stunden arbeiten. Was bedeutet das? „Das bedeutet, dass wir in den Krankenhäusern die Effizienz steigern müssen, die Bürokratie abbauen müssen – und: dass wir die Weiterbildungszeiten bei allen Fächern auf 5 Jahre reduzieren sollten. Andernfalls frustrieren wir die junge Generation“, so Ehl.

Ehl wie Schmidt setzen zudem auf konsequente Digitalisierung, um die Patienten effizienter zu versorgen. Inhalte müssten zudem sinnvoll gestaltet werden und Überstunden gut begründet, so Schmidt. Strukturierte Weiterbildungscurricula, Transparenz für Rotationen, lebensabschnitts-adaptierte Arbeitszeiten und flexible Auszeiten wie Elternzeit oder unbezahlter Urlaub seien wichtige Elemente, um die jungen Leute zu halten.

Schmidt betonte allerdings die überragende Bedeutung der „generationengerechten Führung“ in den Kliniken der Zukunft. Die Krankenhäuser werden sich viel mehr um ihre Mitarbeiter bemühen müssen, erklärte Schmidt. Vor allem durch gute Führung. Darin liege die wahre Herausforderung für die Chefetagen.

 
Wie können wir innovativ sein, wenn wir in 50 Jahre alten Strukturen arbeiten? Jana Aulenkamp
 

Generationengerecht zu führen erfordere, unterschiedliche Prägungen, Lebensphasen und Alterungseffekte zu berücksichtigen, so Schmidt. Er empfiehlt einen „coachenden Führungsstil“ in Kleingruppenbetreuung etwa durch einen Oberarzt, der als Mentor fungiert.

Nicht nur Wissen einfüllen

In der Frage der Digitalisierung der Medizin gab es mit den Vertretern der Generation Y auf dem Workshop kaum Dissens. „Bei den unter 30-Jährigen würden über 2 Drittel ihre Daten zu Gesundheitszwecken hergeben“, sagte Aulenkamp in ihrem Statement. Die Bereitschaft der Patienten zu größerer Digitalisierung in der Versorgung sei also vorhanden. „An der entsprechenden Entwicklung in der Krankenversorgung, zum Beispiel durch regionale Vernetzung, wollen junge Mediziner auch beteiligt werden.“

Einiges fehlte Aulenkamp in den Entwürfen ihrer Vorredner: interprofessionelle Zusammenarbeit und gemeinsames Lernen von Pflegenden und Ärzten, deutlich flachere Hierarchien, größere Berücksichtigung der Patientenperspektive, mehr sprechende Medizin oder kompetentere Kommunikation. „Wenn wir sehen, wie in anderen Bereichen kreativ geführt wird und gucken dann ins Krankenhaus, da fragen wir uns: Wo bleibt da die Lernstruktur?“

 
Es geht darum, die Arbeit besser zu machen und eine Vision zu haben, der wir folgen können. Dr. Kevin Schulte
 

Es könne nicht einfach darum gehen, „Wissen in den Assistenzarzt einzufüllen“, sondern „Führungskräfte müssten sich zum Beispiel auch in ethischen Fragen auskennen“, so Aulenkamp.

Bild von Generation Y „stimmt nicht“

Schulte kritisierte das Bild, das von der Generation Y gezeichnet wurde. „Die Vorstellung, dass früher anders als heute noch richtig malocht wurde, und dass die heutige Ärztegeneration aus Weicheiern besteht, stimmt nicht“, sagte Schulte. Die Lebenssituationen seien eben anders. Ärzte seien mit Akademikern verheiratet, und wenn beide arbeiten, blieben eben weniger Stunden übrig, so Schulte. Er selbst lindere das Problem zum Beispiel damit, dass er sich den täglichen Einkauf inzwischen ins Haus bringen lasse, berichtete er.

Um in den Krankenhäusern effizienter zu arbeiten, setzt Schulte unter anderem auf die Delegation von Leistungen. Warum solle er als Arzt ein EKG schreiben? Eine gut angelernte Schwester könne auch Sonographie-Untersuchungen machen. „Allerdings fehlen uns Studien darüber, ob eine solche Regelung zu Qualitätseinbußen führen würde“, sagte Schulte. „Noch wäre solche Delegation ein Blindflug. Wir brauchen deshalb Studien.“

Er selbst habe jedenfalls keine Lust, sich für den Status Quo anzustrengen. „Es geht darum, die Arbeit besser zu machen und eine Vision zu haben, der wir folgen können.“



REFERENZEN:

1. Gesundheitskongress des Westens, 7. bis 8. März 2017, Köln

Kommentar

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