HER2-positives Mammakarzinom: 11-Jahre HERA-Studie stützen die Praxis – Trastuzumab senkt Rezidivrisiko um 24 Prozent

Inge Brinkmann

Interessenkonflikte

23. März 2017

Obwohl Langzeitdaten bislang fehlten, gilt der Antikörper Trastuzumab bereits seit Jahren als Standard in der adjuvanten Behandlung von Frauen mit HER2-positivem Brustkrebs im Frühstadium. Nun belegen erstmals aktuelle Daten aus der HERA-Studie, dass die Frauen auch langfristig von der adjuvanten Therapie profitieren [1].

Prof. Dr. Andreas Schneeweiss

So hatte die jüngst im Fachblatt The Lancet veröffentlichte Analyse mit einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 11 Jahren ergeben, dass die Frauen unter der zusätzlichen Gabe von Trastuzumab (alle 3 Wochen gegeben) länger krankheitsfrei überleben – gegenüber einer Standardtherapie ohne Trastuzumab.

„Die Ergebnisse bestätigen die in Trastuzumab gesetzten Erwartungen“, sagt Prof. Dr. Andreas Schneeweiss, Leiter der Sektion Gynäkologische Onkologie am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) der Universität Heidelberg, auf Nachfrage von Medscape. Wichtig zudem: „Die Studie hat gezeigt, dass eine zweijährige Therapiedauer auch langfristig keine Vorteile gegenüber der einjährigen Behandlung mit sich bringt“, ergänzt Schneeweiss. Dies stütze die in Deutschland bereits etablierte Vorgehensweise.

Erfreulich seien überdies die Resultate hinsichtlich des Langzeit-Sicherheitsprofils von Trastuzumab: „Kardiale Nebenwirkungen traten vor allem während der ein- oder zweijährigen Behandlungsphasen auf. Im weiteren Verlauf blieb das kardiovaskuläre Risiko der Patientinnen jedoch weitgehend konstant“, so der Heidelberger Experte.

HERA-Studie untersuchte eine gezielt gegen HER2 gerichtete Therapie

 
Die Ergebnisse bestätigen die in Trastuzumab gesetzten Erwartungen. Prof. Dr. Andreas Schneeweiss
 

HER2-Rezeptoren sind Bindungsstellen für Wachstumsfaktoren, die die Krebszelle zur Teilung anregen. Sind auf der Zelloberfläche besonders viele HER2-Rezeptoren vorhanden, geht dies oft mit einem aggressiveren Verlauf der Krebserkrankung einher. In etwa 20% aller invasiven Mammakarzinome ist der Rezeptor stark überexprimiert.

Gezielte, gegen HER2 gerichtete Therapien sollen diese Rezeptoren blockieren und damit das Zellwachstum hemmen. Bei Trastuzumab handelt es sich um einen humanisierten monoklonalen Antikörper, welcher am HER2-Rezeptor bindet und zur Hemmung der Zellproliferation durch Apoptose sowie einer Antikörper-abhängigen Zerstörung der Tumorzellen durch das Immunsystem führt.

Die HERA-Studie untersuchte den Nutzen einer sequentiellen Therapie mit Trastuzumab im Anschluss an eine Reihe von adjuvanten und/oder neoadjuvanten Standard-Chemotherapieregimen bei über 5.000 Frauen mit HER2-positivem Brustkrebs im Frühstadium. Eine Gruppe erhielt dabei Trastuzumab über 1 Jahr (n = 1.702) und eine weitere über 2 Jahre (n = 1.700). In der Beobachtungsgruppe (n = 1.698) erhielten die Studienteilnehmerinnen keine adjuvante Therapie mit dem Antikörper.

 
Die Studie hat gezeigt, dass eine zweijährige Therapiedauer auch langfristig keine Vorteile gegenüber der einjährigen Behandlung mit sich bringt. Prof. Dr. Andreas Schneeweiss
 

Als primärer Endpunkt wurde das krankheitsfreie Überleben, als sekundäre Endpunkte wurden das Gesamtüberleben und die kardiale Sicherheit definiert.

Rezidivrisiko auch nach 11 Jahren um rund 25% gesenkt

Nach mehreren Interimsanalysen zeigte sich nun auch bei der Betrachtung eines medianen Nachbeobachtungszeitraums von 11 Jahren, dass eine Behandlung mit Trastuzumab eine deutliche Verbesserung hinsichtlich des krankheitsfreien Überlebens im Vergleich zur Beobachtungsgruppe herbeiführen kann.

So sank mit der einjährigen Behandlung das relative Rezidivrisiko der Frauen um 24% (Hazard Ratio HR: 0,76). Und auch das Sterberisiko wurde um 26% im Vergleich zur Beobachtungsgruppe gesenkt (HR: 0,74). Letztlich waren nach 10 Jahren 69% der mit Trastuzumab behandelten Patientinnen weiterhin am Leben, ohne dass sich ihr Krebs verschlimmert hätte oder erneut aufgetreten war. Dies entsprach einer signifikanten Zunahme im Vergleich zu 63% bei den Frauen des Beobachtungsarms.

Beachtlich sind diese Ergebnisse insbesondere angesichts eines massiven Crossovers von 52%: Bei Veröffentlichung von Zwischenergebnissen der HERA-Studie im Jahr 2005 entschied sich rund die Hälfte der Patientinnen des Beobachtungsarms für eine Behandlung mit Trastuzumab. Ohne ein solches Crossover, so die Autoren um Prof. Dr. David Cameron vom University of Edinburgh Cancer Research Centre, wäre der Nutzen der Therapie vermutlich noch eindeutiger belegbar gewesen.

Kardiale Nebenwirkungen traten zumeist in der Behandlungsphase auf

Eine Verlängerung der Therapiedauer auf 2 Jahre brachte hingegen keine weiteren Vorteile für die Patientinnen – zu diesem Schluss kam auch bereits ein HERA-Report aus dem Jahr 2013.

 
Die kardiale Toxizität blieb in allen Gruppen niedrig und trat zumeist in der Behandlungsphase auf. Prof. Dr. David Cameron und Kollegen
 

Dafür traten sekundäre kardiale Endpunkte (z.B. Rhythmusstörungen, Luftnot oder Angina pectoris) vergleichsweise häufig in der 2-Jahres-Trastuzumab-Gruppe auf (d.h. bei 122 Frauen; 7,3%). In der 1-Jahres-Trastuzumab-Gruppe wiesen 74 Frauen (4,4%) und in der Beobachtungsgruppe 15 Frauen (0,9%) solche kardialen Nebenwirkungen auf. Die Unterschiede erwiesen sich aber als nicht signifikant. Schwerere Störungen der Herzfunktion (primäre kardiale Endpunkte) in Zusammenhang mit einer adjuvanten Therapie waren mit 1% in den beiden Trastuzumab-Gruppen und mit 0,1% in der Beobachtungsgruppe ohnehin sehr gering.

Insgesamt müssen Patientinnen aber auch rund 10 Jahre nach Start der Antikörper-Therapie offenbar kaum zusätzliche Nebenwirkungen befürchten. „Die kardiale Toxizität blieb in allen Gruppen niedrig und trat zumeist in der Behandlungsphase auf“, schreiben Cameron und seine Kollegen.

Trotz Trastuzumab noch Rezidive bei 30% der Patientinnen

„Die Ergebnisse stützen die derzeitige Praxis einer einjährigen adjuvanten Therapie mit Trastuzumab bei gleichzeitiger Bestätigung der Sicherheit”, fassen Prof. Dr. Jennifer M. Specht und Prof. Dr. Nancy E. Davidson vom Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle in ihrem begleitenden Editorial zusammen [2].

Ein Fazit, dem sich auch Schneeweiss anschließen kann. Genau wie Specht und Davidson erinnert aber auch er an die Tatsache, dass innerhalb der HERA-Studie immerhin noch rund 30% der Patientinnen trotz der Therapie mit Trastuzumab innerhalb von 10 Jahren Rezidive hatten.

Hier sei die klinische Praxis allerdings dem Setting der HERA-Studie – darin erfolgte die Trastuzumab-Behandlung erst nach Abschluss der adjuvanten Chemotherapie – bereits ein paar Schritte voraus, so Schneeweiss. Es sei es inzwischen Standard, die adjuvante Therapie mit Trastuzumab schon während des Anthrazyklin-freien Teils der adjuvanten Chemotherapie zu beginnen, wodurch das Rezidivrisiko weiter gesenkt werde.

Inzwischen weitere Antikörper in klinischer Erprobung

Weitere Ansätze in klinischer Erprobung seien die zusätzliche Gabe des zweiten Anti-HER2 Antikörpers Pertuzumab. Laut einer aktuellen Pressemitteilung kann auch hierdurch das Rezidivrisiko weiter gesenkt werden. Zudem, so Schneeweiss, werde in Studien die verlängerte Therapie mit dem panHER-Tyrosinkinaseinhibitor Neratinib getestet.

Kombinationen verschiedener Anti-HER2-Antikörper (plus Chemotherapie) werden überdies bereits bei der neoadjuvanten Therapie eines HER2-positiven fortgeschrittenen Brustkrebses angewandt.

Specht und Davidson zeigen sich letztlich überzeugt, dass sich durch die Identifikation weiterer Biomarker (zusätzlich zum HER2-Rezeptor) die Therapie der Patientinnen auch noch weiter verbessern wird.



REFERENZEN:

1. Cameron D, et al: Lancet (online) 16. Februar 2017

2. Specht JM, Davidson NE: Lancet (online) 16. Februar 2017

Kommentar

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