Washington, D.C. – Die Präsentation der kardiovaskulären Outcome-Ergebnisse zur PCSK9-Inhibition mit Evolocumab (Repatha®, Amgen) bei den 66th Annual Scientific Sessions des American College of Cardiology (ACC) war mit Spannung erwartet worden – und enttäuschte nicht: „Evolocumab senkt nicht nur das LDL-Cholesterin drastisch, als Add-on zur Statintherapie reduziert es bei Patienten mit bestehender Herz-Kreislauf-Erkrankung auch signifikant das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse“, berichtete Prof. Marc S. Sabatine vom Brigham and Women’s Hospital in Boston in Washington, D.C. [1].
Sabatine ist der federführende Autor der Endpunkt-Studie FOURIER (Further Cardiovascular Outcomes Research with PCSK9 Inhibition in Subjects with Elevated Risk), deren Ergebnisse zeitgleich zum Kongress im New England Journal of Medicine erschienen sind [2].
In FOURIER reduzierte Evolocumab das Risiko für den primären Endpunkt der Studie – eine Kombination aus kardiovaskulärem Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall, Hospitalisierung wegen instabiler Angina pectoris und koronarer Revaskularisierung – um 15%. Verglichen worden war der PCSK9-Hemmer über median 2,2 Jahre gegen Placebo (und Statin-Basistherapie). Der wichtigste sekundäre klinische Endpunkt der Studie – kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkt und Schlaganfall – wies nach Ablauf des ersten Jahres sogar eine Reduktion um 25% auf.
Erstmals „definitive Daten“ zur kardiovaskulären Risikosenkung
„Mit dieser Studie haben wir nun definitive Daten, dass wir durch die Hinzugabe von Evolocumab zu einer Statintherapie die kardiovaskulären Outcomes signifikant verbessern können und das sicher“, sagte Sabatine. Dies sei eine großartige Nachricht für Patienten mit Atherosklerose, die weiterhin ein hohes Risiko für diese Ereignisse haben.
FOURIER ist die erste große randomisierte Langzeitstudie, die untersucht hat, ob sich durch die Gabe eines PCSK9-Hemmers zusätzlich zu einem Statin bei Hochrisikopatienten kardiovaskuläre Endpunkte verbessern lassen. Die Outcome-Studie zum anderen derzeit zugelassenen PCSK9-Hemmer Alirocumab (Praluent®, Sanofi/Regenron) läuft derzeit noch.
Insgesamt nahmen 27.564 Patienten mit vorbestehender kardiovaskulärer Erkrankung an FOURIER teil. Die multizentrische Studie fand an mehr als 1.000 Einrichtungen in 49 Ländern statt. Die meisten Patienten hatten einen Herzinfarkt in der Anamnese. Sie waren bei Einschluss in die Studie 40 bis 85 Jahre – durchschnittlich 63 Jahre – alt und zu 3 Vierteln Männer. Zu Studienbeginn lag ihr LDL-Cholesterin bei median 92 mg/dl trotz optimierter Statintherapie.
Sie erhielten randomisiert Evolocumab in Form subkutaner Injektionen – entweder 140 mg alle 2 Wochen oder 420 mg jeden Monat – oder ein passendes Placebo.
Drastische Cholesterinsenkung
Wie aufgrund früherer Studien zu erwarten war, senkte Evolocumab das LDL-Cholesterin drastisch: Es sank von median 92 auf 30 mg/dl und bleib während der gesamten Studiendauer stabil niedrig.
In der Placebo-Gruppe erreichten 11,3% der Patienten den primären Endpunkt, in der Evolocumab-Gruppe dagegen nur 9,8% – eine Reduktion laut Autoren um rund 15%. Der sekundäre Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod, Herzinfarkt und Schlaganfall trat unter Placebo bei 7,4% der Patienten auf, unter Evolocumab bei 5,9% der Patienten – eine Reduktion um 20%.Die Untersuchung einzelner Endpunkte ergab keinen Effekt von Evolocumab auf die kardiovaskuläre Mortalität. Doch Herzinfarkte reduzierten sich um signifikante 27% und Schlaganfälle um ebenfalls signifikante 21%.
Vollständiger Effekt braucht seine Zeit
Die Daten zeigen außerdem, dass der Nutzen der Therapie im Lauf der Zeit zunimmt: Die Reduktion des Risikos für den primären Endpunkt stieg von 12% im ersten Jahr auf 19% nach dem ersten Jahr. Ebenso der wichtigste sekundäre Endpunkt, kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkt und Schlaganfall, der bereits im ersten Jahr um signifikante 16% reduziert war, bei dem der Wert der Risikoreduktion nach dem ersten Jahr aber noch auf 25% anstieg.
„Dieses Ergebnis ist konsistent mit Daten aus Statinstudien“, erklärte Sabatine, „es braucht Zeit bis sich die Senkung des LDL-Cholesterins in gesündere Arterien überträgt.“
Wirkung unabhängig von Alter, Geschlecht, Vorerkrankung
Die Reduktionen des primären und der wichtigsten sekundären Endpunkte waren in allen untersuchten Untergruppen gleich – egal ob nach Alter, Geschlecht, Art der kardiovaskulären Vorerkrankung, Intensität der Statintherapie, Dosierung von Evolocumab oder LDL-Cholesterinwerte zu Studienbeginn stratifiziert wurde. Dies galt selbst für diejenigen mit den niedrigsten LDL-Cholesterinwerten zu Studienbeginn, bei denen Evolocumab die Werte von 74 auf 22 mg/dl senkte.
„Wir waren noch nie zuvor in der Lage, so tiefe Werte zu erreichen“, sagte Sabatine. „Diese Daten deuten stark darauf hin, dass Patienten von einer LDL-Cholesterinsenkung profitieren, die deutlich unterhalb der derzeitigen Zielwerte liegt.“
Keine überraschenden Nebenwirkungen
Die Raten an Nebenwirkungen, auch von neu auftretendem Diabetes und neurokognitiven Ereignissen, waren in beiden Gruppen gleich. Die einzige Ausnahme bildeten Reaktionen an der Injektionsstelle, die mit 2,1% unter Evolocumab häufiger waren als in der Placebogruppe mit 1,6%. Die Raten an Studienabbrüchen wegen behandlungsbedingter Nebenwirkungen waren in beiden Gruppen gleich und niedrig.
Sabatine und seine Kollegen hatten auch untersucht, ob die Patienten eine unerwünschte Immunreaktion auf die Behandlung entwickeln. Doch nur 0,3% entwickelten Antikörper gegen Evolocumab, und bei keinem Patienten hatte dies Auswirkungen auf die Wirkung des Medikamentes.
In einem Editorial schreibt Dr. Robin P. F. Dullaart von der Abteilung für Endokrinologie am Universitätsklinikum Groningen, Niederlande, dass die Wirksamkeit der Behandlung mit Evolocumab nun noch bei anderen Hochrisiko-Patientengruppen untersucht werden müsse, etwa bei Diabetespatienten ohne kardiovaskuläre Vorerkrankung [3].
Keine Erfahrungen mit extrem niedrigen Cholesterinwerte
Außerdem müsse im Auge behalten werden, wie sich die extreme Cholesterinsenkung auf Dauer auf die Patienten auswirkten. „Sehr niedrige Cholesterinwerte könnten einen negativen Effekt auf die neurokognitive Funktion haben und den zellulären Transport fettlöslicher Vitamine beeinträchtigen“, erklärte Dullaart.
Der niederländische Endokrinologe geht aber davon aus, dass die Ergebnisse der FOURIER-Studie schon bald Einzug in die internationalen Leitlinien halten werden, um Ärzte hinsichtlich des Einsatzes dieser neuen und recht kostspieligen Arzneimittelklasse bei Hochrisikopatienten anzuleiten.
„Wir müssen den Cholesterinspiegel aggressiver behandeln”, appellierte Sabatine, „und jetzt haben wir ein validiertes Mittel dafür.“
REFERENZEN:
1. 66. American College of Cardiology Scientific Sessions, 17. bis 19. März 2017, Washington/USA
2. Sabatine MS, et al: NEJM (online) 17. März 2017
3. Dullaart RPF: NEJM (online) 17. März 2017
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Erste Endpunkt-Studie mit PCSK9-Hemmer beim US-Kardiologenkongress: Evolocumab senkt kardiovaskuläres Risiko - Medscape - 20. Mär 2017.
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