Erste Endpunkt-Studie mit PCSK9-Hemmer beim US-Kardiologenkongress: Evolocumab senkt kardiovaskuläres Risiko

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

20. März 2017

Washington, D.C. – Die Präsentation der kardiovaskulären  Outcome-Ergebnisse zur PCSK9-Inhibition mit Evolocumab (Repatha®, Amgen) bei den  66th Annual Scientific Sessions des American College of Cardiology (ACC) war  mit Spannung erwartet worden – und enttäuschte nicht: „Evolocumab senkt nicht nur das LDL-Cholesterin  drastisch, als Add-on zur Statintherapie reduziert es bei Patienten mit bestehender  Herz-Kreislauf-Erkrankung auch  signifikant das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse“, berichtete Prof. Marc S. Sabatine vom Brigham and  Women’s Hospital in Boston in Washington, D.C. [1].

Sabatine ist der federführende Autor der Endpunkt-Studie  FOURIER (Further Cardiovascular Outcomes Research with PCSK9 Inhibition in  Subjects with Elevated Risk), deren Ergebnisse zeitgleich zum Kongress im New England Journal of Medicine erschienen  sind [2].

In FOURIER reduzierte Evolocumab das Risiko für  den primären Endpunkt der Studie – eine Kombination aus kardiovaskulärem Tod,  Herzinfarkt, Schlaganfall, Hospitalisierung wegen instabiler Angina pectoris  und koronarer Revaskularisierung – um 15%. Verglichen worden war der PCSK9-Hemmer  über median 2,2 Jahre gegen Placebo (und Statin-Basistherapie). Der wichtigste  sekundäre klinische Endpunkt der Studie – kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkt und  Schlaganfall – wies nach Ablauf des ersten Jahres sogar eine Reduktion um 25%  auf.

Erstmals „definitive Daten“ zur kardiovaskulären Risikosenkung

„Mit dieser Studie haben wir  nun definitive Daten, dass wir durch die Hinzugabe von Evolocumab zu einer  Statintherapie die kardiovaskulären Outcomes signifikant verbessern können und  das sicher“, sagte Sabatine. Dies sei eine großartige Nachricht für Patienten  mit Atherosklerose, die weiterhin ein hohes Risiko für diese Ereignisse haben.

FOURIER ist die erste große  randomisierte Langzeitstudie, die untersucht hat, ob sich durch die Gabe eines  PCSK9-Hemmers zusätzlich zu einem Statin bei Hochrisikopatienten kardiovaskuläre  Endpunkte verbessern lassen. Die Outcome-Studie zum anderen derzeit zugelassenen PCSK9-Hemmer  Alirocumab (Praluent®, Sanofi/Regenron) läuft derzeit noch.

Insgesamt nahmen 27.564 Patienten mit vorbestehender kardiovaskulärer Erkrankung an FOURIER teil. Die  multizentrische Studie fand an mehr als 1.000 Einrichtungen in 49 Ländern  statt. Die meisten Patienten hatten einen Herzinfarkt in der Anamnese. Sie  waren bei Einschluss in die Studie 40 bis 85 Jahre – durchschnittlich 63 Jahre  – alt und zu 3 Vierteln Männer. Zu Studienbeginn lag ihr LDL-Cholesterin bei  median 92 mg/dl trotz optimierter Statintherapie.

Evolocumab senkt nicht nur das LDL-Cholesterin drastisch, … es reduziert … auch signifikant das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. Prof. Marc S. Sabatine

Sie erhielten randomisiert  Evolocumab in Form subkutaner Injektionen – entweder 140 mg alle 2 Wochen oder  420 mg jeden Monat – oder ein passendes Placebo.

Drastische Cholesterinsenkung

Wie aufgrund früherer  Studien zu erwarten war, senkte Evolocumab das LDL-Cholesterin drastisch: Es  sank von median 92 auf 30 mg/dl und bleib während der gesamten Studiendauer  stabil niedrig.

In der Placebo-Gruppe  erreichten 11,3% der Patienten den primären Endpunkt, in der Evolocumab-Gruppe  dagegen nur 9,8% – eine Reduktion laut Autoren um rund 15%. Der sekundäre  Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod, Herzinfarkt und Schlaganfall trat unter  Placebo bei 7,4% der Patienten auf, unter Evolocumab bei 5,9% der Patienten –  eine Reduktion um 20%.Die Untersuchung einzelner Endpunkte ergab keinen Effekt von  Evolocumab auf die kardiovaskuläre Mortalität. Doch Herzinfarkte reduzierten  sich um signifikante 27% und Schlaganfälle um ebenfalls signifikante 21%.

Diese Daten deuten stark darauf hin, dass Patienten von einer LDL-Cholesterinsenkung profitieren, die deutlich unterhalb der derzeitigen Zielwerte liegt. Prof. Marc S. Sabatine

Vollständiger Effekt braucht seine Zeit

Die Daten zeigen außerdem,  dass der Nutzen der Therapie im Lauf der Zeit zunimmt: Die Reduktion des  Risikos für den primären Endpunkt stieg von 12% im ersten Jahr auf 19% nach dem  ersten Jahr. Ebenso der wichtigste sekundäre Endpunkt, kardiovaskulärer Tod,  Herzinfarkt und Schlaganfall, der bereits im ersten Jahr um signifikante 16%  reduziert war, bei dem der Wert der Risikoreduktion nach dem ersten Jahr aber  noch auf 25% anstieg.

„Dieses Ergebnis ist  konsistent mit Daten aus Statinstudien“, erklärte Sabatine, „es braucht Zeit  bis sich die Senkung des LDL-Cholesterins in gesündere Arterien überträgt.“

Wirkung unabhängig von Alter, Geschlecht,  Vorerkrankung

Die Reduktionen des primären  und der wichtigsten sekundären Endpunkte waren in allen untersuchten  Untergruppen gleich – egal ob nach Alter, Geschlecht, Art der kardiovaskulären  Vorerkrankung, Intensität der Statintherapie, Dosierung von Evolocumab oder  LDL-Cholesterinwerte zu Studienbeginn stratifiziert wurde. Dies galt selbst für  diejenigen mit den niedrigsten LDL-Cholesterinwerten zu Studienbeginn, bei  denen Evolocumab die Werte von 74 auf 22 mg/dl senkte.

„Wir waren noch nie zuvor in  der Lage, so tiefe Werte zu erreichen“, sagte Sabatine.  „Diese Daten deuten stark darauf hin, dass Patienten von einer  LDL-Cholesterinsenkung profitieren, die deutlich unterhalb der derzeitigen  Zielwerte liegt.“

Sehr niedrige Cholesterinwerte könnten einen negativen Effekt auf die neurokognitive Funktion haben … Dr. Robin P. F. Dullaart

Keine überraschenden Nebenwirkungen

Die Raten an Nebenwirkungen,  auch von neu auftretendem Diabetes und neurokognitiven Ereignissen, waren in  beiden Gruppen gleich. Die einzige Ausnahme bildeten Reaktionen an der Injektionsstelle,  die mit 2,1% unter Evolocumab häufiger waren als in der Placebogruppe mit 1,6%.  Die Raten an Studienabbrüchen wegen behandlungsbedingter Nebenwirkungen waren  in beiden Gruppen gleich und niedrig.

Sabatine und seine Kollegen  hatten auch untersucht, ob die Patienten eine unerwünschte Immunreaktion auf  die Behandlung entwickeln. Doch nur 0,3% entwickelten Antikörper gegen  Evolocumab, und bei keinem Patienten hatte dies Auswirkungen auf die Wirkung  des Medikamentes.

In einem Editorial schreibt Dr. Robin P. F. Dullaart von der  Abteilung für Endokrinologie am Universitätsklinikum Groningen, Niederlande,  dass die Wirksamkeit der Behandlung mit Evolocumab nun noch bei anderen  Hochrisiko-Patientengruppen untersucht werden müsse, etwa bei Diabetespatienten  ohne kardiovaskuläre Vorerkrankung [3].

Keine Erfahrungen mit extrem niedrigen  Cholesterinwerte

Außerdem müsse im Auge  behalten werden, wie sich die extreme Cholesterinsenkung auf Dauer auf die Patienten auswirkten. „Sehr niedrige Cholesterinwerte  könnten einen negativen Effekt auf die neurokognitive Funktion haben und  den zellulären Transport fettlöslicher Vitamine beeinträchtigen“, erklärte  Dullaart.

Der niederländische  Endokrinologe geht aber davon aus, dass die Ergebnisse der FOURIER-Studie schon  bald Einzug in die internationalen Leitlinien halten werden, um Ärzte  hinsichtlich des Einsatzes dieser neuen und recht kostspieligen  Arzneimittelklasse bei Hochrisikopatienten anzuleiten.

„Wir müssen den  Cholesterinspiegel aggressiver behandeln”, appellierte Sabatine, „und jetzt  haben wir ein validiertes Mittel dafür.“



REFERENZEN:

1. 66. American College of  Cardiology Scientific Sessions, 17. bis 19. März 2017, Washington/USA

2. Sabatine MS, et al: NEJM (online) 17. März 2017

3. Dullaart RPF: NEJM (online) 17.  März 2017

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....