US-amerikanischer Kardiologen-Kongress: Welche Highlights zu erwarten sind – Cholesterinsenkung ein Schwerpunktthema

Washington D.C. – Im Mittelpunkt der diesjährigen American College of Cardiology (ACC) 2017 Scientific Sessions, die vom 17. bis 19. März in Washington D.C. stattfinden, steht die Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9, kurz PCSK9 [1]. Das Cholesterin-regulierende Enzym ist das molekulare Target einer Klasse von Arzneimitteln, die zwar schon seit 2 Jahren zur LDL-Cholesterinsenkung auf dem Markt sind, bei Ärzten aber bislang einen schweren Stand hatten.

Als Grund für die zögerliche Aufnahme von PCSK9-Inhibitoren wie Evolocumab (Repatha®, Amgen) und Alirocumab (Praluent®, Sanofi/Regenron) in der medizinischen Community werden häufig die hohen jährlichen Kosten genannt. Doch auch der Mangel an soliden klinischen Endpunkt-Daten lässt viele Ärzte zögern, den Rezeptblock zu zücken.

Das könnte sich mit dem ersten Late Breaking Clinical Trials (LBCT)-Symposium beim ACC ändern: Hier werden nämlich die primären Ergebnisse der großen Outcome-Studie FOURIER (Further Cardiovascular Outcomes Research With PCSK9 Inhibition in Subjects With Elevated Risk) präsentiert.

Schon im vergangenen Monat hatte Amgen einen ersten Einblick in die Ergebnisse gegeben, dabei aber nur verkündet, dass unter Evolocumab – zusätzlich zu Statinen in der Sekundärprävention – das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse signifikant gesunken sei (wie Medscape berichtete).

Neben den ersten klinischen Endpunkt-Daten zu einem PCSK9-Inhibitor hat das dicht gepackte Kongressprogramm aber auch ausgefallenere Substanzen zum Management von Dyslipidämien zu bieten. Weiterhin gibt es Symposien, die neue Ergebnisse zur Behandlung mit direkten oralen Antikoagulanzien (NOAK) bei akutem Koronarsyndrom und Vorhofflimmern vorstellen. Auch die Prüfung der Transkatheter-Aortenklappen-Implantation (TAVI) bei Patienten mit mittlerem Risiko steht auf dem Programm. Außerdem werden Studienergebnisse zur perkutanen Koronarintervention (PCI) präsentiert, die durch Messung der vaskulären Funktion und myokardialen Ischämie gesteuert wird.

Hier sind ausgewählte Highlights der der „Late Breaking Trial“-Symposien beim ACC:

Freitag, 17. März 2017

Das Highlight am ersten Kongresstag ist die Vorstellung der FOURIER-Ergebnisse, insbesondere nachdem Amgen bereits bekannt gegeben hat, dass die Studie mit mehr als 27.000 Patienten ihren primären kombinierten Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod, nicht tödlichem Herzinfarkt oder Schlaganfall, Hospitalisierung wegen instabiler Angina pectoris oder koronarer Revaskularisierung erreicht hat. Am Freitag wird sich zeigen, wie groß der Nutzen von Evolocumab tatsächlich ist.

Ebenfalls am Freitag vorgestellt werden erste Ergebnisse der Sicherheits- und Effektivitätsstudie SURTAVI. Sie hat bei 2.500 Patienten mit mittlerem Risiko eine TAVI mit dem CoreValve™ (Medtronic) und einen chirurgischen Aortenklappenersatz im Hinblick auf Mortalität und Schlaganfall über 2 Jahre verglichen.

Die ORION 1-Studie untersuchte einen alternativen Weg, PCSK9 zur Cholesterinsenkung zu unterdrücken, nämlich die Synthese des Enzyms von Vornherein zu verhindern. Das klappt – zumindest über 90 Tage – mit Injektionen des langwirksamen RNA-Interferenz-Wirkstoffes Inclisiran (ALN-PCSsc, Alnylam Pharmaceuticals/the Medicines Company), wie die letztes Jahr präsentierten Interimsergebnisse der Studie zeigten. Dieses Jahr wird über die primären Endpunkte der Studie berichtet.

Samstag, 18. März 2017

Am Samstag steht die CARAT-Studie auf dem Programm. Etwa 300 Patienten erhielten 10 aufeinanderfolgende Infusionen mit CER-001 (Cerenis Therapeutics), einer biotechnologisch erzeugten Substanz, die HDL-Cholesterin imitiert und den Rücktransport von Cholesterin verstärken soll. Die neue Substanz hat in Phase-2-Studien bei akutem Koronarsyndrom und bei Patienten mit erblichen Dyslipidämien zu gemischten Resultaten geführt. Die Patienten in CARAT hatten ein akutes Koronarsyndrom und angiographisch ein signifikantes koronares Plaquevolumen.

Ebenfalls am Samstag beim Kongress: die EINSTEIN CHOICE-Studie, die jüngste aus der Reihe der EINSTEIN-Studien, die das NOAK Rivaroxaban (Xarelto®, Bayer) zur Behandlung oder Prävention von Thrombosen in den peripheren Gefäßen untersuchen. Gut 3.400 Patienten wurden nach 6- bis 12-monatiger Antikoagulation wegen einer symptomatischen tiefen Venenthrombose oder Lungenembolie auf 10 oder 20 mg Rivaroxaban vs. 100 mg ASS randomisiert und 1 Jahr lang auf Blutungen oder erneute Thrombembolien hin beobachtet.

Die GEMINI-ACS-1-Studie führte einen ähnlichen Vergleich bei akutem Koronarsyndrom durch. Bei mehr als 3.000 Patienten verglich sie aber nicht nur Rivaroxaban und ASS, sondern auch Clopidogrel und Ticagrelor (Brilinta®/Brilique®, AstraZeneca).

Neben Albert Einstein und dem Mathematiker und Physiker Jean-Baptiste Fourier taucht auch der Gedächtnisforscher Hermann Ebbinghaus bei den Studien-Akronymen auf: Die EBBINGHAUS-Studie untersuchte bei 1.900 Patienten aus FOURIER, wie sich Evolocumab auf die kognitive Funktion auswirkt. Wie Amgen vergangenen Monat schon verraten hat, war diese unter dem PCSK9-Inhibitor nicht schlechter als unter Placebo.

Sonntag, 19. März 2017

Am Sonntag erwarten die Kongressteilnehmer in Washington unter anderem 2 randomisierte Vergleichsstudien: Eine durch die Fraktionelle Flussreserve (FFR) gesteuerte PCI wurde mit Interventionen verglichen, für die keine Hyperämie-induzierenden Adenosin-Infusionen notwendig sind. Sie basieren auf einer neuartigen Technik, mit der die funktionellen Auswirkungen der koronaren Läsionen ermittelt werden. Ausgangspunkt sowohl der DEFINE-FLAIR- als auch der iFR-SWEDEHEART-Studie ist die Messung des transläsionalen Druckes mithilfe eines patentrechtlich geschützten Algorithmus für die unmittelbare wellenfreie Rate (iFR) in einem Moment der Diastole.

In der RE-CIRCUIT-Studie, die ebenfalls am letzten Kongresstag auf dem Programm steht, wurden fast 700 Patienten mit paroxysmalem oder persistierendem Vorhofflimmern, bei denen eine Katheterablation angesetzt war, randomisiert auf eine ununterbrochene orale Antikoagulation mit dem NOAK Dabigatran (Pradaxa®, Boehringer Ingelheim) in der 150-mg-Dosierung 2-mal täglich oder auf Warfarin. Der primäre Endpunkt sind schwere Blutungen beim Eingriff und bis zu 2 Monate danach.

Die CVD-REAL-Studie untersuchte Erwachsene mit Typ-2-Diabetes und Neuverschreibungen von entweder einem SGLT2-Inhibitor, wie Empagliflozin (Jardiance®, Lilly/Boehringer Ingelheim) oder „anderen glukosesenkenden Medikamenten“. Sie soll laut Ankündigung „niedrigere Hospitalisierungsraten wegen Herzinsuffizienz“ unter SGLT2-Inhibitoren zeigen. Die Studie steht im Einklang mit einer noch recht kontrovers diskutierten neuen Denkweise in der Kardiologie, die einige primär antidiabetische Medikamente wie SGLT2-Inhibitoren und GLP-1-Rezeptoragonisten wie Liraglutid (Victoza®, Novo Nordisk) als kardiovaskuläre Therapieoptionen ansieht.


Dieser Artikel wurde von Nadine Eckert aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.



REFERENZEN:

1. 66. American College of Cardiology (ACC) Scientific Sessions, 17. bis 19. März 2017, Washington, DC/USA

 

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